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„Blackhat“ ist kein Hacker-Film, sondern eine Ansammlung von Action-Klischees

von Oliver Klatt
Michael Mann gehört zu den großen Stilisten unter den Regisseuren. In „Miami Vice“ prägte er mit Neonlicht, schnellen Autos und pastellfarbenen Anzügen die Ästhetik der Achtziger. In „Heat“ ließ er 1995 Robert De Niro und Al Pacino aufeinander los und schrieb Kinogeschichte. Und zu Beginn des 21. Jahrhunderts zeigte er mit „Collateral“, wie virtuos sich die Stärken und Schwächen von Digitalkameras einsetzen lassen. Sein neuester Film „Blackhat“ versucht es seinen Vorgängern ästhetisch nachzumachen, scheitert aber am Inhalt.

Am 5. Februar läuft Manns 13. Werk in den deutschen Kinos an. Chris Hemsworth spielt darin den genialen Hacker Nicholas Hathaway, der vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wird, um dem FBI und dem chinesischen Geheimdienst zu helfen, einen gefährlichen Cyberkriminellen zu finden. Der hat schon eine Kernschmelze in einem Atomkraftwerk verursacht und die Börse ins Chaos gestürzt. Mithilfe einer Schadsoftware, die Hathaway Jahre zuvor für Kreditkartenbetrügereien entwickelt hat. Die Spur führt die Ermittler in die Unterwelt von Hongkong — eine blutige, todbringende Realität jenseits der Computermonitore.

Der Film hat nichts Relevantes über die Hackerszene zu sagen.

Ästhetisch geht das alles völlig in Ordnung. Mann nutzt die engen Gassen und strahlenden Neonfassaden Hongkongs, um sich routiniert selbst zu zitieren: Es gibt Nahaufnahmen missmutiger Gesichter im Lichtermeer, Bilder der glänzenden Skyline bei Nacht, Flugzeuge und Motorboote, schöne Frauen und Männer, die sich näher kommen und einen bärtigen Bösewicht im Hawaiihemd. Und die Feuergefechte inszeniert Mann wie gewohnt als packende Abfolgen von Schuss und Gegenschuss, als physische Konfrontationen aus Bewegung und Schmerz.

Wer allerdings gehofft hat, dass „Blackhat“ etwas Relevantes zum digitalen Zeitalter, zur Hackerszene oder zur immer größer werdenden Gefahr durch Cyberattacken zu sagen hat, wird enttäuscht sein. Schon im Vorfeld wurde gelästert, dass Hemsworths gestählter Körper ganz und gar nicht zum weit verbreiteten Bild vom kränklichen Computergenie passt. Doch selbst wenn man sich von diesem Vorurteil lösen kann, kauft man dem Thor-Darsteller den begnadeten Hacker nicht ab.

Chris Hemsworth spielt eine Heldenfigur ohne jede Persönlichkeit.

Sein Nicholas Hathaway ist ein wandelndes Amalgam aus Actionklischees. Er verschafft sich nicht nur mit wenigen Tastaturanschlägen Zutritt zu Hochsicherheitsrechnern, darüber hinaus ist er auch noch ein begnadeter Liebhaber, Nahkampfexperte und mehr als passabler Schütze. Hathaway ist eine Heldenfigur, mit Betonung auf Figur. So etwas wie Persönlichkeit lässt er — genau wie jeder einzelne seiner Mit- und Gegenspieler — zu keiner Sekunde erkennen.

„Blackhat“ ist dewegen ein zwar schön fotografierter, inhaltlich aber leider belangloser Actionfilm, dem es nur selten gelingt, so etwas wie Spannung aufzubauen. Form stand bei Michael Mann schon immer vor Inhalt, aber ein derart schwaches Drehbuch hat auch er bislang noch nicht verfilmt. Ähnlich wie seinem nicht weniger stilbewussten Kollegen Ridley Scott („Exodus: Götter und Könige“) scheint Mann mit fortgeschrittenem Alter das Gespür für gute Geschichten abhanden gekommen zu sein.

Wer mehr will, als sich mithilfe hübscher Bilder für zwei Stunden aus der Wirklichkeit auszuklinken, sollte darum besser zu Hause bleiben und sich zum zwanzigsten Mal die Blu-ray von „Heat“ anschauen. Ein Film, der auch nach zwei Jahrzehnten immer noch nachhallt. „Blackhat“ hingegen hat man sofort wieder vergessen, wenn man das Kino verlässt. 

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