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Binaural Bits / Die hörbare Welt der Tiere auf Whale.fm & Bat Detective

von Eva Raisig
Der einsamste Wal der Welt schwimmt im Pazifik. Einsam ist er und unverstanden. Oder einsam, weil unverstanden. Wer findet sich nicht manchmal in dieser Beschreibung wieder. Aber das Unverständnis, das unsereiner alltäglich mehr oder weniger heftig entgegenschlagen mag, ist mit dem des Wals nicht zu vergleichen. Seine Lage ist weitaus niederschmetternder.

Der Hintergrund für seine Einsamkeit steckt im Namen, dem ihm die Wissenschaftler gegeben haben: 52-Hertz-Wal (WIRED berichtete auch über ihn). 1989 detektierten amerikanische Forscher von der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) das Signal dieser Frequenz zum ersten Mal mit Unterwassermikrophonen im Nordpazifik. Es fiel ihnen deshalb auf, weil es zwar die übliche, sich wiederholende, niederfrequente Charakteristik von Waltönen aufwies, aber sehr viel höher war als alle anderen Gesänge — unverständliche Laute für den Rest der Walgesellschaft. Ein Tier, das diese Töne von sich gibt, könnte ein Handicap haben, vermuteten die Forscher, oder ein Hybrid eines Blauwals und einer anderen Art sein. Sicher ist nur, dass der einsamste Wal der Welt über Jahre hinweg immer wieder geortet wurde. Die Meeresbiologen haben seine Reiseroute im Pazifik nachvollzogen, sie sind sich einig, dass er seit der ersten Aufnahme gewachsen sein muss, weil sein Ton seitdem etwas tiefer geworden ist, und schließen daraus auf seine gute Gesundheit. Körperliche Gesundheit, möchte man hinzufügen. Wer weiß wie sein seelischer Zustand aussieht. Immerhin ist dieses einsame Wesen durch seine sehr spezielle Sprechweise von der Kommunikation mit allen anderen Artgenossen abgeschnitten. Auch meine Sympathien helfen dem einsamen Wal wenig, schließlich würden auch wir bei einer — ohnehin unwahrscheinlichen — Begegnung aneinander vorbei reden.

Wahrscheinlich aber wäre ich ohne ihn nicht über Whale.fm gestolpert. Seit ich von seiner misslichen Lage weiß, bin ich für die Feinheiten der Walkommunikation besonders empfänglich. Whale.fm ist eines von zwei Audio-Projekten auf der Citizen Science Plattform Zooniverse.org, auf der über eine Million registrierte Nutzer an wissenschaftlicher Forschung teilnehmen. Mit Whale.fm wird die Suche nach Hörbarem in den Tiefen der Meere aus den eingeweihten Zirkeln der Meeresbiologie in die Mitte der Bürgerwissenschaftler gebracht.

Der Hintergrund für seine Einsamkeit steckt im Namen, dem ihm die Wissenschaftler gegeben haben: 52-Hertz-Wal (WIRED berichtete auch über ihn). 1989 detektierten amerikanische Forscher von der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) das Signal dieser Frequenz zum ersten Mal mit Unterwassermikrophonen im Nordpazifik. Es fiel ihnen deshalb auf, weil es zwar die übliche, sich wiederholende, niederfrequente Charakteristik von Waltönen aufwies, aber sehr viel höher war als alle anderen Gesänge — unverständliche Laute für den Rest der Walgesellschaft. Ein Tier, das diese Töne von sich gibt, könnte ein Handicap haben, vermuteten die Forscher, oder ein Hybrid eines Blauwals und einer anderen Art sein. Sicher ist nur, dass der einsamste Wal der Welt über Jahre hinweg immer wieder geortet wurde. Die Meeresbiologen haben seine Reiseroute im Pazifik nachvollzogen, sie sind sich einig, dass er seit der ersten Aufnahme gewachsen sein muss, weil sein Ton seitdem etwas tiefer geworden ist, und schließen daraus auf seine gute Gesundheit. Körperliche Gesundheit, möchte man hinzufügen. Wer weiß wie sein seelischer Zustand aussieht. Immerhin ist dieses einsame Wesen durch seine sehr spezielle Sprechweise von der Kommunikation mit allen anderen Artgenossen abgeschnitten. Auch meine Sympathien helfen dem einsamen Wal wenig, schließlich würden auch wir bei einer — ohnehin unwahrscheinlichen — Begegnung aneinander vorbei reden.

Wahrscheinlich aber wäre ich ohne ihn nicht über Whale.fm gestolpert. Seit ich von seiner misslichen Lage weiß, bin ich für die Feinheiten der Walkommunikation besonders empfänglich. Whale.fm ist eines von zwei Audio-Projekten auf der Citizen Science Plattform Zooniverse.org, auf der über eine Million registrierte Nutzer an wissenschaftlicher Forschung teilnehmen. Mit Whale.fm wird die Suche nach Hörbarem in den Tiefen der Meere aus den eingeweihten Zirkeln der Meeresbiologie in die Mitte der Bürgerwissenschaftler gebracht.

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Das gleiche Forschungsinstitut, das vor über 25 Jahren die Gesänge des einsamsten Wals der Welt zum ersten Mal aufgenommen hat, hat für Whale.fm seine Unterwasseraufnahmen von Walklängen online gestellt, um mithilfe der Crowd die Rufe tausender Orkas und Grindwale dem zugehörigen Tier zuzuordnen. Denn warum, so war die Überlegung der Wissenschaftler, sollten sich Galaxien von Amateurforschern klassifizieren lassen, wie es das bekannteste Zooniverse-Projekt, Galaxy Zoo, gezeigt hatte, aber keine Walstimmen?

Und immerhin lässt sich die Durchsicht mancher Datenflut, für die eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe Jahre brauchen würde, mit der Mitarbeit tausender Frewilliger oft in wenigen Monaten erledigen. Auch die Meeresbiologen der WHOI saßen mit ihren Unterwasseraufnahmen vor einer riesigen Datenmenge und holten deshalb die Citizen Science Community mit an Bord. Seit November 2011 haben tausende Freiwillige mitgeholfen, mehrere hunderttausend Walrufe einzelnen Tieren zuzuordnen. Dabei sollten sie sich auf der Webseite Ausschnitte der aufgezeichneten Walklänge anhören und anschließend entscheiden, welche visuelle Darstellung in Spektogrammen zu dem Klang passen könnte. Das lief so gut, dass letzten Monat die Sortierung durch die freiwilligen Helfer abgeschlossen war. Das Forschungsteam kann sich nun an die weitere Analyse machen.

Zwar ist auch Whale.fm nicht frei von der Citizen Science Kritik fehlender Auswertungsstandards und mangelnder Qualität der Datengrundlage für die Experten, aber eine Studie hat ergeben, dass die Zuordnung von visuellem und auditiven Walklang durch die Bürgerwissenschaftler in drei von vier Fällen mit denen der Meeresbiologen übereinstimmte. Auch im Vergleich mit Computeralgorithmen sind Blick und Gehör eines Amateurforschers bei der Klassifizierung von Waltönen offenbar differenzierter. Selbst ungeübte Citizen Science-ler ordneten intuitiv auch unterschiedliche Tonsignaturen des gleichen Tiers dem richtigen Individuum zu. Trotz der bei Citizen Science üblichen fehlenden Expertise der Teilnehmer war die Datensortierung bisher so hilfreich, dass schon vor deren Abschluss zwei wissenschaftliche Papers mit den Ergebnissen von Whale.fm entstanden sind.

Durch Audio-Projekte bekommen wir einen hörbaren Zugang zu einem Bereich, von dem wir durch unsere körperlichen Gegebenheiten üblicherweise  ausgeschlossen sind

Mit Bat Detective hat Zooniverse ein zweites, noch laufendes Audio-Projekt, das nun ganz ähnlich wie Whale.fm um die Mithilfe bei der Kategorisierung von Fledermausrufen bittet. Wahrscheinlich werden auch die Fledermausforscher keine Probleme haben, genügend Hobbywissenschaftler für ihre Daten zu finden. Zum einen, weil diese unkomplizierte Art der Partizipation an Wissenschaft offenbar ganz schlicht und einfach Freude bereitet. Zum anderen, weil wir speziell durch solche Audio-Projekte einen hörbaren Zugang zu einem Bereich bekommen, von dem wir durch unsere körperlichen Gegebenheiten üblicherweise  ausgeschlossen sind — sie lassen uns einen auditiven Blick in die Tiefe der Ozeane werfen oder in die für uns meist lautlose Welt der Fledermäuse. Ich hoffe jedenfalls, dass bald das nächste Audioprojekt bei Zooniverse.org gestartet wird und dass vor allem bald noch weitere Walgesänge für die Öffentlichkeit verfügbar gemacht werden.  Dann werde ich versuchen, meiner Sympathie für das einsame Wesen im Pazifik eine nützlichere Form zu geben. Ich werde selektiv lauschen. Nach einem zweiten Signal. Auf 52 Hertz.

In der letzten Folge Binaural Bits zeigte Moritz Metz Beispiele für gute Audiowalks. Also hört mal rein!

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