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#Bashtag / Verloren in den Schmuddel-Sümpfen des Schmierbrots

von Anja Rützel
Die Twittertrends: Manchmal hochsensibles Messgerät für jede Zeitgeist-Zuckung, dann wieder Anspülstelle für hochgewirbelte Wunderlichkeiten. Unsere Autorin seziert in dieser Kolumne den seltsamsten Hitparaden-Hashtag der Woche. Diesmal: #Schmierbrot.

Ja, ich weiß: Nur weil da ein Müllcontainer so einladend am Wegesrand steht, muss man nicht hineinklettern, sich in seinem schmoddrigen Inhalt suhlen und sich erst recht nicht hinterher beschweren, dass man jetzt eventuell etwas Dreck unterm Fingernagel hat. Und nur, weil da der Hashtag #Schmierbrot in den Twittertrends auftaucht, muss man ebensowenig draufklicken und sich wühlmausartig bis an die Wurzel vorkämpfen, nur um hinterher über die damit verbundene Blödheit zu mosern. Ich mache es aber trotzdem.

Diese Hashtags sagen: Du bist alt, du weißt nichts, du kennst niemanden mehr in der „Bravo“, und die gibt es wahrscheinlich schon seit zehn Jahren nicht mehr.

Regelmäßig tauchen Begriffe in den Twittertrends auf, die so durch und durch erratisch sind, dass man sie in dieser leider nur noch selten rätselhaften, weitgehend auserklärten Welt einfach anklicken muss. Meistens ist die Enttäuschung danach groß, weil die mysteriösen Begriffe doch nur mit Bibi, Dagi, Putzi oder Wutzi zu zu tun haben, mit irgendeinem YouTube-Balg also, das gerade beim Frisör war und seine Followerschafe aufgefordert hat, diesen Umstand mittels eines originellen # in die Welt zu tragen. Vergangene Woche trendete der #Schinken, nur weil Dagi Bee in irgendeinem Stream dazu aufgerufen hatte — traurig für Menschen wie mich, die dahinter brandheiße Fleischwaren-News vermutet hatten.

Oder, zweitwahrscheinlichste Erklärung für unverständliche Twittertrends: Irgendwas ist mal wieder los bei der komischen Band One Direction. Das sind dann einfach Hashtags, die einem sagen: Du bist alt, du weißt nichts mehr, du kennst niemanden mehr in der „Bravo“, und wahrscheinlich gibt es die „Bravo“ schon seit zehn Jahren nicht mehr.

#Schmierbrot allerdings schien nach oberflächlicher Recherche nicht in diese Kategorie zu fallen. Und so blieb ich kleben wie eine dumme Stallfliege, die bei ihrem ersten Ausflug in die Bauernhofküche gleich am ersten Fliegenfänger pappt. Ich hörte auf zu zappeln, ergab mich und klickte mich tiefer rein. Doch Auch unter den Nährern des Hashtags schien der Ursprung nicht ganz klar zu sein:

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Je mehr Zeit ich damit verplemperte, umso griesgrämiger machte mich die offensichtliche Inhaltsleere:

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Doch selbst Menschen, die den Trend missbilligten, halfen ihm weiter beim Trenden:

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Und es dauert immerhin — ein verlässlicher Zwitterparadebeispielsmechanismus — gar nicht lange, bis die ersten Parodie- oder Weiterklöppel-Versuche auftauchten:

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Immerhin konnte ich mich aus der #Schmierbrot-Ödnis dieses Mal schneller und rückstandsloser befreien als beim vorherigen Mysteriös-Twittertrend, an dem ich kleben blieb: #lustlord1510 führte mich beängstigend umwegslos zum YouTube-Sex-Q&A des fränkischen Heavymetal-Bloggers „Drachenlord“, dessen Signature-Begrüßung in jedem Video offenbar „Medll-Leude, Servus!“ ist und der munter über seine Penisgröße, sein Prostatamassagegerät und seine Pausenorgasmen beim Praktikum in der Baumschule berichtete. Alles in schönstem Etzerdla-Fränkisch.

Man hopst auf diesen Hashtags wie auf Steinen, die aus dem Bach ragen — geradewegs in den Sumpf.

Für Stunden verlor ich mich in diesem Parallelweltchen, sah mir ein Video, in dem der Drachenlord unsachgemäß eine hölzerne Treppenverkleidung in seinem Haus abreißt, bis zum Ende an, stieß bei meinen Forschungen aber immerhin auf das sehr schöne Format „Hater heute“, in dem der offenbar viel geschmähte Drachenlord kleine Analysen seiner eifrigsten Online-Feinde vornimmt.

Es sind Hashtags wie diese, die ich an Twitter gleichzeitig hasse und liebe. Man hopst auf ihnen wie auf großen Steinen, die aus einem Schlickbach ragen, geradewegs in die dunklen Sümpfe, aus denen man dann meist nicht mehr so schnell herausfindet. Zum Glück rettete mich gestern ein anderer Hashtag aus der Content-Brache: #TypeYourNameWithYourNose. Einmal gelesen, muss man das natürlich sofort selbst ausprobieren — und der Bann des Drachenlords ist gebrochen.

Im letzten #Bashtag regte sich Anja Rützel über Twitterer auf, die sich über den Bahnstreik aufgregen. 

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