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"Diesen Filter würde es nicht geben, wenn wir ihn nicht erfunden hätten."

von Chris Köver
Ein winziger Wasserfilter, der nur einen Dollar kostet und auf jede Plastikflasche geschraubt werden kann – auf diese Idee kam Mauricio Cordova beim Urlaub im Amazonas-Regenwald. Mit FairCap will der spanisch-peruanische Social Entrepreneur Millionen Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser verschaffen, die sich dies bisher nicht leisten können. Im Gespräch mit WIRED erklärt er, warum er ein Produkt entwickelt, mit dem sich kein Geld verdienen lässt und warum diese Erfahrung zu den besten seines Lebens gehört.

Ich bin in Peru geboren und habe die Cholera-Epidemie in den 1990ern miterlebt. 10.000 Menschen sind innerhalb von wenigen Wochen gestorben, wir wussten damals nicht genug über die Krankheit. Diese Erfahrung hat mein Bewusstsein für die Bedeutung von sauberem Wasser sehr geschärft. Bis zum heutigen Tag kann man in Peru kein Wasser aus dem Hahn trinken.

Ursprünglich habe ich Wirtschaft studiert, mit Biologie oder Ingenieurswesen hatte ich gar nichts zu tun. Aber in den letzten Jahren begann ich mich in der Maker-Bewegung zu involvieren und da wurde mir klar: Du kannst heutzutage alles herstellen, du brauchst dazu keinen Abschluss. Alles, was du wissen musst, erfährst du aus dem Internet und von anderen Bastlern

Auf einer Reise in den Amazonas kam mir dann die Idee zu FairCap. Ich besuchte einen Freund, der mit einem Team von Ehrenamtlichen im Regenwald arbeitete. Sie mussten Wasser aus dem Fluss holen, es abkochen, dazu brauchten sie Feuerholz – kein sehr gutes System. Und das Quecksilber, das dort viele Gewässer verseucht, bekommt man auch durch Abkochen nicht aus dem Wasser. Viele der Kinder in der Region leider unter Quecksilbervergiftung.

Ich wollte eine bessere Methode entwickeln, um Wasser zu filtern, und begann zu recherchieren. Anfangs war es nur eine Idee, in meinem Hauptjob betreibe ich ein kleines Internet-Startup in Barcelona. Aber meine Sicht als Unternehmer hat sich mit der Maker-Bewegung sehr gewandelt. Klar muss sich jedes Projekt irgendwie finanzieren, aber es geht nicht so sehr um das Geld, wichtiger ist die Kollaboration, die Recherche, gemeinsam mit anderen an etwas zu arbeiten. Die einzige Regel in dieser Community: Sei der Beste, der du gemeinsam mit anderen sein kannst. Sei exzellent. Das hat mich sehr motiviert.

Die einzige Regel in dieser Community: Sei der Beste, der du gemeinsam mit anderen sein kannst. Sei exzellent.

Seit April dieses Jahres arbeite ich ernsthaft an Faircap – gemeinsam mit ein paar Freunden, die ich in Barcelona durch einen Kurs für Social Entrepreneurship kennen gelernt habe. Sein Mai arbeiten wir mit dem Ateneu de Fabricació zusammen, das ist ein Fab Lab, das von der Stadtverwaltung betrieben wird, sie haben 3D Drucker und alle anderen Geräte, die wir brauchen.

Meine Vision: Menschen, die sich heute kein sauberes Wasser leisten können, sollen durch FairCap Zugang zu Trinkwasser bekommen. Das ist nicht allein mein Projekt, sondern eine Aufgabe für viele und ich wünsche mir, dass möglichst viele sich daran beteiligen. Wir müssen zusammenarbeiten und uns verschiedenste Lösungen ausdenken. FairCap ist nur eine von vielen möglichen Lösungen und mein Vorschlag. Die Idee: ein sehr kleiner Filter, der auf jede Flasche geschraubt werden kann und Wasser mit Hilfe einer Membran und dem Einsatz von Aktivkohle von Schmutz und Bakterien befreit – eine Art Open Source-Variante des Britta Filters.

An diesem Modell arbeiten wir derzeit, wir wollen aber noch weitere Varianten entwickeln: Einen Filter für Familien, den man auf Kanister schrauben kann, einen solarbetriebener Filter, den man im Koffer transportieren und der ein ganzes Dorf oder ein Flüchtlingslager mit Wasser versorgen könnte. Wir möchten diesen Filter der Organisation Refugee Open Ware zur Verfügung stellen, die Flüchtlingslager in Jordanien und der Türkei mit offenener Hardware versorgt.

Aber selbst für Menschen, die in der Stadt leben und viel Wasser trinken, wäre FairCap sinnvoll: in vielen Gegenden in Spanien oder den USA etwa schmeckt das Leitungswasser sehr schlecht. Wer wandern geht, weiß nicht, ob weiter oben schon jemand in den Bach gepinkelt hat, aus dem er sein Wasser nimmt. Wir wollen deshalb verschiedene Optionen anbieten: einen günstigsten Prototypen für Länder des globalen Südens und ein Modell für Europa und die USA, das 15 Euro kostet.

Die Technologien gibt es seit 40 Jahren, das alles ist nicht neu. Die Bestandteile sind nicht teuer, selbst die Aktivkohle kann man einfach herstellen, indem man Holzkohle für einen Tag in Salz einlegt. Trotzdem würde dieser Filter nicht existieren, wenn wir ihn nicht entwickelt hätten. Ich finde es manchmal sehr frustrierend: die Technologie existiert, das Format ist schon da, aber niemand versucht, eine einfache und günstige Lösung zu entwickeln. Firmen wollen uns lieber „upsellen“, verkaufen uns kompliziertere Produkte, weil sie damit mehr Geld verdienen. Ein Britta-Filter kostet in der Herstellung vielleicht zehn Prozent von dem, was wir dafür zahlen.

Deswegen ist Crowdfunding eines der besten Finanzierungsmodelle für Open Source-Projekte: Du musst nicht auf die Interessen deiner Investoren achten. Deine Kunden sind deine Investoren, sie glauben an dich. Für mich ist das die echte Revolution: Was Open Source für Software war, ist Crowdfunding für die Finanzierung dieser Projekte. Unser Crowdfunding soll so aussehen: Wer 15 Euro gibt, bekommt einen Filter. Für 20 Euro bekommt man selbst einen Filter und sponsert gleichzeitig noch einen für eine Familie in Afrika oder Südamerika.

Die Pläne für den Filter stellen wir ins Internet, so dass sie jeder herunterladen und mit einem 3D-Drucker selbst herstellen könnte. Die meisten der Menschen ohne Zugang zu Trinkwasser haben aber natürlich auch keinen Zugang zu 3D Druckern. Deswegen müssen wir die Filter auch zentral fertigen und vertreiben. Dabei geht es auch daru, die Qualität zu sichern, denn die Bakterien im Wasser sind ein großes Risiko.

Ein großes Problem: die Membran, die den Dreck aus dem Wasser filtert, kann man im Moment noch nicht selbst drucken. Ich arbeite gerade von zwei Seiten daran: Der erste Ansatz ist, die Maschine, die diese Membran herstellt, Open Source zu machen. Der andere Weg ist, den gesamten Filter 3D zu drucken – die Membran eingeschlossen. Die Auflösung der Drucker und die Materialien werden derzeit immer besser, es würde also theoretisch bald gehen. Aus Deutschland haben wir gerade ein Filament erhalten, das nach dem Druck porös wird. Im Kontakt mit Wasser entwickelt es Mikrometergroße Poren, die das Wasser filtern können. Das UV-Licht der Sonne tötet dann alle Bakterien, man müsste das Wasser also nur noch ein paar Stunden in der Sonne stehen lassen, dann wäre es trinkbar. Ein komplett 3D-gedruckter Filter ist also möglich – vielleicht nicht morgen, aber in ein oder zwei Jahren.

Ich habe am POC21 Camp Teil genommen, weil ich Teil einer Community werden will. Eine der wichtigsten Erfahrungen für mich bisher: dass unsere Idee hier validiert wurde. Menschen haben gesagt: Das ist ein toller Produkt, ich würde das benutzen. Außerdem stehen uns hier alle Ressourcen zur Verfügung: Die Drucker, die Software, die Experten und Mentoren, mit denen wir arbeiten, der Austausch mit den anderen Teams. Ich würde am liebsten ein Jahr lang hier bleiben, nicht nur fünf Wochen. Beim Kochen und dem gemeinsamen Essen über die eigenen Projekte zu sprechen – das ist etwas ganz anderes als auf einer Konferenz beieinanderzustehen, es ist sehr persönlich.

Ich hatte Stipendien an Spitzenuniversitäten in England und den USA, aber nichts davon hat mir diese Möglichkeiten geboten.

Ich habe schon für Intel und andere Firmen gearbeitet, hatte Stipendien an Spitzenuniversitäten in England und den USA, aber nichts davon hat mir diese Möglichkeiten geboten. Das hier ist die beste Erfahrung, die ich je gemacht habe. Bevor ich hierher kam, wusste ich nicht mal, wie man in für 3D modelliert. Das Camp ist wie ein Crash Kurs: für alles, das du wissen musst, gibt es hier die Werkzeuge und die Zeit. Es geht nicht so sehr um das Ergebnis, es geht um das Ausprobieren. Würde das Camp länger dauern – es wäre besser als jedes Master Programm.

Klar brauchen auch Social Entrepreneure Geld, um ihre Miete zu zahlen, aber das ist nicht besonders viel. In Barcelona kann ich von 1000 Euro im Monat gut leben – und so viel kann ich verdienen, indem ich das unterrichtet, was ich selbst weiß. Ich muss mit den Produkten selbst also kein Geld verdienen. Consulting ist auch eine gute Möglichkeit: Ich kann nach Südamerika und Afrika reisen und Leuten zeigen, wie sie ihre eigenen Filter bauen – es gibt NGOs, die das finanzieren.

Ich denke, das Wichtigste für Social Entrepreneurship ist, zu tun, was du liebst. Alles andere wird sich dann ergeben. Fast alle hier tun, was sie lieben. Vielleicht werden nicht alle der Projekte erfolgreich sein, das hängt von vielen Faktoren ab. Aber wenn du dein Bestes gibst, werden andere dir helfen.

Mauricio Cordova hat an der London School of Economics und der University of Texas studiert und zehn Jahre lang in Start-Ups gearbeitet. Jetzt will er mit FairCap eine Idee umsetzen, bei der es nicht primär um Geld geht.

Cordovas Projekt ist eines von 12 Öko-Hacks, die für das POC21-Camp ausgewählt wurden (den Beitrag des Autors Bruce Sterling lesen Sie in der aktuellen Green Issue von WIRED). Gemeinsam mit hundert weiteren Bastlern hat er gerade fünf Wochen auf einem Schloss bei Paris verbracht um an FairCap zu arbeiten.

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