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Freund, Feind, Maschine - Ein Besuch in den geheimen Roboterwerkstätten

von Haluka Maier-Borst
Sie haben Arme und Beine. Sie gehen, greifen, fahren Auto, fast wie wir Menschen: Die Roboter. Bei der Darpa Robotics Challenge bewiesen sie zuletzt ihr Können. Sollten wir Roboter nun auch denken und selbstständig entscheiden lassen?

Natürlich haben alle gelacht. Es ist ja auch lustig, das YouTube-Video mit den Bildern von der DARPA Robotics Challenge, die im Juni nahe Los Angeles stattgefunden hat. Man sieht, wie ein Roboter nach dem anderen unsicher nach Tritt sucht, strauchelt, schwankt, schließlich hinfällt, fast wie betrunken. Und wie diese Maschinen dann so auf dem Rücken liegen, scheinen sie gar nicht zu kapieren, was gerade mit ihnen geschehen ist. Aufstehen hat den meisten von ihnen noch kein Mensch beigebracht. 

Wer sollte sich vor diesen Robotern auf zwei unsicheren Beinen fürchten, sie andererseits aber auch ernst nehmen? Doch sie sind die weltbesten ihrer Art und die Verkörperung der Zukunft. Die beim Finale der DARPA Robotics Challenge (DRC) um eine Siegprämie von zwei Millionen Dollar gegeneinander antreten, um in möglichst kurzer Zeit acht Aufgaben zu erfüllen.

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Die aber klingen eher banal: ein Auto steuern, daraus aussteigen, eine verschlossene Tür öffnen – um in dem dahinterliegenden Raum ein Ventilrad zu drehen, ein Loch aus einer Wand herauszusägen, schließlich durch ein paar herumliegende Plastik- und Metallteile zu spazieren und eine dreistufige Treppe zu erklimmen. Ein Mensch hätte den DRC-Parcours wohl in zwei Minuten bewältigt. Der beste Roboter, einer namens Hubo vom südkoreanischen Team KAIST, brauchte dafür 44 Minuten und 28 Sekunden. 

Tatsächlich ist das eine Meisterleistung. Sie zeigt zwei Dinge: zum einen, dass Roboter zwar besser werden, aber noch weit davon entfernt sind, menschliche Fähigkeiten zu besitzen; zum anderen, wie überhöht unsere Erwartungen an Maschinen sind, aber wie irrational auch unsere Ängste vor ihnen. Und doch liegt genau in dieser Kluft zwischen Erwartung und Realität eine Erkenntnis: Der Anblick dieser Maschinen und wie sie an vermeintlich alltäglichen Tätigkeiten scheitern, führt uns vor Augen, wie komplex allein schon das Öffnen einer Tür ist — und wie schwierig es ist, Maschinen beizubringen, wie Menschen zu handeln.


EUROPA//Genua: WALK-MAN
1,85 m / 120 kg
Team Walk-Man
In Europa läuft es auch für Roboter gerade nicht gut: Hinter Walk-Man steht ein EU-gefördertes, von der Uni Genua geleitetes Gemeinschaftsprojekt von fünf Hochschulen (neben Genua noch  Pisa, Karlsruhe, Louvain und Lausanne) – bei der DRC reichte es aber nur zu Platz 17. Im Gegensatz zu fast allen anderen Teilnehmern ist der Walk-Man allerdings eine totale Neukonstruktion, er wurde binnen anderthalb Jahren konzipiert und gebaut.

 



Die DRC und diese Maschinen erklären sogar ein wenig, was uns zu Menschen macht. Nicht nur als handelnde Wesen, sondern als denkende, Entscheidungen treffende. Denn eine der Zukunftsfragen ist: Wollen wir bald Maschinen sogar über Leben und Tod entscheiden lassen? Die Ausrichterin des Wettbewerbs, die Defense Advanced Research Projects Agency (eben: DARPA), ist eine Forschungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums. Sie verfügt über einen Jahresetat von fast drei Milliarden Dollar, und sie hat in ihrer Geschichte verschiedenste Projekte ini­tiiert und anschubfinanziert, die die Welt veränderten und weiter verändern werden: den Internet-Vorläufer ARPANET ebenso wie die Predator-Drohne, das autonome Auto und Onion Routing, die Anonymisierungstechnik hinter Tor.

 

USA//Pasadena: ROBOSIMIAN
70 cm / 125 kg
Team RoboSimian
RoboSimian ist im engeren Sinne gar kein humanoider Roboter – die Entwickler des Jet Propulsion Laboratory der NASA haben ihn so designt, dass er sich wie ein Affe bewegt, auf Beinen und Armen. Bei Bedarf richtet er sich dann auf und hat seine Greifhände frei zur Benutzung. Der RoboSimian, der bei der DRC Fünfter wurde, soll zukünftig an Land, im Wasser und im All zum Einsatz kommen.

 

 

Wozu neue Technologien später mal benutzt werden, ob zu zivilen oder militärischen Zwecken oder beiden (dual use), ist ihnen am Beginn der Entwicklung nicht notwendigerweise schon eingeschrieben. 
Die Teilnehmer der DRC konnten selbst entscheiden, ob sie dafür Förderung der DARPA entgegennahmen, in finanzieller Form oder durchs Ausleihen eines Atlas-Roboters. Sie konnten auch darauf verzichten. Doch das ändert nichts daran, wer das Event veranstaltet, das Militär. Das will mit Robotern etwas anfangen können.

,,Jeder Mensch, der gehen kann“, sagt Matt Johnson, „eilt unserem Roboter mit Leichtigkeit davon – der wäre ein ziemlich lausiger Kämpfer.“ In den frühen Junitagen sitzt Johnson, ein hagerer Mann mit Bürstenhaarschnitt, in einer neonbeleuchteten Halle in der kalifornischen Kleinstadt Pomona. Die örtliche Pferderennbahn ist der Austragungsort der DRC, einige Hundert Meter weiter sind die Teams untergebracht. Um Johnson herum wuseln dessen Kollegen vom Institute for Human and Machine Cognition (IHMC), einer Forschungsausgründung diverser Universitäten in Florida.

 

USA - DEUTSCHLAND//Blacksburg - Darmstadt: FLORIAN
1,88 m / 150 kg
Team ViGIR
Florian basiert auf dem Atlas-Roboter von Boston Dynamics. Sieben der 23 Teams, die das DRC-Finale absolvierten, benutzten dieses von der DARPA zur Verfügung gestellte Grundmodell. Zum deutsch-amerikanischen Team ViGIR gehören Forscher von fünf Unis: TU Darmstadt, Virginia Tech, Oregon State University, Cornell University und Leibniz Universität Hannover. Florian wurde 16. bei der DRC.

 

Manche der jungen Leute in der Halle tragen Schutzhelme mit angeklebten Plüschtierohren, andere T-Shirts, auf denen ein Roboter auf einem Drachen reitet. Viele von denen, die Robotern das Menschsein beibringen, sind Studenten oder Praktikanten. Sie sind zwar nicht verrückt, sehen aber ein wenig bekloppt aus. Beim Anblick seiner jungen Kollegen muss Johnson grinsen. Er ist nicht nur wesentlich älter als die meis­ten von ihnen. Er war Soldat. 20 Jahre lang hat Johnson als Pilot bei der U.S. Navy gedient, bevor er 2002 als Researcher zum IHMC kam.

Dort hat er unter anderem an dem von der DARPA initiierten Projekt LittleDog mitgearbeitet, einem vierbeinigen Kleinroboter, der ebenso wie sein großer Bruder BigDog und der humanoide Atlas vom Roboter-Entwickler Boston Dynamics gebaut wird. BigDog soll eines Tages als Lastenroboter für Soldaten arbeiten, von ihm gibt es auch ein Youtube-Video, und im Gegensatz zu den strauchelnden Humanoiden der DRC sieht er gar nicht lustig aus. Er fällt nicht mal um, wenn Menschen ihn mit voller Wucht treten. Er läuft stumpf weiter.

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Matt Johnsons Arbeitsbiografie ist sinnbildlich dafür, wie in der Robotik heute universitäre Forschung, Tech-Industrie und Militär von Fall zu Fall miteinander kooperieren oder konkurrieren, sich nie weit voneinander entfernen. Sieben der 23 Teams, die am DRC-Finale teilnahmen, taten das mit einem Atlas-Roboter, darunter auch Johnsons IHMC-Team. Bos­ton Dynamics wurde im Dezember 2013 von Google (heute Alphabet) gekauft, ebenso wie im selben Monat die japanische Roboterfirma Schaft – die dann den Vorentscheid zum DRC mit ihrem Humanoiden haushoch gewonnen hat, von Google aber vorm Finale aus dem Wettbewerb genommen wurde.

Was genau hinter dieser Entscheidung steht, ist bis heute unklar. Fest steht nur, dass der Konzern, der binnen acht Tagen im Dezember 2013 insgesamt sechs bedeutende Robotikfirmen kaufte, noch nicht fertig ist mit seiner Offensive in der Sache. Die genauen Pläne wurden der Öffentlichkeit bislang nicht vorgestellt. In einer Wettkampfpause besucht CEO Larry Page die Garage von IHMC. Plötzlich versuchen die Teammitglieder, so ernst wie möglich zu wirken, was schon wieder unfreiwillig komisch ist. Leute, die nicht zu IHMC gehören, werden höflich hinausgebeten. Die Visite wirkt dann von außen betrachtet wie der Messebesuch eines Staatsmannes, der sein Gesicht zeigt und sich kurz etwas erklären lässt: Page looking at things.

USA//Pittsburgh: CHIMP
1,50 m / 201 kg
Tartan Rescue
Der Chimp der Carnegie Mellon University war der schwerste aller DRC-Finalteilnehmer, seine Erbauer vergleichen seine Fortbewegung auf Rollenbändern mit der eines Panzers. Doch schwer heißt bei Robotern nicht ungeschickt: Der Chimp wurde Dritter. 
 

Als der Finalwettbewerb schließlich beginnt, fiebern und leiden auf den Rängen der Pferderennbahn von Pomona Tausende Menschen mit den Maschinen, die als das Vollkommenste gelten, was auf Erden umherläuft – und nicht aus Fleisch und Blut besteht. Wann immer die metallenen Gladiatoren mit Namen wie Thor und Hercules sich erheben, raunt das Publikum. Und es seufzt, wenn einer stürzt: Einer der Atlas-Roboter im Wettbewerb kracht beson­ders hart auf den Boden der Realität, Hydrauliköl rinnt wie Blut aus dem gefallenen Helden. Der Grat zwischen Sensation und Blamage ist schmal. 

Unweigerlich wirkt das Event wie ein riesiges Missverständnis. Hier die Militärbehörde DARPA mit ihrem riesigen Budget, dort eine Halle voller Forscher, denen schon ein gehauchtes „Yes“ entweicht, wenn ihr Roboter unfallfrei aus einem Auto aussteigt. Doch wie vielen der Zuschauer ist wirklich klar, wie komplex ein solcher Vorgang zu programmieren ist, der für Menschen ein völlig alltäglicher ist?

 


DEUTSCHLAND//Darmstadt: JOHNNY 05
1,47 m / 55 kg
Team Hector
Die TU Darmstadt nahm mit zwei Robotern am Finale der DRC teil, neben Johnny 05 startete auch Florian (Seite 67). Für Johnny 05 wurde Hardware des Thormang und Software adaptiert, die für Florian programmiert wurde. Das erst im April für die DRC nominierte Team Hector kämpfte beim Wettbewerb mit Problemen: Johnny 05 schaffte nur eine der acht Tasks und belegte Platz 19.

 



Diese Roboter auf ein Schlachtfeld zu schicken, erscheint in diesem Moment als dumme Idee. „Ich glaube nicht, dass irgendeine dieser Maschinen je kämpfen oder in einen Krieg ziehen wird“, sagt auch David Rice von der Carnegie Mellon Uni­versity. Zwar ähnelt Chimp, der knatschrote Roboter von Rices Team Tartan Rescue, einem Transformer der Spezies Kugelstoßer. Doch er bewegt seine 200 Kilo auch entsprechend behäbig. Im Krieg, denkt man angesichts dessen, wäre Chimp nur eine gute Zielscheibe.  

Die DARPA Robotics Challenge ist dezidiert als Rettungsmission konzipiert worden, als Reaktion auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011. Die Roboter, die an dem Wettbewerb teilnehmen, sollen einen möglichen Einsatz in einem solchen Szenario simulieren; sie sollen im Spiel dahin geschickt werden, wohin im Ernstfall in Fukushima meist noch Menschen gehen mussten, in radioaktiv verseuchte Gebäude, in denen zum Beispiel auch Ventilräder gedreht werden mussten. 

 

 

JAPAN//Tokio: AERO DRC
1,60 m / 50 kg
Team Aero
Aeros eigentlich standfeste Fortbewegung auf vier Beinen erwies sich beim DRC-Finale als entscheidender Wettbewerbsnachteil: Sein Team hatte sich entschlossen, die erste Aufgabe (Autofahren) auszulassen und Aero stattdessen zu Fuß auf den Parcours zu schicken. Aeros Rollen aber blieben in der Sandpiste stecken, er fiel um, kam nicht wieder hoch – und fuhr mit null Punkten nach Hause.

 

Im Kino mögen im Jahr 2015 Gestalten wie der autonome Polizeiroboter Chappie aus dem gleichnamigen Film existieren oder die verstörend bezaubernde Ava aus Ex Machina, an der nicht nur ihre Geschlechtsidentität sehr menschlich ist, sondern auch ihr selbstreflexives Bewusstsein und ihr Freiheitsdrang. In den Köpfen vieler Robotik-Geeks bei der DRC haben solche Ideen ebenfalls einen festen Platz, nicht umsonst hängen in manchen Teamgaragen Filmplakate von Terminator. 

Doch von den Science-Fiction-Vorstellungen maschineller Autonomie sind die real existierenden Roboter weit entfernt. Sie brauchen menschliche Hilfe. Ohne die Bediener, die in der kalten Halle vor Anspannung schwitzen, würde draußen wenig gehen. Ständig muss ein Operator einen Roboter per Fernsteuerung korrigieren; ihm etwa per Mausklick zeigen, wo die Tür steht, die er öffnen soll. Und selbst dann ist nicht garantiert, dass die Maschine tut, was der Mensch ihr aufträgt.

Mancher Humanoide bleibt vor der verschlossenen Tür stehen und verharrt wie in Schockstarre angesichts der Aufgabe. Die Spielregeln der DRC legen den Autonomiegrad der Roboter nicht fest. Vorher war nur klar, dass während des Finales die Datenraten der Funkverbindungen zwischen den Teams und ihren Maschinen unangekündigt herabgesetzt würden – rein ferngesteuerte Roboter, die ohne permanente Befehle von außen aufgeschmissen sind, wären dann im Nachteil. 

Das Team NimbRo Rescue der Uni Bonn gewährt seinem Rettungsroboter Momaro dennoch gar keine Autonomie: Hinter jeder seiner Bewegungen steckt ein Mensch, acht Studenten braucht es, ihn zu steuern. An Joystick, Lenkrad, Nunchuks und mehreren Tastaturen sitzen Bediener. Die Garage der Bonner sieht darum aus wie eine Spielhölle, eine LAN-Party für Fortgeschrittene. Der Ansatz stellt sich bei der DRC als erfolgreich heraus, Team NimbRo Rescue wird Vierter, trotz der Funkstörungen. 

SÜDKOREA//Seoul: THORMANG
1,50 m / 49 kg
Team Robotis
Mit der südkoreanischen Firma Robotis nahm ein kommerzieller Anbieter von Robotern an der DRC teil. Der Thormang wurde für das Finale einem Update unterzogen; er soll in dieser Form künftig vermarktet werden (auf der Website der Firma ist bereits ein Greifarm angekündigt, ab 9900 US-Dollar). Er belegte Platz 15.

Autonomie indes hat in der Robotik nur mittelbar etwas mit Intelligenz im herkömmlichen Sinne zu tun. „Ich würde sogar sagen, dass unsere Maschine ziemlich dumm ist“, meint Matt Johnson. Ein Roboter muss auch gar nicht klüger sein als ein Mensch – es geht erst mal darum, ihm nicht jede Kleinigkeit, jede Änderung einprogrammieren zu müssen. Darum sprechen die Experten auf der DRC auch viel mehr über Autonomie als über künstliche Intelligenz. 

Der IHMC-Atlas etwa kann mehrere Schritte selbst vorausplanen. Und dem Team Tartan Rescue gelingt es gar, mit einem einzigen Knopfdruck den eigenen 200-Kilo-Koloss aus dem Auto aussteigen zu lassen. Chimp führt drei Minuten lang ohne menschliche Anleitung ein bizarres Kunststück vor: Seine mächtigen Stahlextremitäten kreisen und drehen sich, es ist ein wenig so, als würde man einem Panzer beim Balletttanzen zuschauen. Chimp vergewissert sich, dass er nirgendwo dagegenstößt oder ins Leere tappt, bis er sich in einer Mischung aus Trippeln und Rollen aus dem Auto herausbugsiert hat.

Ein anderer Beweis für die Stärke autonomer Systeme wird aus der Not heraus geboren. Beim MIT-Team vergisst der Operator, seinem Atlas namens Helios ein entscheidendes Feedback zu geben. Am Ende der Autofahrt glaubt der Roboter weiterhin, mit dem Fuß das Gaspedal treten zu müssen, obwohl er längst dabei ist, aus dem Wagen auszusteigen. Eigentlich sollten seine Füße festen Stand bieten, stattdessen bleiben die Gelenke locker. Prompt kracht das Ungetüm auf die rechte Robohand. Game over, denkt man, denn Helios hat bislang alle Aufgaben nur mit dem rechten Greifer gemeistert. Da das aber nun nicht mehr geht, diktieren die Entwickler der Maschine, beim nächsten Run alles mit links zu erledigen. Ein menschlicher Rechtshänder täte sich schwer damit. Helios hingegen berechnet, wie er mit der linken Hand agieren muss, und schafft nahezu alle Aufgaben.

 

USA//Blacksburg: ESCHER
1,80 m / 75 kg
Team Valor 
ESCHER wurde von Studierenden der Virginia Tech für die DARPA Robotics Challenge (DRC) entwickelt und gebaut. Beim Finale im Juni konnte er keine Aufgabe lösen: Er kippte auf dem Weg zur ersten um.


 

Es sind kleine Wunder der Vielseitigkeit wie diese, die zeigen, welches Potenzial in den Maschinen schlummert. Das ist es auch, was den Run des Silicon Valley auf die Teams miterklärt. Nicht nur Alphabet kauft sich ein: Amazons Sponsoring zeigt sich am Firmenschriftzug auf einigen Roboterbeinen und Garagenwänden; Uber heuert während der Challenge sogar 40 Forscher der Carnegie Mellon University an. „Vor zehn Jahren war Robotik für viele nur eine Spielerei, aber inzwischen sehen die großen Unternehmen das Potenzial und investieren“, sagt David Rice. Ähnlich sieht es auch Matt Johnson: „Ich glaube zwar nicht, dass wir bald alle einen Robo-Butler haben, aber die Kommerzialisierung von Robotern ist greifbar nahe.“

Beim US-Militär ist ihr Einsatz längst Alltag. „Allein 3000 von diesem Modell sind in Afghanistan und im Irak gewesen“, sagt Chase Hathaway und zeigt stolz auf ein Kettenpaket namens Talon, das 2008 im Irakkriegsfilm The Hurt Locker als ferngesteuerter Aufklärungsroboter von Bombenentschärfungsteams sozusagen die zweite Hauptrolle spielte neben Jeremy Renner – und nun auf dem Parkplatz der Pferderennbahn von Pomona durch die Gegend rollt. Universitäten und Firmen haben hinter den Tribünen Stände aufgebaut und stellen ihre Roboter zur Schau: Mini-U-Boote, spinnenartige Kleinkämpfer, Spielzeugmaschinen. Aber eben auch gesichtslose Kettenroboter wie Talon oder Dragon Runner. Sie sehen dem Bonner Momaro gar nicht so unähnlich – oder dem Mars-Rover. 

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Chase Hathaway ist Ingenieur bei der Rüs­tungsfirma Qinetiq und sagt, dass man Talon aus dem zweiten Stock werfen könne und er trotzdem weiter funktioniere. Seine Robustheit hat ihn auch bei SWAT-Teams der amerikanischen Polizei beliebt gemacht. 

Schon vor zehn Jahren bat das US-Militär Qinetiq, auch einen mit Waffen aufgerüsteten Kettenroboter zu bauen, drei der SWORDS genannten Talon-Varianten waren sogar zeitweilig im Irak stationiert, kamen jedoch nicht zum Einsatz. Qinetiq hat bereits ein größeres Nachfolgemodell für SWORDS entwickelt: MAARS ist mit einem Maschinengewehr und Granatwerfern ausgerüstet, er kann Aufklärungsdienste leisten, Patrouille fahren oder auch bloß Wache stehen. Das US-Militär besitzt bereits MAARS-Modelle, hat aber auch sie noch nicht eingesetzt. Es zögert.

Wenige Stände von Qinetiq entfernt steht der Japaner Kazunori Ohno von der Tohoku University und hantiert mit Quince, einem Roboter, der Talon ähnelt. Quince soll allerdings nur zivil eingesetzt werden. Er hat bereits in Fukushima geholfen: Quince maß die Radioaktivität in den Reaktorgebäuden. Zu mehr war er aber nicht fähig – war es sicher, kamen Arbeiter nach und versuchten zu reparieren, was zu reparieren war. Ohno ist begeistert von den Robotern der nächsten Generation im DRC-Finale, die nicht nur messen, sondern etwa auch Ventile drehen können. „In einem Land wie Japan mit vielen Naturkatastrophen könnten Roboter eine riesige Hilfe sein“, sagt er. Ohnos Antwort auf die Frage nach dual use ist im Hinblick auf Quince einfach: „Wir verkaufen ihn nicht außerhalb von Japan.“

,,Wir werden nicht nur Roboter erschaffen können, die genauso gut sind wie der Mensch – ich glaube sogar, dass sie besser sein können“, sagt ein Mann, der vom Roboter-Boom längst profitiert. Marc Raibert, der Gründer von Boston Dynamics, spaziert während der DRC durch die Teamhalle und schaut bei denen vorbei, die Atlas-Modelle seiner Firma im Finale benutzen. Der Herr über so unheimliche Roboterwesen wie BigDog oder Cheetah, einem Vierbeiner, der bis zu 46 km/h schnell rennen und im vollen Lauf über Hindernisse springen kann, wirkt tiefenentspannt. Er trägt ein Hawaiihemd.

Angesprochen auf die militärische Verwendung von Robotern, sagt Raibert, besonders autonom oder intelligent müssten die gar nicht sein. „Wirklich viel Autonomie und Entscheidungsfähigkeit brauchen auch Soldaten nicht. Die meiste Zeit halten sie sich einfach an eine Menge Regeln.“ Ob das denn heiße, dass seine Roboter auch einmal kämpfen werden? Da wirkt Raibert auf einmal kurz angebunden. Er sagt, es sei schwer, etwas vorherzusagen, da das Potenzial der Robotik so groß sei. Dann zieht er weiter. Unbeantwortet bleibt die Frage, was passiert, wenn eine stumpfe Maschine vollends selbstständig wird. Müssen wir uns gar nicht vor deren zukünftiger Intelligenz fürchten – sondern vor deren Dummheit? 

 

SÜDKOREA//Daejon: DRC-HUBO
1,60 m / 80 kg 
Team KAIST 
Der Sieger der DRC kommt aus Südkorea: Vor knapp 15 Jahren hat das Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST) begonnen, Roboterprototypen zu entwickeln, der DRC-Hubo ist der bislang größte und stärkste von ihnen. Und der schnellste: Hindernisfreie Strecken geht er nicht – er kniet sich stattdessen hin und fährt auf seinen an Füßen und Beinen montierten Rädern weiter.

 


Am 28. Juli – knapp zwei Monate nach dem DRC-Finale – wird ein offener Brief veröffentlicht, zu dessen Erstunterzeichnern Stephen Hawking, Elon Musk und mehr als 1000 Wissenschaftler gehören, die sich mit künstlicher Intelligenz (KI) befassen. In dem Brief fordern sie – so wie zuvor unter anderem bereits Human Rights Watch – ein Verbot von autonomen Waffensystemen: „Die KI-Technologie hat einen Punkt erreicht, wo der Einsatz solcher Waffensysteme – technisch, wenn auch nicht juristisch – innerhalb der nächs­ten Jahre, nicht Jahrzehnte möglich ist, und es steht viel auf dem Spiel: Autonome Waffen gelten als die dritte Revolution der Kriegsführung, nach dem Schießpulver und Nuklearwaffen.“

Werden Maschinen – Drohnen, Geschütze oder eben Roboter – bald selbstständig töten, wenn die Menschheit sich nicht rasch entschließt, sich diesen Teil der technologischen Weiterentwicklung selbst zu verbieten? Seit 2013 diskutieren auch die Mitgliedstaaten der UN-Waffenkonvention darüber ganz offiziell. Die Sorge vor der Unkontrollierbarkeit der Maschinen ist in der Weltpolitik angekommen.

Matt Johnsons Team IHMC ist am Ende Zweiter geworden bei der DARPA Robotics Challenge, eine Millionen Dollar Preisgeld gab es dafür. Einige Wochen später, nach einem kurzen Urlaub, sitzt Johnson wieder in Florida im Labor und werkelt am Atlas. Er und seine Kollegen haben bereits den nächsten Wettbewerb ins Leben gerufen. Sie wollen schauen, wie schnell sie ihren Humanoiden rennen lassen können. Noch hat die DARPA den geliehenen Roboter nicht zurückgefordert. „Wir machen so lange weiter, bis der Mann mit dem Abholschein kommt“, sagt Johnson. 

Laufen, Rennen, Treppensteigen – das sind die kleinen Schritte zu einer menschelnden Maschine. Doch selbst wenn eines Tages ein autonomer, wenn auch nicht intelligenter Roboter existieren sollte, will Johnson nicht, dass Entwickler diese einfach machen lassen: „Maschinen können uns viel mehr helfen, wenn sie uns ergänzen, statt uns zu ersetzen. Außerdem zweifle ich daran, dass Maschinen in der Lage wären, gute Entscheidungen in unvorhergesehenen Situationen zu treffen.“ Es tue sich viel im Bereich künstliche Intel­ligenzen, „aber wirklich kreative Lösungs­ansätze und gute Entscheidungen werden wir wohl von Maschinen nie zu sehen bekommen“, sagt Matt Johnson.

An der Uni Bonn sind die Entwickler zur gleichen Zeit noch damit beschäftigt, zu verstehen, was sie während der DRC überhaupt gemacht haben. „Wir haben alles so quick and dirty programmiert, dass selbst ich Schwierigkeiten habe, nachzuvollziehen, was ich da nachts um drei während der Challenge gecodet habe“, sagt Teamleiter Marius Beul. Sobald sich das Chaos lüftet, wird ein Teil des Codes wohl recycelt werden. Die Software, die den Laserscanner von Momaro steuert, könnte in einem Flugroboter genutzt werden, der Schornsteine von innen inspiziert. Eine ziemlich irdische Verwendung.

Die NASA hingegen will ihren Humanoiden Valkyrie bald auf den Mars schicken. Derzeit sucht sie nach Entwicklern für die Mission. In einem neuen Wettbewerb sollen Robotikforscher zeigen, wie eigenständig sie eine Maschine für den Mars machen können. Bis da oben würden Befehle per Funk Ewigkeiten brauchen. Ein paar Forscher sind schon für die Mission gesetzt. Matt Johnson ist einer von ihnen. 

Wer es genau wissen will – wie ein Roboter eine Tür öffnet – der klickt hier: Denn Alexander Stumpf vom Team Hector (TU Darmstadt) erklärt WIRED den Vorgang am Beispiel seines Roboters Johnny 05. 

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