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Pimp my brain: Tom Hillenbrand über Gehirn-Hacking

von Tom Hillenbrand
Tom Hillenbrand ist Schriftsteller, sein Buch „Drohnenland“ spielt in einem hoch technologisierten Europa der nicht allzu fernen Zukunft. In dieser Zeit lebt auch PR-Profi Dae-Jung Leclerq, der seine Alltagserlebnisse hier regelmäßig schildert.

Heute muss echt alles sitzen. Tut es eigentlich auch. Die 360er-Präsi kenne ich auswendig. Mein maßgescannter Pietro-Wong-Anzug ist nagelneu. Ich war sogar beim Friseur.
Aber das reicht nicht.
Der Solarbras-Deal ist einfach zu groß. Vierhundert Millionen Euro ist der Pitch wert. Wenn ich das versaue, darf ich ab nächs­ter Woche Kimchipizzen belegen.
Was ich brauche, ist ein Gehirnflottmacher. Irgendwo hier in der Nähe ist ein Headshop. Ich frage meine Specs. Sie weisen mir den Weg, fünf Minuten später stehe ich davor. Über der Tür verkünden trippig oszillierende Lettern: „Brain Busta. Headshop“.
Drinnen gibt es einen Counter, dahinter mehrere Separees. Der Typ am Empfang ist kahl geschoren, wie alle Elektrofreaks. Er grinst mich an.
„Morgen. Was kann ich für Dich tun, Pá?“
„Ich hab einen wichtigen Termin. Muss mich vorher ein bisschen tunen.“
Er nickt verständnisvoll. „Claro. Du siehst auch echt tenso aus, Pá. Bem tenso. Was zum Runterbringen?“
Ich schüttele den Kopf. „Mit der Anspannung komme ich klar. Ich brauche Leistung.“
„Dann komm mal mit, Pá.“

Der Elektrofreak führt mich in eines der Separees. Dort nehme ich auf einer Liege Platz, die mich ein wenig an den Zahnarzt erinnert. Leise vor sich hinsummend legt er mir die Elektroden an – zwei kommen an die Schläfen, zwei hinter die Ohren.
„Ich hab’ Lightning Einstein oder Schmoozy Clinton.“
„Was ist der Unterschied?“, frage ich.
„Die Einstein-Konfiguration boostet Deinen inferioren temporalen Gyrus. Logik, Zahlen, máximo. Der Clinton kitzelt Deine Amygdala. Empathie steigt, Verarbeitung von Gefühlen wird optimiert.“
Er grinst. „Auch die von Angst.“
Ich weiß nicht, wer dieser Clinton ist, aber ich bitte den Freak, das fragliche elektrische Spannungsmuster in den transkranialen Stimulator zu laden. Auf dass die Stromstöße mich furchtlos und liebenswert machen.
Eine Stunde später stehe ich im Konferenzraum des Pousada Sheraton und rocke alles weg. Als ich fertig bin, steht Solarbras’ Marketingchef Ken Villier auf und klatscht. Ich bilde mir ein, dass er Tränen in den Augen hat. Er sagt etwas. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was. Aber dank der Clinton-Konfiguration fällt mir eine ebenso höfliche wie originelle Replik ein, die den ganzen Konfi zum Lachen bringt.
Später stehen wir an der Kaffeebar. Wie ich dort hingekommen bin, weiß ich nicht mehr genau, aber alles scheint tipptopp zu laufen. Die Typen von Solarbras sehen zufrieden aus, unsere Leute ebenfalls.
Villier nippt am Kaffee. „Das war erstaunlich. Sie sind ein Präsentationstalent.“
„Vielen Dank.“
„Ich will, dass Sie unsere Kampagne machen, ja? Sie persönlich. Wir sollten strategizen. Geben Sie mir Ihre Prioritätsnummer?“
„Klar. Die lautet …“
Er schaut mich erwartungsvoll an. Meine Prio. Verdammt. Entfallen. Ich lache albern.
„Neue Nummer, sorry. Da hakt es manchmal etwas, einen Moment.“
Ich trete etwas zur Seite und subvokalisiere in mein Kehlkopfmikro. „Specs, die Prio.“
„Für welchen Teilnehmer?“
„Für … für …“
Wie zur Hölle heiße ich eigentlich?
„Äh, für mich. Also, meine eigene. Schick sie an den Typ da, Dings.“
Breit lächelnd gehe ich zu Dings zurück. „Angekommen?“
„Ja, danke. Ich muss jetzt zum Flughafen. Sie sollten eine Pause machen, Monsieur Leclerq. Sie sehen etwas verschwitzt aus. Na, kein Wunder bei so einer Performance.“
Nach allerlei Händegeschüttel beeile ich mich, das Sheraton zu verlassen. Ich muss noch einmal zu diesem Headshop, bevor ich zurück ins Büro fahre. Die müssen meinen Kopf justieren. Denn wie meine Firma heißt, daran kann ich mich gerade beim besten Willen nicht erinnern. 

Tom Hillenbrand ist Schriftsteller, sein Buch „Drohnenland“ spielt in einem hoch technolgisierten Europa der nicht allzu fernen Zukunft. In dieser Zeit lebt auch PR-Profi Dae-Jung Leclerq, der seine Alltagserlebnisse regelmäßig bei WIRED schildert. Im Juni ging er mit Drohnen und Smartguns auf eine altenglische Fuchsjagd.

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