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Musik zum Anfassen: Reify macht aus Liedern Skulpturen

von Lars Gaede
Die eigene Wohnung ist eigentlich nicht der richtige Ort für die Aufbewahrung von Kulturgütern. Musik, Filme oder Fotos sind heute digital. Doch Allison Wood will das mit ihrem Startup Reify wieder ändern und verwandelt Songs in Skulpturen aus dem 3D-Printer.

„Wir wollen die physische Dimension von Musik ganz neu denken.“

Allison Wood

Die Geschichte der Digitalisierung ist eine des physischen Verschwindens. Alles geht, alles muss raus: die Bücher, die früher Regale füllten; die Fotoalben, CD- und DVD-Stapel, die in den Wohnzimmern vor sich hin staubten. Dinge, die wir lieben, horten wir heute lieber entmaterialisiert auf Festplatten, in der Cloud oder einfach gar nicht mehr. Wozu auch? Im Zeitalter des Streamings, der permanenten Verfügbarkeit jedes Films und Buchs, ergibt es rational betrachtet keinen Sinn mehr, die Wohnung mit Kulturspeichermedien vollzustellen. Die meisten, die sich heute noch Platten kaufen, machen das aus ästhetischen Gründen (das Knistern!) — und aus Streben nach Distinktion.

Für Leute, denen es mit der Distinktion noch ernster ist, hat sich Allison Wood, Gründerin des New Yorker Kunst-Startups Reify, die sogenannten Totems ausgedacht: in Skulpturen geronnene Musik. Sie lässt dafür ein Programm den gewünschten Song auf 40 verschiedene Parameter hin durchscannen, auf bestimmte Frequenzen, beats per minute, Klangfarben — und errechnet daraus eine dreidimensionale Figur. Diese wird 3D-gedruckt oder in Bronze gegossen — fertig ist die Musikskulptur. Eine besondere Art von Fetischobjekt für Fans, die ihren Lieblingstrack nicht nur hören, sondern auch sehen und anfassen möchten.

„Wir wollen die physische Dimension von Musik ganz neu denken“, sagt Allison Wood. Dazu gehört, dass es von Reify auch eine Handy-App gibt: Wenn man die öffnet und mit dem Smartphone die Skulptur umzirkelt, starten der zugehörige Song sowie ein interaktives Video.

Noch kann sich leider nicht jeder seinen Wunschsong drucken lassen. Reify beschränkt sich derzeit auf Kooperationen mit bestimmten Künstlern. Fans der Noise-Band Health etwa können sich die Skulptur eines neuen Stücks demnächst für knapp unter 100 Dollar auf Kickstarter kaufen. Das mittelfris­tige Ziel ist jedoch, eine Plattform für jeden denkbaren Musikwunsch zu schaffen.

Man kann das alles für eine verquirlte Marketingidee zur Unterstützung der Popbranche halten, deren Produkte immer weniger profitabel werden. Oder man sieht es wie Allison Wood: „Die Totems sind die Schallplatten fürs Smartphone-Zeitalter.“ 

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