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Zensur bei Wolfenstein: Bethesda ist zu weit gegangen

von Daniel Ziegener
Wolfenstäche bietet alles, was in der deutschen Version von „Wolfenstein: The New Colossus“ fehlt – Jüdische Widerstandskämpfer, jede Menge Hakenkreuze und den berühmtesten Schnauzer der Geschichte. Das Spiel will zeigen, dass Bethesda mit seiner Selbstzensur zu weit gegangen ist.

Der deutsche Dramatiker Berthold Brecht dichtete schon 1934: „Adolf Hitler, dem sein Bart, ist von ganz besondrer Art.“ Das war vor dem zweiten Weltkrieg. Die Gesichtsbehaarung des Diktators ist auch heute oft Ziel von Spott und Parodien. Sie steht fast ebenso symbolisch für das Dritte Reich, wie das Hakenkreuz. Und genau dieser Bart steht im Mittelpunkt von Wolfenstäche: The New Censorship. Drei Spieleentwickler aus Tel Aviv parodieren damit das gerade veröffentlichte Wolfenstein: The New Colossus.

Ihr Spiel kritisiert zwei Dinge an dem Shooter: Erstens die Zensur der deutschen Version, bei der neben Hakenkreuze und Hitlerbart auch jeder Hinweis auf die Existenz des Judentums gestrichen wurde – inklusive des Holocausts. Und zweitens, dass der Publisher Bethesda den Verkauf des Titels in Israel verweigert.

Trotz wachsender Kritik hat Bethesda bereits angekündigt, auch im nächsten Teil der Trilogie nichts an ihrer Herangehensweise an das Thema zu ändern. Den Spieleentwickler Shalev Moran macht das wütend: „Sie sind revisionistisch in Deutschland und diskriminieren Juden in Israel, weil es die einfachste Lösung ist.“ Zusammen mit Programmierer Alon Karmi und Grafiker Nadav Hekselman bietet er deshalb seine eigene Variante von Wolfenstein als kostenlosen Download an. Wolfenstäche sei ein „Indie-DLC“, der die offensichtlichen Fehler des Originals beheben soll, sagt Moran: „Wolfenstäche ist ein Geschenk an unsere Gamer-Freunde in Deutschland, damit wir die Frustration teilen können.“

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Das Spiel besteht nur aus einem einzigen Level. In einer kreisrunden Arena, an deren Wand ein überlebensgroßes Portrait von Adolf Hitler hängt, muss man sich mit einem Maschinengewehr verteidigen. Das Fadenkreuz der Waffe ist ein Davidstern. Feinde sind nicht etwa Wehrmachtssoldaten, sondern Hitlers Bart selbst – auch der fehlte in der deutschen Version des Originals. Dutzende Schnauzer schweben in verschiedenen Größen durch die Arena und müssen abgeballert werden.

„Die Leute scheinen besonders das Davidstern-Fadenkeuz zu mögen“, sagt Moran. Auch sein Kollege Karmi hält es für den besten Witz des Spiels: „Shalev hatte die Idee kurz vor dem Ende der Entwicklung. Als ich es das erste Mal in Aktion gesehen habe, musste ich laut lachen.“

Wolfenstäche ist surreal, übertrieben und auch ein bisschen albern. Aber genau das ist Bethesdas Entscheidung, ausgerechnet Hitlers Bart abzurasieren, ja auch. Auf Moran wirkt das wie ein schlechter Witz: „Als Autor einer Comedyshow wäre ich für so einen einfallslosen Scherz gefeuert worden. Aber die haben es wirklich gemacht!“ Dabei sind die Macher von Wolfenstäche selbst große Fans des Wolfenstein-Entwicklerstudios MachineGames. Die Entscheidung des Publishers können sie jedoch nicht nachvollziehen: „Bethesda verhält sich respektlos gegenüber israelischen und deutschen Spielern.“

Bethesda verhält sich respektlos gegenüber israelischen und deutschen Spielern.

Wolfenstein II: The New Colossus hebt sich vom Videospiel-Mainstream besonders durch seine klare politisch Botschaft ab. Es wählt die Nazis nicht als pseudo-historischen Hintergrund für ein Action-Spektakel wie etwa Call of Duty WWII, sondern hat auch etwas über ihre Ideologie zu sagen. Das Problem ist nur, dass es in Deutschland überhaupt keine Nazis in Wolfenstein gibt. Stattdessen treten Held B.J. Blazkowicz und seine Gruppe von Widerstandskämpfern einem austauschbaren Regime entgegen.

Die Änderungen beruhen auf dem Artikel 86 des Strafgesetzbuches. Dieser verbietet das Verbreiten von Nazisymbolen – darunter auch das Hakenkreuz. Bethesda handelt also im vorauseilendem Gehorsam. Wäre Wolfenstein in Deutschland wegen seiner Nazisymbolik indiziert worden, hätte Bethesda große finanzielle Verluste hinnehmen müssen. Dass Nazisymbole in Dokumentationen oder Filmen wie Inglourious Basterds dennoch zu sehen sind, liegt an einer Ausnahmeregel: Kunst darf das. Und ein Videospiel ist eigentlich auch ein Kunstwerk. Vor Gericht wurde diese Definition jedoch noch nicht erkämpft.

Moran glaubt, dass Bethesda vor Gericht locker gewinnen würde: „Das würde Videospielen nicht nur ihre rechtmäßige Ausnahme von dem Gesetz geben, sondern auch beweisen, dass Spiele wirklich eine Kunstform sind.“ Wolfenstein II: The New Colossus sei genau so ein Kunstwerk wie sein Wolfenstäche.

Für den Journalisten Christian Schiffer grenzt Bethesdas Verhalten an Geschichtsrevisionismus. Der Herausgeber des WASD-Magazins findet in einem Beitrag beim Bayerischen Rundfunk klare Worte: „Dass das ausgerechnet und nur in der deutschen Fassung passiert, ist ein handfester Skandal. Die (Selbst)zensur führt am Ende dazu, dass die antifaschistische Grundaussage des Spiels verwässert wird.“

In Israel gibt es kein Gesetz, das den Verkauf eines Videospiels über Nazis verbieten würde. Dennoch bleibt die entsprechende Seite im Online-Shop der Plattform Steam leer. Im Bethesda-Community-Forum schreibt ein Nutzer dazu: „Als Gamer aus Israel, stolzer Jude und Nachfahre von Überlebenden des Holocaust kann ich wirklich nicht verstehen, warum dieses Spiel in Israel gesperrt wird.“

Bethesda betrügt den Kern seines eigenen Spiels.

Zu den Gründen für diese Entscheidung hat sich Bethesda bisher nicht öffentlich geäußert. Auch auf Nachfrage blieb eine Antwort der Firma bis zur Veröffentlichung dieses Artikels aus. Als Israeli hat Shalev Moran bisher davon abgesehen, sich über Umwege das Spiel zu besorgen: „Ich weigere mich, einer Firma Geld zu geben, die mich aufgrund meiner Nationalität diskriminiert.“ Auch Schiffer findet keine gute Erklärung. Im Gegenteil: „Meine Vermutung wäre, dass gerade in Israel ein jüdischer Held gut ankommt, der Nazis zu Brei schießt. Inglourious Basterds wurde dort ja ebenfalls positiv angenommen“, schreibt Schiffer.

Mit solchen Problemen muss sich Wolfenstäche nicht herumschlagen. Statt auf einer geschlossenen Plattform wie Steam, kann es über die weniger reglementierte Alternative Itch.io heruntergeladen werden. Dort gibt es keine regionalen Beschränkungen. Und auch der Ur-Vater des Shooter-Franchise, Wolfenstein 3D, ist mitsamt Hakenkreuzen und Roboter-Hitler frei im Netz verfügbar. Die Vorstellung, dass digitaler Programmcode nach Ländergrenzen unterschiedlich ausgeliefert wird, wirkt da fast ana­chro­nis­tisch.

„Jeder Publisher hat die Verantwortung, hinter den Aussagen seiner eigenen Spiele zu stehen. Würde man Assassin’s Creed in Haiti oder Pixars Merida in Schottland verbieten?“, sagt Moran. Indem sie diese Grenzen ziehen, würde Bethesda den Kern des eigenen Spiels betrügen.

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