Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Grüne im Wahlkampf: „Die rechte Blase braucht Facebook zur Selbstbestätigung”

von Dirk Peitz
Der Bundestagswahl geht für die Parteien in die letzte entscheidende Woche – gerade auf Social Media. Wie genau aber gehen zum Beispiel die Grünen in diesen für sie so kritischen digitalen Endspurt?

Die Werte der Grünen schienen schwach. Anfang August hat WIRED eine Social-Media-Analyse ihres Wahlkampfs veröffentlicht: Insbesondere auf Facebook zeigte die Partei damals keine besonders guten Werte. Seitdem ist einiges passiert, nicht zuletzt gibt es eine neu entbrannte Debatte um mögliche Machtoptionen für die Partei. Mitte vergangener Woche trafen WIRED-Redakteure den Wahlkampfmanager der Grünen, Robert Heinrich, um ein Gespräch über Zahlen und das Digitalkonzept der Partei in den letzten Tagen des Wahlkampfs zu führen.

Im Gepäck hatten sie die aktuellen Social-Media-Daten der Partei: Die Grünen haben zwar auf Twitter die größte Gefolgschaft aller deutscher Partei-Accounts, doch auf Facebook, dem mit Abstand nutzerstärksten sozialen Medium, sind ihre Fan-Zahlen geringer als die anderer Parteien. Auch die beiden Spitzenkandidaten haben vergleichbar wenige Facebook-Fans – Cem Özdemir kommt mit knapp 130.000 nur auf ein Drittel der Zahl, die zum Beispiel Sahra Wagenknecht von der Linken hat, und Katrin Göring-Eckardt liegt mit rund 35.000 Fans noch mal weit hinter Cem Özdemir. Immerhin: Im August war die Gesamtzahl der Interaktionen auf der Facebook-Fanpage der Grünen mit rund 80.000 doppelt so hoch wie noch im Juli, und die Zunahme der Fans hatte sich auch kräftig beschleunigt, dennoch bleiben die Grünen abgeschlagen. Im Interview hieß die Leitfrage deshalb: Was ist da auf Facebook eigentlich los, wenige Tage vor der Wahl?

WIRED: Herr Heinrich, woran liegt's, sind die Grünen für Facebook zu nett?
Robert Heinrich: Auf Facebook funktionieren einfache, polarisierende, emotionale Botschaften besonders gut. Populistische Parteien haben da einen Wettbewerbsvorteil. Die Grünen haben oft die richtigen, aber selten die einfachen Antworten. Das erschwert die für hohe Interaktionsraten notwendige Zuspitzung. Außerdem dürsten insbesondere die Anhänger der AfD nach einer eigenen Öffentlichkeit jenseits der Massenmedien, denen sie misstrauen.

WIRED: Aber was heißt das für Sie als Partei?
Robert Heinrich: Die rechte Blase braucht Facebook zur Selbstvergewisserung und Selbstbestätigung des eigenen Weltbildes. Das brauchen die Anhänger von SPD, CDU oder Grünen nicht. Auch wenn meine Partei ihre Fanzahlen in den vergangenen vier Jahren vervierfacht hat, war mir schon zu Beginn dieses Wahlkampfes klar, dass wir unsere Online-Strategie nicht primär auf organischer Reichweite aufbauen können, sondern den Werbedruck brauchen.

WIRED: Die Interaktionszahlen der Grünen steigerten sich im August stark, davor waren sie vergleichsweise schwach. Das zeigen die Daten unseres Kooperationspartners Quintly. Was ist passiert?
Robert Heinrich: Wir haben in den Monaten vor Beginn des eigentlichen Wahlkampfes sehr viel ausprobiert. Einiges hat gut funktioniert, anderes nicht. Das hat die durchschnittlichen Interaktionsraten pro Beitrag gedrückt. Insgesamt sind Interaktionen und Reichweite durch die verstärkte Aktivität in dieser Zeit gestiegen, aber diese Zahlen hat Quintly nicht erhoben. Zur Wahrheit gehört aber auch: Das erste Halbjahr 2017 war eine schwierige Zeit für die Grünen. Sinkende Umfragen, mediales Dauerfeuer, zwei verlorene Landtagswahlen – so was drückt natürlich auch auf die Stimmung unserer Anhänger im Netz.

WIRED: Seit Anfang September fallen Die Grünen-Werte plötzlich wieder. Ihre Interaktionsrate etwa sinkt von rund fünf auf unter zwei Prozent. Gleichzeitig hat die AfD nach Monaten der Schwäche auf Social Media plötzlich wieder Erfolg. Passiert so etwas einfach, oder können Sie als Wahlkampfmanager etwas unternehmen?
Heinrich: Es ist richtig, dass die AfD durch die jüngsten Terroranschläge, die einseitige Themensetzung in den großen TV-Runden und die eigenen inszenierten Provokationen neue Aufmerksamkeit bekommen hat. Und natürlich stimmt es: Organische Reichweite auf Facebook und in anderen Netzwerken, die im Wesentlichen durch Interaktionen getrieben wird, wird durch die Tagesagenda bestimmt. Die habe ich als Wahlkämpfer nicht in der Hand. Selbstverständlich guckt man jeden Morgen, was im Netz läuft und wo man sich draufsetzen kann. Doch wir Grüne haben von vorneherein die Wahlkampfstrategie verfolgt, uns nicht von tagesaktueller Themenkonjunktur abhängig zu machen. Unsere Strategie lautet: Wir nutzen die letzten sechs Wochen vor der Wahl, um konsequent unsere Themen im Netz zu spielen.

Die stärksten Facebook-Themen der Grünen waren in den vergangenen Jahren Cannabis, Fracking, Tierquälerei, Flüchtlinge und Erdogan.

Robert Heinrich

WIRED: Also lieber in Schönheit sterben und an der eigenen Strategie festhalten, als auf die Tagesaktualität zu reagieren und damit aber viele Leute zu erreichen?
Heinrich: Ich bestreite, dass ein Thema nur dann für die Menschen relevant ist, wenn es bei Facebook Interaktionen hervorruft. Die interaktionsstärksten „Facebook-Themen“ der Grünen waren in den vergangenen Jahren Cannabis, Fracking, Tierquälerei, Flüchtlinge und Erdogan. Glauben Sie wirklich, dass das diejenigen Themen sind, die die Mehrheit der Grünen-Wähler an die Urnen treiben? Wahlentscheidende Themen für unsere Wähler sind zum Beispiel Klimaschutz, gesundes Essen oder soziale Gerechtigkeit. Wir erreichen im Augenblick durch unsere Online-Werbekampagne mit diesen Themen Millionen Menschen im Netz und stoßen auf große Resonanz. Das ist deutlich relevanter als die tagesaktuelle Aktivität oder Inaktivität in der grünen Blase.

WIRED: Und doch bleibt es dabei: Unsere Zahlen zeigen aktuell verhaltene Werte bei den Grünen.
Heinrich: Viele relevante Zahlen haben Sie gar nicht. Sie müssen ja unterscheiden zwischen dem Tagesgeschäft, also dem, was wir organisch machen jeden Tag – und der eigentlichen Werbekampagne, deren Kennzahlen gar nicht öffentlich sind. Diese Kampagne läuft seit Mitte August, angefangen hat sie mit einer Briefwahlkampagne, die Millionen Menschen erreicht hat. Über Bumper-Ads, Instagram-Videos, Facebook-Anzeigen. Und unserem Wahlspot, der schon 3,5 Millionen Mal aufgerufen wurde. Diese Kampagne wird uns bis zur Wahl erhebliche Reichweite und Sichtbarkeit bringen, Millionen Menschen informieren und mobilisieren. Wir konzentrieren unsere Kampagne auf Facebook, Youtube, Instagram, Google und ein bisschen auch auf Twitter. Wir tun das mit einer Mischung aus Sponsored Content und reinen Anzeigen.

WIRED: Haben Sie ein Beispiel für dieses Konzept?
Heinrich: Es lässt sich aus öffentlich zugänglichen Wahlstatistiken nachvollziehen, zu welchem Zeitpunkt vor einer Bundestagswahl sich Menschen am wahrscheinlichsten dazu entschließen, Briefwahl zu machen. Dieser Zeitpunkt fiel diesmal auf das Wochenende des 26. und 27. August – und an diesem Wochenende waren wir deshalb im Netz besonders präsent, um die Wahlentscheidung von Briefwählern in unserem Sinne zu beeinflussen. Dafür haben wir zum Beispiel eine Bumper-Ad auf Youtube geschaltet. Das ist ein sechssekündiges Video, das anderen Videos vorgeschaltet wird. Allein diese Ad wurde an diesem Wochenende 500.000 Menschen ausgespielt. Ergänzt wurde sie durch mobile Canvas-Ads auf Facebook, die in einer Minute erklären, wie Briefwahl funktioniert, und natürlich Google Adwords für alle, die an diesem Wochenende nach Begriffen wie „Briefwahl“ oder „Bundestagswahl“ suchten. Das verstehe ich unter einer Kampagne.

Ich bezweifle, dass es irgendjemanden gibt, der uns wegen unseres Wahlspots wählt.

Robert Heinrich

WIRED: Sie haben den Wahlspot erwähnt. Haben die Leute den auch wirklich geguckt – oder über den Spot bloß drübergescrollt?
Heinrich: Natürlich schauen nicht alle den Spot bis zu Ende, aber viele tun es: Bei Youtube zählt ein Aufruf ja erst ab 30 Sekunden Sehzeit. Also können wir davon ausgehen, dass die 1,5 Millionen User, die unseren Spot laut Youtube aufgerufen haben, ihn auch zum großen Teil gesehen haben. Übrigens: Immerhin ein Drittel aller User, denen wir unseren Spot als Werbevideo vor andere Videos schalten, entscheiden sich, den Spot anzuschauen statt ihn wegzuklicken, wie ich das normalerweise bei diesen Instream-Videos tue.

WIRED: Welche Zielgruppe wollen Sie mit dem Spot ansprechen?
Heinrich: Da bitte ich um Verständnis – ich kann Ihnen jetzt nicht unsere Zielgruppenformel offenlegen.

WIRED: Aber annähern könnten Sie sich einer Beschreibung…
Heinrich: Wir gehen natürlich nach soziodemographischen Faktoren vor. Dieser Spot wurde vor allem an eine junge Zielgruppe ausgespielt, weil er ja sehr jung gemacht ist. Es war auch der erste grüne Wahlspot, der zielgerichtet fürs Netz gemacht wurde. Alle Parteien drehen vor Bundestagswahlen ja seit jeher Wahlspots, weil sie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen kostenlos gezeigt werden. Wir haben uns diesmal gesagt: Für die vier bis fünf Mal, die unser Spot zu teilweise unmöglichen Zeiten in der ARD laufen wird, dann noch im ZDF und den Dritten, lohnt es sich eigentlich nicht, 100.000 Euro Produktionskosten auszugeben – also lasst uns den Spot gleich fürs Netz machen und ihn eher nebenbei auch noch fürs Fernsehen denken. Dort funktioniert er aber auch. Meine Schwiegereltern fanden ihn auch gut.

WIRED: Dann sind Ihre Schwiegereltern aber sehr jung geblieben…
Heinrich: Nein, meine Schwiegereltern sind über 60.

WIRED: Gerade haben Sie über eine junge Zielgruppe im Netz gesprochen.
Heinrich: Das widerspricht sich nicht. Man denkt immer, die Älteren wollten auch mit Spots für Ältere angesprochen werden, aber bei den Grünen ist das nicht so. Gerade unsere älteren Wähler wollen nicht als Alte angesprochen werden – und die jungen Wähler wiederum nicht mit Jugendslang.

WIRED: Man läuft immer Gefahr, anbiedernd zu wirken?
Heinrich: Absolut. Insofern machen wir ja auch keine klassische Jungwählerkommunikation. Wir versuchen, klar, frisch, schnell zu sein, im Grundton politisch und ernsthaft.

WIRED: Woran messen Sie letztlich die Wirkung der Kampagne? Oder ist Ihnen egal, wie stark Ihre Botschaften auf Social Media wirken?
Heinrich: Nein, überhaupt nicht. Es ist nicht egal, ob das alles Klicks bringt oder nicht. Ich bezweifele aber, dass es irgendjemanden gibt, der uns wegen unseres Wahlspots wählt. Oder wegen eines Plakats oder irgendeiner einzelnen Maßnahme. Betrachtet man Wahlkampf als Marketing, sieht er so aus: Wir haben ein Produkt und zwei Spitzenkandidaten, die dieses Produkt verkaufen sollen im Wahlkampf – die dem Programm ihr Gesicht geben. Es gibt zudem gewisse Image-Werte, die Wählerbindung, eine jeweilige Themenlage, eine bestimmte Machtkonstellation, auch Machtoptionen. All diese Faktoren spielen in die Wahlentscheidung von Menschen mit hinein. Ich bin demütig genug zu wissen, dass eine Kampagne allein keine Wähler überzeugen kann. Das wäre ja auch furchtbar.

WIRED: Ist Social Media also ein Kanal, über den man Menschen nur mobilisieren kann – oder wollen Sie Leute dort auch echt überzeugen?
Heinrich: Social Media kann bei der Mobilisierung helfen, das ist richtig. Das wird in der letzten Woche vor der Wahl ein großes Thema für uns: Diejenigen Menschen, die für uns Sympathie hegen, tatsächlich zur Urne zu mobilisieren. Gut gemachte Social-Media-Formate können aber auch mehr: Präsenz zeigen, Positionen deutlich machen, Identifikation und Bestätigung liefern – oder Informationen und Argumente geben, die bei der Entscheidungsfindung helfen. Aber natürlich überzeugt ein Video oder eine Website allein keinen Wähler.

WIRED: Wollen Sie auch über Themen gezielt Zielgruppen mobilisieren?
Heinrich: Wir sprechen sehr granular Zielgruppen mit Themen an, um denen mitzuteilen: Wir haben etwas für euch in unserem Programm. Um ein Beispiel zu nennen: Wir haben in diesem Jahr den Tag der Arbeit am 1. Mai unter das Motto Soziale Berufe gestellt und haben eine kleine Social-Media-Kampagne über den Account von Katrin Göring-Eckardt gestartet, der mit beworbenen Beiträgen gezielt Menschen aus diesen Berufsgruppen angesprochen hat, also Pflegekräfte, Kitaerzieher, Hebammen, Krankenhauspersonal. Das war auch eine Art Testballon für den großen Wahlkampf. Er hat sehr gut funktioniert, es wurden Beiträge mehr als tausend Mal geteilt, was bei Werbung ungewöhnlich ist. Das heißt, wir nutzen über das Netz die Möglichkeit, themenfokussierte Zielgruppen anzusprechen.

WIRED: Wie viel des digitalen Wahlkampfs der Grünen geht in solches Microtargeting?
Heinrich: Ich verwende den Begriff Microtargeting überhaupt nicht, weil ich keine überzeugende Definition davon kenne. Ich nenne das, was wir tun, Zielgruppenwerbung. Und das, was wir aus gutem Grund nicht tun, nenne ich Hypertargeting: Da werden Datensätze über einzelne Personen gekauft, miteinander verschnitten und daraus Profile erstellt, die dann extrem individuell beworben werden. So etwas tun wir nicht.

WIRED: Das von Ihnen sogenannte Hypertargeting ist die Methode, mit der etwa die umstrittene US-Firma Cambridge Analytica behauptet, der Trump-Kampagne geholfen zu haben – wobei man aber gar nicht weiß, ob das so schon existiert. Und funktioniert…
Heinrich: Richtig. Aber selbst wenn, interessiert die Methode mich nicht, weil sie für mich kein Instrument ist. Es gibt selbstverständlich auch in Deutschland die Möglichkeiten, Datensätze zu kaufen. Das tun wir aber nicht. Wir machen zielgruppenbezogenen Wahlkampf auf Facebook.

WIRED: Doch wo genau verläuft die Grenze zum Microtargeting, oder wie Sie es nennen Hypertargeting?
Heinrich: Die Grenze liegt da, wo die Gruppe verlassen wird und das einzelne Individuum angesprochen wird. Wir besitzen keinerlei personenbezogene Daten, außer von Leuten, die sich bei uns in den Newsletter eingetragen haben.

WIRED: Es gibt das Beispiel der CSU, die auf Facebook gezielt Fans des deutschen Ablegers von Russia Today angesprochen hat, was dann nach hinten losgegangen ist. Sie haben nun im Mai gezielt Menschen angesprochen, die durch ihr Like-Verhalten erkennbar etwas mit sozialen Berufen zu tun haben. Wo ist da der methodische Unterschied?
Heinrich: Methodisch ist da kein großer Unterschied. Die CSU wollte die Zielgruppe der Russlanddeutschen ansprechen, offenkundig in der Absicht, dass die nicht die AfD wählen. Das ist methodisch das gleiche, als wenn wir zum Beispiel die Zielgruppe der taz-Leser ansprächen. Wohlgemerkt: methodisch, nicht politisch.

WIRED: Vielleicht gibt es keine methodische, aber eine moralische Grenze.
Heinrich: Wir haben drei Grundprinzipien, drei politische Grenzen. Erstens sagen wir: Absenderkennung muss sein, also keinerlei verdeckte Werbung, keine U-Boote, keine Super-Pacs, keine Dritten, die für uns Schmutzarbeit machen und etwa Wähler von Martin Schulz mit fiesen Botschaften über ihn bombardieren. Die zweite Grenze ist: Wir veröffentlichen alle Anzeigen, die wir schalten, auf einer separaten Seite. Wir wollten in der aufkeimenden Debatte um „Dark Posts“ – das sind Anzeigen, die nicht über öffentliche Facebook-Seiten ausgespielt werden – von Anfang an keinen Verdacht der Intransparenz aufkommen lassen. Die dritte Grenze ist: Wir kaufen keinerlei Datensätze und verschneiden sie miteinander.

WIRED: Aber Sie nutzen die Daten von Facebook.
Heinrich: Wir nutzen die Daten von Facebook, und uns ist bewusst, dass das ein gewisses Dilemma darstellt: zwischen pragmatischen campaigning, das Wähler erreichen muss, wenn es mit ihnen kommunizieren will – und der berechtigten Kritik, die wir an Netzwerken wie Facebook und Google haben. Die Kritik verschwindet ja nicht, weil wir da Werbung schalten. Das ist so ähnlich wie mit einer Umgehungsstraße, die wir ablehnen – doch solange dort Autos fahren, hängen wir da trotzdem unsere Wahlplakate hin.

WIRED: Als Magazin posten wir auch auf Facebook, und natürlich werben wir dort auch mit Sponsored Posts – während wir in unseren Texten Facebook oft genug kritisieren. Insofern: Wir sind da auch zur Selbstkritik bereit.
Heinrich: Wir sind als Partei so pragmatisch wie viele andere Organisationen. Doch wir haben in Bezug auf Facebook die genannten Grundsätze, und ich akzeptiere sie. Verlorene Glaubwürdigkeit wäre an der Stelle schlimmer als die Tatsache, dass wir im Netz nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen, die wir theoretisch haben. Wir machen dort Werbung und nutzen das ganze Potenzial großer Formate, wie zum Beispiel des Wahlspots. Wir bespielen aber auch sehr viele kleinere Formate, beispielsweise digitale Storys als Canvas-Ads auf Facebook. Grundsätzlich versuchen wir dieselbe Geschichte zu erzählen über alle Kanäle hinweg, aber eben in unterschiedlichen Formaten. Wenn man die Wahlkampfzeitung, eines der klassischsten Wahlkampfmittel schlechthin, mit den Canvas-Ads vergleicht, stellt man fest: Die Themen sind dieselben, nur die Aufbereitung ist eine andere.

WIRED: Das Narrativ wird durchgezogen?
Heinrich: Genau. Das Wichtigste ist, dass man überhaupt ein Narrativ hat. Unseres ist, dass wir einen Zukunftswahlkampf führen. Keinen Protestwahlkampf wie die Linke oder die AfD, aber natürlich auch keinen Regierungswahlkampf, weil wir nun mal in der Opposition sind. Über die Zukunft zu reden heißt für uns: Wir müssen heute etwas ändern, damit wir morgen gut leben können – das ist das Leitmotiv der Grünen-Kampagne. Dieses Leitmotiv muss kanalgerecht aufbereitet werden. Das bedeutet, dass die Botschaft auf Youtube anders funktionieren muss als auf Instagram oder Facebook.

WIRED: Wie viel wird die Digitalkampagne der Grünen am Ende gekostet haben?
Heinrich: Das ist sehr schwer zu sagen. Das reine Werbebudget beträgt etwa 900.000 Euro. Dazu kommen noch Produktionskosten etwa für Spots. Doch nur weil die in erster Linie im Netz laufen, sind das ja keine reinen Digitalkosten. Analog und digital lässt sich budgettechnisch heute nicht mehr trennen. Der gesamte Wahlkampf wird heutzutage digital organisiert. Das Digitale ist überall.

GQ Empfiehlt