Die Offline-Version von Itunes findet sich zwischen wackeligen Bretterbuden, Fake-Mobiltelefonen und Kabelgewirr. In der Rue Fankélé Diarra von Malis Hauptstadt Bamako scrollen Händler durch Tracklists, ziehen US-HipHop, nigerianischen R&B oder lokale Musik von Ali Farka Touré oder Salif Keïta auf einen USB-Stick, auf Speicherkarten oder direkt auf das Handy ihrer Kunden.
Téléchargeurs, Downloader, nennen sich Malis Musik-Dealer. Ihr Geschäftsmodell: illegal Tracks downloaden und offline vertreiben. So ist in Mali, wie überall dort, wo Internetzugang kaum verbreitet und teuer ist, in den vergangenen Jahren ein Filesharing-System entstanden, das fast ohne Internet funktioniert.
Die Downloader verkaufen digitalen Content an die, die nicht vernetzt sind — in Mali die Mehrheit. Nur sieben Prozent der mehr als 15 Millionen Einwohner waren der Weltbank zufolge 2014 Onliner. Die wenigen Internetnutzer surfen meist im Cybercafé oder mobil. Mit der Kampagne #Mali100Mega fordern Entrepreneure und Blogger seit April 2015 günstigere Tarife. Die Geschwindigkeit habe sich seit 2009 nicht verändert, klagt Malis kleine Digitalszene — und dieselben Datenpakete fürs Mobiltelefon seien in Mali teurer als im Senegal oder an der Elfenbeinküste.
Immerhin: Ein simples Handy besitzt fast jeder Malier — das selbst ohne Internet und im Funkloch als Musikspeicher und Mini-Boombox dienen kann. Auf dem Underground-Markt bei den Downloadern kostet jeder Song ein paar Cents, ein aktuelles Album ist für etwa einen Euro zu haben.
Die Downloader sind mehr als nur Raubkopierer, deren Job sich auf Copy & Paste beschränkt. Sie arbeiten als Trendscouts, empfehlen wie der Soundcloud Algorithm Tracks, die zum Geschmack der Kunden passen könnten, und spüren online selbst die ausgefallensten Stücke auf. „Die Downloader kennen alle neuen Musikstile und alle Künstler, ganz egal ob lokale Musiker oder aufkommende Stars“, schreibt Boubacar Alkouraichi aus Bamako auf Observers, der Bürgerreporterplattform des TV-Senders France 24.
Einmal beobachtete der Reporter, wie eine Kundin drei Takte eines Songs nachsang, den sie auf der Straße gehört hatte: „Der Downloader erkannte es sofort.“ Das afrikanische Musik-Business sei aber keine „Amateur-Operation“, meint auch der amerikanische Labelgründer Christopher Kirkley, der die Musikszene der Sahelzone seit 2009 erforscht. „Bei jeder neuen Verbindung wird ein Virus-
Scan gestartet“, schreibt er über einen mauretanischen MP3-Markt in Nouakchott. Auf jedem PC oder Laptop sei zudem Software installiert, die den Kopierprozess beschleunigt.
Künstler kämpfen um die Gunst der Filesharing-Meister: Denn ihr Urteil kann Newcomer viral bekannt machen. Von den Märkten der Hauptstädte verbreitet sich das Angebot der Downloader ins ganze Land, von Telefon zu Telefon. Bewohner abgelegener Dörfer kaufen MP3-Songs zum Mengenrabatt ein — und reichen sie per Bluetooth an Freunde und Bekannte weiter.