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Mit Smartphones gegen die Gewalt in Rios berüchtigster Favela

von Julia Jaroschewski
In einem der gefährlichsten Favela­gebiete von Rio de Janeiro agiert die Polizei oft, als stünde sie über dem Gesetz. Rene Silva und sein Team kämpfen gegen diese Willkür an. Ihre Waffen: Smartphones. Ihr Schlachtfeld: das Internet. Durch ihre direkte und unmaskierte Berichterstattung verleihen die jungen brasilianischen Journalisten ihrer Heimat, den Armengebieten der Metropole, eine gewaltige Stimme im Netz. So brachial laut, dass sie nicht mehr ignoriert werden kann.

Am Abend des 2. April 2015 bekommt Betinho Casas Novas Bilder und Nachrichten von einem getöteten Jungen auf sein Smartphone, schnappt sich seine Ausrüs­tung und läuft los. So schnell er kann, rennt er durch die Gassen des Complexo do Alemão, einer Favela aus 25 Siedlungen, deren Tausende Ziegelhütten sich im Norden von Rio de Janeiro über mehrere Täler und Berge erstrecken. Plötzlich dröhnen Schüsse durch die Gassen.

40 Minuten vergehen, Schießereien zwischen Polizei und Drogengangs versperren ihm den Weg. Per Telefon lotsen ihn Angehörige des toten Jungen zum Tatort. Als er eintrifft, applaudieren ihm die Menschen. Weil er einer von ihnen ist, einer aus dem Alemão. Doch Casas Novas hat Angst, dass er ohnmächtig wird. „Einen toten Jungen mit einem Loch im Kopf zu filmen, der blutet, dessen Körper zerstört ist — ich wusste nicht, ob ich das kann“, sagt er.

Unter Tränen beginnt er zu filmen, macht Fotos und lässt sich erzählen, was geschehen ist. Gemeinsam mit ihrem Sohn Eduardo saß Terezinha de Jesus Ferreira vor dem Fernseher. Der Zehnjährige ging vor die Tür, um auf seine Schwester zu warten. Plötzlich krachte es. Terezinha rannte nach draußen und fand ihren Sohn tot in einer Blutlache. Getroffen von einem einzigen Schuss in den Hinterkopf, aus zehn Metern Entfernung, von einem Polizisten.

Casas Novas dokumentiert den Tumult: wie Nachbarn sich am Tatort versammeln, wie Polizisten die Menge mit vorgehaltener Waffe von der Leiche abdrängen, wie die Mutter fast zusammenbricht. Kinder jammern. Angst vor der Polizei mischt sich mit Wut und Ohnmacht. „Mörder“, brüllen Frauen, „Feiglinge“. Noch vor Ort veröffentlicht er die Fotos in den sozialen Netzwerken, auf Facebook, WhatsApp und Twitter. Sie werden sofort geklickt und geteilt.

Das Video, das er noch in der Nacht zusammenschneidet, sehen sich auf YouTube innerhalb kurzer Zeit Tausende an, heute steht es bei 16.000 Klicks. TV-Sender fragen das Material von Casas Novas für ihre Berichterstattung an. „Die großen Medien kamen in dieser Nacht nicht in die Favela“, erzählt er. „Zum Glück war mein Video so erfolgreich – sonst wäre Eduardo nur eine weitere Nummer in der Statistik gewesen.“

Die Polizei behauptet später, der Junge sei von einem Querschläger getroffen worden, als sich Polizisten und die Angehörigen einer Drogengang beschossen hätten. „Der einzige Schuss, den ich gehört habe, ist der, der meinen Sohn getötet hat“, entgeg­net die Mutter. Vielleicht drückte einer der Polizisten zu schnell ab, vielleicht hielt er ihn für ein Mitglied der Drogengang.

Das Projektil, das Eduardo getötet hat, ist verschwunden. Bewohner wollen gesehen haben, wie Polizisten am Tatort Kugeln sammelten und einsteckten. Es ist auch das Verdienst von Betinho Casas Novas und des Portals Voz da Comunidade (Die Stimme aus der Favela), für das er unterwegs ist, dass die Behörden in diesem Fall nun ermitteln — und der blutüberströmte Körper eines Jungen in blauen Shorts zum Symbol der Gewalt in den Favelas geworden ist.

Voz da Comunidade ist das prominenteste Beispiel dafür, dass sich in den brasilianischen Armenvierteln die Macht zwischen dem Staat und den Bewohnern zu verschieben beginnt. Jahrzehntelang waren die Favelas wie vergessene Orte: nicht auf Landkarten verzeichnet, von der Regierung vernachlässigt, regiert von Drogengangs. Ein Viertel der Einwohner Rio de Janeiros lebt in den Armensiedlungen, etwa 1,4 Millionen Menschen. Mehr als 1000 Favelas drängen sich auf Hügeln inmitten von Reichenvierteln, und dehnen die Ränder von Rio aus. Manche nur mit ein paar Hundert Einwohnern wie kleine Dörfer, andere so ausgedehnt wie eigene Städte, wie der Complexo do Alemão.

Früher galt: Was in der Favela ge­schah, blieb in der Favela. Die Toten waren unsichtbar. Ein Junge, der erschossen wird? Einer von vielen, keine Nachricht wert. Allein in den letzten fünf Jahren sind dem Brasilianischen Forum zur Öffentlichen Sicherheit zufolge 11.197 Menschen bei Polizeieinsätzen getötet worden – durchschnittlich sechs Tote pro Tag, die meisten in Favelas.

Die Stimme einer einzelnen Mutter kann man überhören...

Doch jetzt machen die Bewohner die Gewalt öffentlich, die es offiziell nicht gibt. Auf Twitter, Facebook und eigenen Websites zeigen sie ihre Perspektive, ihren Alltag, prangern Missstände an. „Durch das Internet hat die Favela eine Stimme, jeder hat ein Mobiltelefon, mit dem er seine Meinung ausdrücken und selbst Nachrichten produzieren kann“, sagt Betinho Casas Novas. Die Armen, die lange keine Lobby hatten, schaffen so eine Gegenöffentlichkeit und erzeugen Druck — auf die TV-Stationen und großen Zeitungen, die sich in ihren Berichten gern auf die offiziellen Pressemitteilungen verlassen, genauso wie auf Polizei und Politik. Die Stimme einer einzelnen verzweifelten Mutter auf der Straße kann man überhören. Doch niemand kann es sich inzwischen mehr erlauben, die Stimme der Favela im Netz zu ignorieren.

...nicht aber die Stimme der Favela im Netz.

Betinho Casas Novas sitzt in der Redaktion der Voz in Morro do Adeus, einer der Siedlungen des Complexo do Alemão. Es geht bereits auf den nächsten Morgen zu, als er auf einem 13-Zoll-Laptop ein Video schneidet. Neben ihm checkt Rene Silva seine Nachrichten auf dem Iphone. Der 21-jährige Silva ist Chefredakteur des Favela-Portals, der vier Jahre ältere Casas Novas der Fotograf. Die Redaktion ist spartanisch eingerichtet, ein Sofa, vier Computer.

Hier bearbeiten sie Material für die Website, das sie selbst produziert haben, und verbreiten Informationen per WhatsApp, Facebook oder Twitter, die sie von Bewohnern erhalten. Und sie arbei­ten gegen die Kriminalisierung Unschuldiger an. Nach Eduardos Tod kursierten im Netz die Fotos eines Jungen mit Sturmgewehr in der Hand. Angeblich sollten sie Eduardo zeigen. Die Reporter der Voz überprüften die Bilder und wiesen nach, dass sie ein jun­ges Mitglied einer Drogenbande zeigten, nicht Eduardo. An solchen Tagen verlassen die Reporter selten ihren Arbeitsplatz.

Casas Novas und Silva sind beide hier aufgewachsen. Brüchige Häuser, bei denen Stockwerk über Stockwerk aufeinandergestapelt sind. Stinkende Gassen, über die das Abwasser läuft, kleine Läden, Fußballbars dicht an dicht, Hundegebell, Kinder auf der Straße. Jeder kennt jeden hier, Privatsphäre gibt es nicht. Der Cousin wohnt auf der anderen Straßenseite, die Eltern im Stockwerk darunter — die Favela ist immer Familie, aber auch Hauptquartier des Comando Vermelho, eines der größten brasilianischen Verbrechersyndikate.

An den Wänden der Ziegelhütten finden sich die Initialen der Gang: CV, in schwarzer oder roter Schrift, mit Graffiti versehen. An den Häuserwänden ziehen sich Löcher der Schusswechsel zwischen den Drogenbanden und der Polizei wie Narben entlang. In diese Gegend wagen sich Journalisten oft nur mit schusssicherer Weste oder Polizeischutz. Hier herrscht das Gesetz der Drogengang. Das CV ersetzt den Staat, erhebt Steuern, kontrolliert den öffentlichen Verkehr, organisiert Partys, Müllabfuhr, sorgt für Sicherheit innerhalb der Favela. Auch die beiden Jungs wachsen mit den Drogensoldaten auf, jungen Männern, die mit Sturmgewehren durch die Favela laufen, oft nicht älter als sie selbst.

Lange gelten die Favelas der Strandmetropole als Schandflecken der Stadt, als Nährboden für Nachwuchsgangster. Mit elf Jahren will Silva zeigen, dass es hier auch ein anderes Leben gibt, eines, von dem die Wohlhabenden in den Reichenvierteln nichts wissen und nichts wissen wollen. Er gründet die Zeitung Voz da Comunidade, zunächst als Übungs­aufgabe im Rahmen eines Schulprojekts. Die Voz beschreibt den Alltag, das andere Gesicht der Favela. Die ersten Ausgaben haben kaum mehr als zwei Doppelblätter, gelayoutet an einem Schulcomputer, kopiert und gefaltet. Startauflage: 100 Exemplare.

Die monatlich erscheinende Voz findet ihr Publikum, weil sie eine Lücke schließt. „Die Leute hier misstrauen den Massenmedien, weil sie nur über Schießereien und Gewalt schreiben und sich nicht anhören, was die Bewohner der Favelas sagen“, erklärt Silva. Das Wohnzimmer seiner Oma wird zum Redaktionsbüro, der Opa kauft ihm den ersten Laptop, per Ratenzahlung in 24 Mo­naten. Bald finanziert sich die Voz durch Anzeigen lokaler Geschäfte, Silva kann den Kredit seines Großvaters zurückzahlen, die Auflage steigt auf 3000 Stück. Dann entdeckt Rene Silva Twitter — und Twitter entdeckt ihn.

Am 28. November 2010 stürmen 3000 Soldaten die Siedlungen, um das Alemão vor den Großereignissen WM und Olympia zu besetzen — Polizeipräsenz soll insgesamt etwa 200 Favelas in Rio befrieden, die Drogengangs entwaffnen. Rene Silva, damals 17, und seine Reporter twittern aus der Favela: „Heftige Schießereien gerade im Complexo do Alemão, Leute.“ Und: „Die Drogendea­ler haben eine Granate auf Polizisten geworfen!!!“ Sie filmen Helikopter, die über der Favela dröhnen. Sie sind die Einzigen, die live berichten — und ganz Brasilien sieht zu. 180 Follower hat die Voz auf Twitter vor dem Wochenende der Besetzung. Danach: 22.000. Und Rene Silva wird selbst zur Stimme der Favela, zum Gesicht einer digitalen Generation, die im Armenviertel lebt.

Er gibt Interviews, wird in Talkshows eingeladen. Der brasilianische Mobilfunkanbieter TIM wirbt mit ihm, ebenso Coca-Cola – und fliegt Rene Silva nach London, wo er 2012 die olympische Fackel trägt. Stiftungen laden ihn nach New York und Indien ein, um mit anderen engagierten Jugendlichen zu diskutieren. Mit Sponsorengeldern von Unternehmen, Medien und Stiftungen finanziert er die Redaktionsräume, eine Bank stattet das Team mit Iphones aus. 2015 kürt ihn das Forbes-Magazin zu einem der wichtigsten brasilianischen „Change-Maker“ unter 30 Jahren. Heute hat Silva mehr als 114.000 Twitter-Follower, auf Instagram folgen ihm 14.200 Personen, auf Snapchat und WhatsApp weitere Tausende. Und täglich kommen neue hinzu.

Zwanzig freie Reporter sind für die Voz inzwischen unterwegs. Sie arbeiten nicht nur als Journalisten, sondern organisieren auch Events wie Konzerte. Viele Jugendliche kommen auch vorbei, wenn sie nichts zu tun haben — weil die Voz ein Ort ist, wo sie sich mit ihren Freunden treffen können, eine Flucht aus den beengten Ziegelhäuschen, in denen sie mit ihren Familien leben. Manchmal gleicht die Redaktion einem Jugendclub. Jungen und Mädchen sitzen auf dem Sofa, hängen auf den Treppenstufen, im Hintergrund läuft der Fernseher.

Wenn die vier Laptops besetzt sind, bleibt eben das Handy. WLAN gibt es kostenlos von der Redaktion. Fast alle tippen auf ihren Smartphones herum und kommentieren die Posts ihrer Freunde auf Facebook oder Instagram. „Tiaagooooo, kannst du mir sagen, welchen Filter ich nehmen soll?“ Die Welt der Jugendlichen hier scheint dann gar nicht weit weg von der in Berlin oder Frankfurt.

Fast 80 Prozent der Jugendlichen in Rios Favelas haben dem Marktforschungsinstitut Data Favela zufolge Internetzugang, viele mobil. Auch in den Armenvierteln von Salvador oder Recife im Nordosten Brasiliens oder den Favelas von São Paulo nutzen immer mehr Bewohner Handys und Apps, gründen Online-Bürgermedien – viele Initiativen sind von Rene Silva und der Voz da Comunidade inspiriert.

Die Geschichte des Portals liest sich wie ein modernes Märchen. Aus einer Schülerzeitung entwickelt sich eine Medienmarke, die Aufmerksamkeit bis in die höchsten Kreise der Regierung schafft und das Leben in der Favela abbildet, wie es ist, mit allen hellen wie düsteren Seiten. Doch auch die Macher der Voz müssen hilflos mitansehen, wie sich die Lage in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechtert hat. Im Jahr nach der Fußball-Weltmeisterschaft geht es im Complexo do Alemão gefährlicher zu als je zuvor. Die Stadt hat das Alemão als „Gefahrengebiet“ eingestuft, als Risikogebiet. Die Drogengang erobert ihr Terrain zurück.

Mit schwerer Uniform und dem Finger am Abzug des Maschinengewehrs schleichen die Polizeitrupps durch die Gassen. Sie verschanzen sich in Schulen, schießen in Gefechten mit Drogengangs von Dächern in schlecht einsehbare Wege hinein. Für die Bewohner ist der Weg zur Arbeit oder zur Schule ein lebensgefährliches Risiko. Mitunter muss Silva Redaktionstreffen ausfallen lassen, will er nicht riskieren, dass einer seiner Reporter erschossen wird. Polizei gegen Banden, Banden gegen Polizei, Banden gegen Banden. Dazwischen die Bewohner. „Die Gewalt verändert den Alltag aller Bewohner — heute lebt die Favela in Angst“, sagt Betinho Casas Novas.

„Einer musste ja sterben“, sagten die Bewohner nach den ersten Toten im November 2010. Doch immer wieder sind es Unschuldige, die von „balas perdidas“, von Querschlägern getroffen werden. Casas Novas führt eine Statistik der Verletzten und Toten: 77 Verletzte allein im Alemão im vergangenen Jahr — 14 Favelabewohner und drei Polizisten sterben. 2015 sind es bis zum Tod von Eduardo in nur drei Monaten fast 30 Verletzte und sieben tote Favelabewohner.

Sobald wieder eine Schießerei beginnt, warnen die Reporter der Voz in den sozialen Netzwerken — obwohl sie lieber über Positives schreiben würden. „Wir berichten darüber, damit niemand von einer Kugel überrascht wird und sich in einen Teil der Statistik verwandelt“, sagt Casas Novas. „Der Krieg hat kein Ende, und die Bewohner suchen in den sozialen Netzwerken nach Lösungen.“ Mit den Videos der Favelabewohner erleben auch die Bra­silianer, die nicht in Favelas wohnen, was sich hier abspielt: Soldaten springen in einen kleinen Laden, weil sie beschossen werden, sie ballern mit ihren Maschinengewehren zurück — gefilmt aus dem Laden heraus.

Ein Motorradtaxifahrer wird aus der Ferne von Polizisten erschossen — festgehalten von einer Handy­kamera. Die Bilder sind keine Hochglanzaufnahmen: Sie wackeln, sie stehen hochkant, Stimmen überschlagen sich. Sie widersprechen den Regeln jeglicher Berichterstattung, aber sie sind authentische Beweismittel.

Dieses Videomaterial offenbare die exzessive Polizeigewalt, sagt Robert Muggah, Research Director des auf öffentliche Sicherheit spezialisierten Igarapé Instituts in Rio de Janeiro. „Die Elite wird nun mit diesen Ritualen von Gewalt und Einschüchterung konfrontiert, und sie mag nicht, was sie sieht.“ Die digitalen Augenzeugenberichte tragen dazu bei, dass gegen Polizisten heute häufiger ermittelt wird — manchmal führen sie sogar zu Festnahmen.

Im März 2014 wurde eine Favelabewohnerin von Polizisten angeschossen, beim Abtransport rutschte ihr Körper aus dem offenen Kofferraum des Polizeiautos. 250 Meter wurde die Frau mitgeschleift, sie starb – dokumentiert auf Video. Drei Polizisten wurden verhaftet. „Video-Footage wird jetzt vor Gericht als Beweismaterial genutzt, aber es ist noch ein Frühstadium“, so Muggah.

Auch die Mutter von Eduardo bedient sich des Netzes, um gegen das Vergessen ihres Sohnes anzukämpfen. Ende Mai lädt sie auf YouTube ein Handyvideo hoch. Sie hält ein Foto ihres Sohnes vor der Brust, 14 Minuten lang, eine Einstellung. „Mein Leben hat sich in eine Hölle verwandelt“, sagt sie darin. „Ich habe dieses Video gemacht, um den Behörden bewusst zu machen, dass ich niemals einen Anruf von der Polizei erhalten habe mit Informationen über den Fall.“ Im Juni reagiert die Regierung. Die Familie soll Schmerzensgeld erhalten. Es ist ein stilles Schuldeingeständnis.

Als die Voz nach Eduardos Tod über einen Protestmarsch berichtet, setzt sie hinter jeden Tweet den Hashtag #GuerraNoAlemão — Krieg im Alemão. Zwei Tage lang hält sich dieser bei Twit­ter unter den Trending Topics in Brasilien. Dauerhaft aber will die Voz nicht in die Rolle des Kriegsberichterstatters schlüpfen. „Die Transformation der Favelas funktioniert nicht nur über die Präsenz der Polizei“, sagt Rene Silva.

Als Favela-Reporter müssten sie mehr Bildung und Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche fordern, ein Abwassersystem, Gesundheitsversorgung, aber auch gesellschaftliche Anerkennung — damit Favelabewohner neue Perspektiven erhalten. Es ist auch eine Art sanfter Widerstand gegen die Drogengang, der auf diese Weise der Nachwuchs entzogen werden soll.

Die Favela ist seine Heimat, darauf ist Silva stolz. „Favela sou parte dela“, „Favela, ich gehöre zu ihr“ — so lautet ein Slogan auf einem T-Shirt, der die Zugehörigkeit nicht mehr verschweigt, sondern betont. Rene Silva war einer der Ersten, der es trug — inzwischen hat es Kultstatus. 

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