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Die Idee meines Lebens / Martin Wikelski lässt Zugvögel aus dem All beobachten

von GQ
Mit dem Blick aus dem Weltraum wollen Max-Planck-Forscher den Verlauf von Epidemien auf Erden besser verstehen und sogar Naturkatastrophen voraussagen können.

In der Vogelwarte Radolfzell am Bodensee beobachten wir seit 110 Jahren den Vogelzug. Erst wurden die Vögel nur beringt, mittlerweile werden sie im Max-Planck-Institut auch mit ausgefeilter Technologie ausgerüstet. Doch bis heute sind wir nicht in der Lage, die vielen kleinen Tiere während ihrer gesamten Reise durch die Lüfte zu verfolgen. Daran arbeiten wir, denn mit besserem Wissen um die Wege der wandernden Tiere könnten wir nicht nur diese besser schützen. Wir könnten auch die Verbreitung von Krankheitserregern besser vorhersagen und sogar Hinweise auf Naturkatastrophen bekommen. Jetzt wird uns die Internationale Raumstation ISS dabei helfen.

Einige größere Tiere, Störche zum Beispiel, bekommen von uns kleine Tracker auf den Rücken geschnallt, wie Rucksäcke. Auf den zugehörigen Sendern sitzt ein Solarpanel, eingebaut sind ein GPS-Modul, ein Handy und ein Gerät, das analysiert, wie sich das Tier verhält. Wenn der Sensor sich in einem bestimmten Rhythmus auf und ab bewegt, wissen wir, dass der Storch gerade fliegt. Wir besendern damit nicht nur Vögel, sondern auch Bergziegen und Riesenschildkröten.

Die Daten beschreiben den gesamten Lebensweg des Tieres

Die Daten beschreiben somit den gesamten Lebensweg des Tieres. Weltweit werden sie in der Datenbank Movebank gespeichert, und über die App Animal Tracker kann sogar jeder die Bewegungen am Smartphone verfolgen. Im Moment werden die Signale der Tracker allerdings nur vom Handynetz transportiert – und das ist ein Problem, denn im Gebirge und in den Wüsten gibt es nun mal kein Netz. Sind die Tiere dort unterwegs, können sie uns also keine Nachrichten senden. 

Vor sechs Jahren begannen wir daher, ein System zu suchen, das mit sehr viel kleineren Sendern auskommt und mit dem wir wirklich weltweit und unabhängig vom Handynetz operieren können. Und dabei sind wir irgendwann auf die Internationale Raum-station ISS gekommen. Die Raumstation ist ideal: Sie fliegt tiefer als Satelliten und umkreist den ganzen Globus. 

Die NASA hat das nicht so interessiert. Aber das Raumfahrtmanagement im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt meinte: „Ja, das machen wir! Wir bauen so ein System auf.“ Und es hat tatsächlich geklappt! ICARUS heißt unser System. Ende des Jahres können wir unseren Empfänger auf einem russischen Modul der Internationalen Raumstation installieren. Er bekommt eine Antenne, die speziell für die kleinen Sender auf dem Rücken der Tiere gebaut wird. Damit erreichen wir jetzt Sender, die nur noch fünf Gramm schwer sind und gerade einmal halb so groß wie ein Finger.

Wir versprechen uns revolutionäre Erkenntnisse über das unbekannte Leben vieler Tiere

Bald sollen die Sender sogar noch sehr viel kleiner werden. In ein paar Jahren hoffen wir, mit Geräten arbeiten zu können, die nur noch 0,8 Gramm wiegen. Dann können wir auch Schwalben und Fledermäuse beobachten, vielleicht sogar große Insekten – über ein Signal, das aus dem All kommt. Wir versprechen uns davon revolutionäre Erkenntnisse über das unbekannte Leben vieler Tiere auf unserem Planeten.

Martin Wikelski, 49, ist Biologe und Ornithologe und leitet das Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell

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