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„Der Film muss in die Welt!“ — „Star Wars“-Regisseur J. J. Abrams im Interview

von Scott Dadich
Der Regisseur J. J. Abrams wurde durch Serien wie „Lost“ bekannt, drehte dann die neuen „Star Trek“-Filme. Nun durfte er als Regisseur und Co-Autor die Wiedergeburt von „Star Wars“ einleiten. Zum Start von „Epsiode VII: Das Erwachen der Macht“ erzählt Abrams im großen WIRED-Interview (fast) alles dazu.

Wenn man die glänzende Metalltür öffnet und ins Büro von J. J. Abrams’ Firma Bad Robot Productions kommt, betritt man eine Welt der Kino-Memorabilia. Links die mörderische Talky-Tina-Puppe aus der Serie „Twilight Zone“, rechts ganze Regalbretter voller VHS-Kassetten, auf denen „Midnight Movies“ steht, ein „Sechs-Millionen-Dollar-Mann“-Brettspiel, eine Auswahl verschiedener Godzillas. Erst wenn man näher hinschaut, erkennt man das System im Chaos: Der scheinbare Schnickschnack ist bestens gepflegt, säuberlich arrangiert. Die Original-„Star Trek“-Actionfiguren aus den Siebzigern stehen nicht einfach herum – sie haben alle ihre Plätze. Jedes Objekt hier, man spürt es, wird geliebt. Abrams ist nicht nur einer der derzeit talentiertesten Filmregisseure der Welt, der mutmaßliche Erbe von Steven Spielberg und George Lucas. Abrams ist ein Superfan.

Das macht seine derzeitige Situation so kompliziert, denn Abrams hat die Mutter aller Mega-Franchises geerbt. Schon klar, es ist nicht das erste Mal, dass Abrams einen popkulturellen Mythos neu belebt, aber: Jetzt geht es um die Saga schlechthin, um das Universum, in dem das Superfantum als solches geboren wurde. Und nicht etwa um einen Reboot. Bei den Dreharbeiten für „Das Erwachen der Macht“ hat Abrams mit denselben Schauspielern, Autoren, Designern, sogar mit demselben Filmmusikkomponisten zusammengearbeitet, die die „Star Wars“-Reihe zu dem gemacht haben, was sie ist und heute bedeutet. Er liebt die Filme mindestens so sehr wie die Nerds und Normalverbraucher, die der Episode VII entgegenfiebern. Als Abrams, 49, die besagten Filme selbst zum ersten Mal sah, war er – wie der junge Luke Skywalker – ein Lehrling. Jetzt muss er der Meister werden.

Und da soll man keinen Druck spüren? Die Aufgabe, die er zu erledigen hat, ist kein Ponyritt: „Star Wars“ zukunftsfähig zu machen – die Saga, die ihn überhaupt erst zum Filmemacher gemacht hat. Den Mythos, der von Millionen Menschen vier Jahrzehnte lang geliebt und gehegt wurde. Und, ach ja: Es geht auch um diverse Milliarden Dollar, die in den kommenden (mindestens) 50 Jahren mit der Franchise und ihren Nebenprodukten umgesetzt werden sollen. 

Adams nahm sich Zeit, um mit WIRED ausführlich über die – ähem – Macht von „Star Wars“ zu sprechen, über die richtige Balance, um eine epische Geschichte weiterzuerzählen, die vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxie begann. Lichtschwerter raus, bitte Koordinaten für den Hyperraumsprung berechnen: Wird Abrams das schaffen? Was Meister Yoda über die Haltung des Einfach-mal-Versuchens denkt, ist ja bekannt.

WIRED: Mr. Abrams, wie geht es Ihnen? Die News, dass Sie „Epsiode VII“ drehen – man hat das Gefühl, sie ist immer noch frisch.
J. J. Abrams: Danke, gut! Alles ziemlich verrückt, oder? Ich kann’s kaum erwarten, bis die Leute endlich den Film sehen. Wir haben so lange über diesem Ding gebrütet, jetzt ist es Zeit, dass wir es in die Welt hinaus entlassen.

Ich habe darauf geachtet, mich nicht zu wiederholen.

J. J. Abrams

WIRED: „Episode VII: Das Erwachen der Macht“ erfüllt ja gleich zwei Missionen: Für die Fans erzählt der Film die Geschichte weiter, alle anderen führt er neu in den „Star Wars“-Kosmos ein. Wie findet man als Macher die Balance zwischen diesen zwei Ansprüchen?
Abrams: Wir wollten eine Geschichte erzählen, deren Anfang, Mitte und Schluss für sich allein steht, aus sich selbst heraus motiviert ist. Die aber gleichzeitig, wie der allererste Film von 1977, eine potenzielle Historie und Zukunft in sich trägt, die nur angedeutet werden. Der erste „Star Wars“ hatte beide Züge: eine fürs Publikum sofort verständliche Story, aber auch eine Ahnung von aufregenden Dingen, die noch passieren werden. Am Anfang hätte kein Zuschauer gedacht, dass Luke etwa Vaders Sohn oder Leias Bruder sein könnte – aber ausgeschlossen war es auch nicht. Mit „Das Erwachen der Macht“ hatten wir es vergleichsweise leicht: Der Film hat vom Start weg eine leidenschaftliche Fanschar sowie eine Backstory, die viele Leuten kennen und auf die wir uns stützen konnten. Aber es gibt eine Menge neuer Figuren, die wir in neue Kontexte und Situationen hineinbringen, und all das kann man auch als Nicht-„Star Wars“-Kenner verstehen. Die Fans dagegen werden in vielem eine zusätzliche Bedeutungsschicht erkennen.

WIRED: Sie haben sich die Story gemeinsam mit Lawrence Kasdan ausgedacht, der auch schon an früheren „Star Wars“-Filmen wie „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ mitgeschrieben hatte. Er hat gesagt, ihm habe beim neuen Film seine eigene Lebenserfahrung aus der Zeit geholfen, die seit der letzten „Star Wars“-Mitarbeit vergangen ist. Woher kam Ihre Inspiration?
Abrams: Natürlich nehmen wir alle unsere Erfahrungen von einem Projekt zum nächsten mit – in diesem Fall habe ich allerdings nie auf frühere Arbeiten zurückgeschaut. Im Gegenteil: Ich habe peinlichst darauf geachtet, mich nicht zu wiederholen. Schon gar nicht die Fehler von früher. Ein Beispiel: Mir ist es in der Vergangenheit ein paar Mal passiert, dass ich mit Projekten begann, ohne die Story wirklich verinnerlicht zu haben. Das heißt nicht, dass ich auf Filme wie „Super 8“ oder „Star Trek Into Darkness“ nicht stolz wäre. Trotzdem habe ich das Gefühl, vor dem Dreh einige schwerwiegende Plot-Probleme nicht gelöst zu haben.
Die Zusammenarbeit mit Larry war für mich wie eine Weiterbildung im Fach Storytelling: Klarheit, Arbeitsökonomie, Tempo, Witz. Eine riesige, praktische Masterclass. Er ist ja selbst auch Regisseur, er wusste genau, was ich in den verschiedenen Produktionsphasen durchmachte, und er half mir, praktisch, kreativ und emotional. Es ging uns immer darum, dieses große, schwere Rad gemeinsam weiterzudrehen, alles im Interesse des Films zu machen. Die wichtigste Frage war für uns stets: Wie kriegen wir es hin, dass der Film Spaß macht? Es ging nie darum, jedes Storydetail auszuerzählen, eine Mindestmenge potenzieller Actionfiguren oder Lego-Modelle unterzubringen oder irgendjemandem zu schmeicheln. Die Frage, was uns als Zuschauer begeistern würde, war das erste und einzige Kriterium.

Ohne Teaser wäre ich als Fan total durchgedreht.

J. J. Abrams

WIRED: Man merkt das schon den Trailern an. Ich weiß noch, wie mir am Morgen der ersten Teaser-Veröffentlichung meine Frau das iPhone rüberschob. Ich hörte die Musik, war plötzlich hellwach – und war aufgeregt wie ein kleines Kind.
Abrams: Wunderbar! Das Beste ist, dass der komplette Film die Aura und das Tempo der Teaser und Trailer hat. Oft entspricht sich das ja nicht so ganz.

WIRED: Jeder weiß, Sie lieben Geheimnisse, Sie überraschen das Publikum gern. Wie ging es Ihnen mit den Vorab-Teasern zu „Star Wars“? Sie mussten einerseits ein paar Sachen verraten, auf der anderen Seite aber auch sicherstellen, dass Sie die Geschichte mit allen Überraschungsmomenten später im Kino so ausrollen können, wie Sie wollen.
Abrams: Wenn man die Pferde vorab nicht allzu scheu macht, hat das Vorteile. Man kann verhindern, dass zu viele Spoiler nach außen dringen oder der Film schon vorweggenommen wird. Obwohl man natürlich auch kein überkritischer Angsthase sein will. Lucasfilm hat sich den Fans gegenüber immer so verantwortunsgsbewusst und großzügig gezeigt, dass es fast ein Kulturbruch gewesen wäre, gar nichts vorab rauszulassen. Ich habe mich persönlich dafür eingesetzt, dass mindestens ein Jahr vorher der erste Teaser kommt. Weil ich selbst als Fan total durchgedreht wäre, wenn ich ein ganzes Jahr lang keinen einzigen Schnipsel bekommen hätte. Muss das so sein? Also haben wir’s gemacht.

WIRED: Wie trifft man hier die goldene Mitte? Mit Bauchgefühl?
Abrams: Man muss sich an jeder Wegbiegung fragen, bei jeder Convention, die man besucht, bei jeder Entscheidung, jeder PR-Maßnahme: Was fühlt sich richtig und gut an? Klar ist das von allen Filmen, an denen ich je gearbeitet habe, der mit dem meisten Lizenz- und Merchandising-Hullibulli. Und jedes Produkt, das man bei einer Spielzeugfirma in Auftrag gibt, öffnet ein kleines Fenster in die Geschichte hinein. Es geht nicht nur darum, irgendeine Requisite in eine Talkshow mitzubringen. Eher die Frage: Was kann man möglicherweise daran ablesen, dass diese bestimmte Figur als diese Actionfigur in dieser Produktlinie erscheint – und nicht in der anderen? Bei allem, was wir tun, müssen wir höllisch aufpassen, nicht zu viel zu verraten.

Das Drehbuch für Episode VIII ist schon fertig.

J. J. Abrams

WIRED: Das „Star Wars“-Universum expandiert ja vor unseren Augen: Erst die Actionfiguren und Games, dann „Episode VIII“ und „IX“ mit den Regisseuren Rian Johnson und Colin Trevorrow. Ich weiß, dass „Episode VIII“ Rians Film ist, aber Sie geben ihm ja einiges vor mit den Details, die „Episode VII“ enthält. Wissen Sie jetzt schon, wie die Handlungsstränge am Ende zusammengehen werden? Oder wird sich das während der Arbeit ergeben?
Abrams: Das Drehbuch für „Epsiode VIII“ ist fertig. Natürlich wird daran noch rumgedoktort werden, wie immer. Larry und ich haben jedenfalls in unserem Plot bestimmte Beziehungskonstellationen, Fragen, Konflikte angelegt. Bei einigen Aspekten wussten wir auch, worauf sie rauslaufen sollten. Wir hatten Besprechungen mit Rian und Ram Bergman, dem Produzenten von „Episode VIII“. Sie durften regelmäßig unsere Muster sehen und waren komplett in die Produktion integriert, um den Übergang von unserem Film zu ihrem so harmonisch und bruchlos wie möglich zu gestalten. Rian bat uns um ein paar Handlungswendungen und Details, die er für seine Fortsetzung brauchte. Ich bin übrigens als Executive Producer auch bei „Episode VIII“ dabei und will allein schon deshalb, dass er wirklich gut wird.

WIRED: Wenn Sie die erste Trilogie aus den 70er-/80er-Jahren betrachten – gab es hier Szenen, die Ihnen besonders viel bedeuten?
Abrams: Es wäre einfacher, die Szenen aufzuzählen, die mir nicht so wichtig sind ... Als „Star Wars“-Fan bin ich voller Liebe und Respekt, wenn ich die alten Filme anschauen. Aber als Regisseur und Autor von „Das Erwachen der Macht“ musste ich sie aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Ein Beispiel: Wenn Darth Vader im dritten Film zu Luke sagt: „Ich bin dein Vater“, ist das im Kino ein gigantisches Erlebnis. Aber wenn man sich anschaut, woher diese Wendung kommt, wie sie sich entwickelt hat, wie die vorausgehende Handlung dieses Momentum aufbaut – dann würde ich bezweifeln, dass der erste Film allein eine solche Klimax getragen hätte. Es brauchte vorher einfach ein paar Jahre Zeit, bis dem Publikum die Figur Darth Vader plausibel und vertraut genug war, bis sie ihren Ruf als Erzschurke weg hatte. Wäre „Ich bin dein Vater“ im ersten Film gekommen, hätte es niemals dieses Beben ausgelöst.
„Das Erwachen der Macht“ ist der erste Teil einer neuen Trilogie, und in einer solchen Situation ist man als Kreativer ja selten: dass man in ein Kontinuum einsteigt, in dem man den siebten von insgesamt neun Teilen macht. Es entlastet einen. Wenn man den ersten „Star Wars“-Film zum ersten Mal sieht, versteht man ja gar nicht, was das Imperium eigentlich will. Man kapiert, dass es den Rest des Universums einschüchtern und unterwerfen will, aber das war’s dann auch schon. Man weiß nicht, was es für Luke heißt, ein Jedi zu werden, oder wer sein Vater sein könnte. Man weiß nicht, was die Klonkriege sind oder die Republik. All diese Storyelemente werden in „Eine neue Hoffnung“ nur angedeutet. Damals, 1977, wusste keiner der Beteiligten, was all das sein sollte, wahrscheinlich nicht mal George Lucas selbst.
Bei der Arbeit am neuen Filme ging es deshalb auch darum, Spuren zu legen, die ins Transzendente der Historie führen – aber trotzdem eine Geschichte zu erzählen, die für sich selbst stehen kann. Die nicht nur eine Attrappe ist, die wir bauen, um die Spannung auf die nächsten Filme hochzupeitschen.

Einschränkungen tun mir als Filmemacher gut.

J. J. Abrams

WIRED: Bei einem derart großen Universum muss man sich auch Grenzen setzen, oder? Ihr Budget war sicher groß genug, ebenso der Anspruch, eine detailreiche, große Filmwelt zu konstruieren. Trotzdem – welche Beschränkungen setzt man sich da, produktions- oder plottechnisch, um sich auf die wahren Ziel konzentrieren zu können?
Abrams: Einschränkungen tun mir gut. Als der ABC-Chef Lloyd Braun mir damals am Telefon den Auftrag für „Lost“ gab, sagte er, er wolle eine Serie über Menschen machen, die einen Flugzeugabsturz überleben. Ich dachte mir: „Schaff ich!“, und der erste Draft ging tatsächlich schnell. Das Gute daran war, dass er mir in wenigen Worten sehr genau beschrieben hatte, was er wollte. Als ich ihm meine ersten Ideen vortrug, waren die viel verrückter als alles, was er sich vorgestellt hatte. Er war eine Art Robinson-Crusoe-Geschichte vorgeschwebt, und genau diese spezifische Einschränkung half mir überhaupt erst, das Verrückte in die richtige Bahn zu lenken. Wenn er nur gesagt hätte: „Denk dir irgendwas Krasses aus!“ – ich wäre erst mal völlig aufgeschmissen gewesen. 
„Star Wars“ erscheint in jeder Hinsicht so grenzenlos, die Welt, die Figuren, die Konflikte. Als Larry und ich mit der Arbeit begannen, schrieben wir alles auf eine Liste, was wir unbedingt dabei haben wollten. Es war eine Herausforderung: Jedes Detail, Kostüm, jede Note des Soundtracks oder jeder Aspekt des Setdesigns muss klar als Stück von „Star Wars“ erkennbar sein. Es ist ein großes Erbe, eine Verantwortung. Alles ist wichtig, jede Entscheidung ist schwerwiegend. Andersrum muss man aber auch sagen: Es ist „Star Wars“ – nicht mehr. Soll heißen: Es ist nicht automatisch interessant, nur weil es zu dieser Galaxie gehört.
Am Set war es anfangs ein Riesending für mich, Harrison Ford im Han-Solo-Outfit zu sehen. Oder: Wow, der Typ da drüben sieht aus wie ein Stormtrooper – und er ist wirklich einer! Erinnern Sie sich an das Gefühl, wenn Vader zum ersten Mal aus der Tür des Raumschiffs kommt? Oder wie es klingt, wenn ein TIE-Fighter vorbeizischt? Wir alle haben 40 Jahre lang TIE-Fighter durch die Gegend fliegen sehen – was ist daran eigentlich so toll? Wir haben alles versucht, um dem Geheimnis auf den Grund zu kommen. 

WIRED: Der „New Yorker“ veröffentlichte neulich einen Artikel über den Apple-Chefdesigner Jony Ive – darin gab es eine Szene, in der beschrieben wird, wie Sie mit ihm über die Gestaltung von Kylos Lichtschwert brainstormen. Solche kleinen Details, auch der rote Arm von C-3PO oder die neue viereckige Radarantenne an Han Solos Raumschiff – sie treiben uns Fans in den Wahnsinn, solange wir nicht wissen, was zwischen dem letzten und dem neuen Film alles passiert ist. Wie haben Sie mit dem Designteam zusammengearbeitet?
Abrams: Den Dialog mit den Designern gab es von Anfang an, zusammen mit Michael Arndt, der den ersten Drehbuchentwurf schrieb. Als Michael und ich zusammen weiter am Skript schraubten, war unser Produktionsdesigner Rick Carter mit dabei. Es war ein entscheidender Vorteil, ihn gleich als Schnittstelle zu den Designern und Künstlern zu haben, schon bei der Vorbereitung der Concept Art, die sich aus unseren Story-Meetings ergab. Kurz danach kamen schon die ersten Entwürfe, einer nach dem anderen, die uns wiederum halfen, unsere Ideen zu konkretisieren. Einfälle wie der rote Arm von C-3PO hatten damit zu tun, dass wir die seit „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ vergangene Zeit irgendwie sichtbar machen mussten. Es ist ja fast so als ob ....

Han Solo ist nicht mehr der 30-jährige Feuerkopf.

J. J. Abrams

WIRED: Als ob Dinge passiert sind, von denen wir nichts wissen.
Abrams: Ja. So wie wenn man jemanden wiedertrifft, den man jahrelang nicht gesehen hat. Man nimmt die Falten in seinem Gesicht überdeutlich wahr, man sieht eine Narbe, die früher noch nicht da war. So spürt man, dass Zeit vergangen ist. Daher war es wichtig, dass Han Solo in unserem Film zwar Han Solo ist, aber nicht mehr der 30-jährige Feuerkopf. Mit 70 hat man einen ganz anderen Erfahrungshorizont, und das sollte erkennbar sein. Zur Radarantenne der Falcon: In „Jedi-Ritter“ gab es eine Szene, in der sie abgerissen wird. Deshalb mussten wir eine neue anbringen. Da kam wieder der Fan in mir durch: Ich wollte genau geklärt haben, ob wir hier die alte Falcon vor uns haben oder eine neue. An der neuen, rechteckigen Antenne erkennt man es. Auch ein Mittel, um verstrichene Zeit zu manifestieren.

WIRED: Ein Großteil der Cast-Mitglieder war 1977 noch nicht einmal geboren. Wie vermittelt man den Nachgeborenen die immense, vielleicht auch belastende Bedeutung des „Star Wars“-Erbes?
Abrams: Die jungen Hüpfer aus dem Cast haben „Star Wars“ alle komplett richtig verstanden. Beim Casting ging es uns ja darum, extrem flexible Schauspieler zu finden. Wenn man daran denkt, was diese Figuren alles mitmachen müssen, nicht nur in diesem Film, sondern auch in den nächsten – das mussten schon Leute sein, die entsprechend breite Schultern haben. Nehmen Sie nur „Harry Potter“: ein castingtechnisches Wunderwerk. Acht Filme, so viele verschiedene Konstellationen und Situationen, und alle Schauspieler sind durchwegs perfekt. 
Wir haben uns beim Casting die größte Mühe gegeben, aber ob es passt, merkt man erst, wenn der Dreh losgeht. Das ist fast so wie früher, wenn man eine Party veranstaltete und die Freunde von der alten Schule zum ersten Mal auf die von der neuen trafen. Was wird passieren? Und dann klappt es. Und die Party wird super.

WIRED: Wie geht es nun weiter? Ich weiß, Sie hatten eigentlich an ganz neuen, eigenen Sachen gearbeitet, als der „Star Wars“-Anruf von Lucasfilm kam.
Abrams: Als ich klein war, fragte meine Mutter mich beim Mittagessen manchmal: „Und, was hättest du gern zum Abendbrot?“ Und ich: „Mama! Wir essen doch noch zu Mittag! Wir haben gerade erst angefangen!“ So geht es mir gerade: Ich muss erst mal das Mittagessen fertig verputzen. Alles was ich jetzt will, ist, dass dieser Film endlich raus in die Welt geht.

Wie „Star Wars“ von der Saga zur Serie wurde, lest ihr hier.

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