Früher klebte man sich Nikotinpflaster auf den Arm — heute lässt man Dampf ab, der nach Erdbeere duftet. Traurig säße der Marlboro-Mann an seinem Feuer, müsste er das noch erleben. Vaper sind Menschen, die so lange an ihren Designstängeln herumschrauben, bis sie damit die schönsten Kunststücke aus heißer Luft in den Raum blasen können. Die Cloud Competition ist ihre Königsdisziplin.
Das Beyond Vape, hinter dessen milchigen Schaufenstern der Wettkampf ausgetragen wird, ist eine Art Klubheim der Bewegung. Allein in New York haben in den vergangenen Monaten drei Filialen eröffnet. Cyrus Soliman, der auf seinem Schiedsrichterplatz hinter der Theke sitzt, arbeitet hier. „Eins, zwei, drei!“, zählt er ein, und die beiden Männer fangen an. Führen die silbernen Röhrchen zum Mund, drücken den Batterieknopf und beginnen, die zerstäubte Flüssigkeit anzuziehen. Sekunden vergehen. Jetzt wird sich zeigen: Wer hat mehr Volumen? Und wer hat seinen Vaporizer am besten getuned? Um hier zu bestehen, braucht man nicht nur große Lungenflügel, sondern auch geschickte Finger.
Das Publikum hält sich währenddessen an seinen eigenen Vaporizern fest und dampft die verschiedenen Liquids, die hier angeboten werden. Grand Reserve — Crème de la Crème etwa, ein in Fässern gereiftes Extrakt aus Arabica-Bohnen. Oder Mother’s Milk, Milchpuder mit Erbeergeschmack. Der Nikotingrad im Liquid, einer Mischung aus pflanzlichem Glyzerin, Propylenglykol und Aroma, reicht von 36 Milligramm für Zwei-Päckchen-am-Tag-Raucher bis null für die, die den Entzug geschafft haben.
Die Idee einer Zigarette, für die man keinen Tabak mehr braucht, ist mehr als 50 Jahre alt.
Die Idee einer Zigarette, für die man keinen Tabak mehr braucht, ist mehr als 50 Jahre alt. 1963 meldete der Amerikaner Herbert Gilbert ein Patent an, aber niemand wollte damit in Serie gehen. Sein Landsmann J. Phillip Ray, der 1981 den Begriff Vaping erfand, wurde mit seinem Nikotin-Verdampfer von der US-Gesundheitsbehörde gestoppt. Erst nachdem der kettenrauchende Chinese Hon Lik 2003 in seiner Heimat eine E-Zigarette ertüftelt und Erfolg damit hatte, begann sich die Idee durchzusetzen.
Einer der Wettkampfqualmer muss husten. Seine Ehre entweicht aus ihm wie ein zerrupfter Frühnebel.
Als die ersten Exemplare in den USA ankamen, legten Vaper die aus China importierten Billig-Verdampfer auseinander, um sie zu frisieren. Vor vier Jahren startete Russ Wishtart, bis dahin selbst Kettenraucher, das erste Vape-Meetup. Damals gab es in der ganzen Stadt nur etwa 50 Vaper. Heute hat sich die Zahl vertausendfacht, schätzt er. „Es ist cool, mit dem Rauchen aufzuhören. Du hast ein Hobby, eine Szene — und du hast Hightech.“ Das Gesundheitsamt von New York kann dieser Argumentation nichts abgewinnen. Weil es das Vapen auch nur für eine andere Art des Rauchens hält, ist es an öffentlichen Plätzen und in normalen Bars verboten.
Für die perfekte Wolke wickeln die besten Vaper Drähte um die Kontakte zwischen Batterie und Liquid und stopfen beträufelte Wollfetzen dazwischen. Die Drähte verstärken den Dampfausstoß, die Watte macht den Dampf dichter. Wer aus seinem Vaporizer alles rausholt, atmet Wolken groß wie Autoreifen und schafft sich auf YouTube und Instagram seine eigene Fangemeinde.
Beim Wettkampf im Beyond Vape beginnt der Ältere der Wettkampfqualmer zu husten. Seine Ehre entweicht aus ihm wie ein zerrupfter Frühnebel. „Dry hit“, keucht er. Dazu kommt es, wenn die Flüssigkeit zur Neige geht, bis man direkt am Metallstückchen des Verdampfers zieht. Genüsslich bläst der Jüngere seine riesige weiße Siegerwolke aus.
Schiedsrichter Soliman schüttelt den Kopf: dass sein Kollege, der mit ihm im Beyond Vape arbeitet, noch nicht einmal eine Wolke hervorgebracht hat, ist, als hätte ein Cowboy ein Duell verloren. Vaping mag begonnen haben als Überwindung eines Lasters — heute ist es eine Sache der Lust. „Das Basteln ist der halbe Spaß“, sagt Soliman. Umso ehrloser, wenn ein Wettkampf so zu Ende geht.