Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Finger weg! Deswegen sind Handys im Flugzeug doof

von Thomas Glavinic
Wenn ihr Flugzeug-Sitznachbar am Handy spielt — Vorsicht! Vielleicht hackt er sich gerade in den Bordcomputer. Seit Piloten durch die Automatisierung immer mehr von Computern unterstützt werden, haben Menschen mit Flugangst ein neues Horrorszenario. Unser Kolumnist Thomas Glavinic hebt ab.

Flugangst plagt viele Menschen. Je nach Umfrage bzw. Studie betrifft sie zwischen 20 und 55 Prozent aller Passagiere. Ich selbst gehöre tendenziell wohl zu den Flugskeptikern. Zuweilen kann ich einen Flug sogar genießen, aber ganz richtig kommt mir die Sache nicht vor. Wenn ich am Himmel ein Flugzeug sehe und daran denke, dass ich nicht selten auch in so einem kleinen fragilen Dings in solcher Höhe sitze, frage ich mich, woher ich diese Tollkühnheit nehme.

Dass man den Menschen im Cockpit nicht hundertprozentig trauen kann, war mir schon vor dem Germanwings-Massenmord klar.

Flugzeugfilme mochte ich immer schon. Als Kind den Streifen über die Atlantiküberquerung von Charles Lindbergh. Oder den Flug des Phoenix, in dem eine Gruppe eklatant unterschiedlicher Charaktere in der Wüste eine Bruchlandung hinlegt, alle beinahe verdursten, sich dann aber die Maschine neu zusammennageln und entschweben.

In letzter Zeit haben Nachrichten, in denen Flugzeuge eine Rolle spielen, eine eher negative Tendenz. Dass man den Menschen im Cockpit nicht hundertprozentig trauen kann, war mir schon vor dem Germanwings-Massenmord klar, schließlich durfte sogar ich schon mehrmals auf dem Notsitz vorne mitfliegen, und ich musste mir jedes Mal beim Start und bei der Landung vorstellen, was wäre, wenn ich jetzt eine Keilerei beginnen würde. Nicht dass ich gewollt hätte, ich will niemandem Böses. Doch dass ich so unkompliziert in eine Situation gekommen war, die es mir ermöglicht hätte, eventuell eine Katastrophe auszulösen, beeindruckte mich.

Die Vorstellung,  der Nerd am Nebensitz fliegt gerade die Maschine, gefällt mir nicht besonders.

Unlängst erfuhren wir, ein Sicherheitsprofi habe sich über das Bordentertainment in den Computer einer Passagiermaschine gehackt und dabei ein bisschen Sinken und Nach-links-Fliegen ausgelöst. Mit der Aktion habe er auf Sicherheitslücken dieser Programme hinweisen wollen. Das finde ich auch beeindruckend. Nicht bloß, weil die Vorstellung, dass gerade der Nerd am Nebensitz die Maschine fliegen könnte, mir nicht besonders gefällt. Ich würde auch gern wissen, ob der listige Aufdecker für den Fall, dass seinem Hineingemurkse eine unkontrollierte Reaktion des Flugzeugs gefolgt wäre (mit vollem Karacho abwärts zum Beispiel), einen Plan B zur Hand gehabt hätte.

Meines Erachtens ist mit computerbewehrten Flugzeugattentätern dennoch nicht zu rechnen. Entgegen der landläufigen Meinung scheint dieser Menschenschlag nicht mit überdurchschnittlicher Intelligenz gesegnet zu sein. Zum Beispiel ist al-Qaida noch nicht auf die Idee gekommen, ein ganzes Flugzeug mit Attentätern vollzupacken, die nichts anderes zu tun haben, als ihr Handy nicht auszuschalten. Denn wenn wir die diesbezüglichen Vorschriften korrekt interpretieren, würde ein solches Flugzeug unweigerlich abstürzen. Von wegen Schuhbombe. Handy gezückt, und es geht runter. Aber so schlau sind die nicht. Zum Glück. Zum Glück kommt auch keiner von ihnen auf die Idee, dass ein Auto in einer Fußgängerzone eine viel gefährlichere Waffe ist als eine Pistole.

Ich muss allerdings auch sagen: Ein Rad kann ähnliche Diens­te leisten. In der urbanen westlichen Gesellschaft ist es ja mittlerweile Pflicht geworden, Radfahren zu mögen. Aufgeklärte junge Menschen brettern auf oder neben ihren Radwegen durch die Stadt und aalen sich in ihrer Gewissheit, das Richtige zu tun und gut zu sein. Diese Entwicklung finde ich alarmierend.

Mit ein paar Mausklicks würden besonders rücksichtslose Radfahrer aus dem Verkehr gezogen.

Zum einen sind mir alle Leute verdächtig, bei denen ein Hang zum Fanatismus unübersehbar ist, zum anderen beklage ich angesichts der Todesverachtung der Zweiradfahrer, die in geradezu terroristischer Tradition weder fremdes noch eigenes Leben schonen, das Fehlen eines Bordcomputers in Fahrrädern. Dafür würde ich mich sogar zum Hacker umschulen lassen.

Herrlich wäre das: Mit ein paar Mausklicks würden besonders rücksichtslose Radfahrer aus dem Verkehr gezogen, eine hilfreiche Plakatwand fände sich immer. Na gut, ganz so drastisch müsste man es nicht angehen. Bremsen würde schon reichen. Aber so weit sind wir leider noch nicht.

Thomas Glavinic lebt als Schriftsteller in Wien. Sein letzter Roman „Das größere Wunder“ erschien 2013. Für WIRED schreibt er regelmäßig über seinen Alltag mit der Technologie. In unserer Juni-Ausgabe outete er sich als „virtueller Pyromane“ und sprach offen darüber, wie er Facebook-Profile von Freunden missbraucht. 

GQ Empfiehlt