Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Online-Shopping: Ein Königreich für Charles Mansons Unterhose

von Anja Rützel
Leider wird immer weniger Celebrity-Ramsch versteigert. Dafür Hinterlassenschaften berühmter Killer. Unsere Kolumnistin Anja Rützel hat sich eingehend damit beschäftigt.

Schon länger hat man mir kein vollgeschnäuztes Taschentuch von Scarlett Johansson mehr angeboten. Also nicht mir persönlich, sondern genau genommen allen Menschen, die gern auf windigen Auktions­seiten fernab von Ebay abhängen. Ich liebe diese zwielichtigen Versteigerungen, bei denen man sich allein auf die Glaubwürdigkeit des in der Regel eher shady Anbieters verlassen muss – weil es eben meist kein offiziell beglaubigtes Zertifikat dafür gibt, dass der halb verspeiste Apfelgriebs nun tatsächlich von Ryan Gosling benagt wurde (und nicht vom shady Anbieter selbst). Und ich mag den Gedanken, dass man auch auf den profans­ten Gegenstand ein bisschen Starstaub abreiben kann, der ihn dann auf eine andere Dinge-Stufe erhebt.

Ende Juni sollte in Beverly Hills immerhin eine Röntgenaufnahme von Marilyn Monroe versteigert werden.

Leider gibt es, wie gesagt, nicht mehr viele solcher Auktionen, die Ramschkammern scheinen leer geplündert. Ende Juni sollte in Beverly Hills immerhin eine Röntgenaufnahme von Marilyn Monroe versteigert werden, noch dazu von untenrum (aufgenommen, als sie wegen einer chronischen Gebärmuttergeschichte im Krankenhaus war). Die Verhökerung der Kreditkarte von Kurt Cobain habe ich im Februar leider verpasst. Meine große Chance auf einen eigenen Celebrity-­imprägnierten Gegenstand habe ich ohnehin schon dämlich verwirkt: Mein Hamburger Vermieter hatte mir einmal vier Stühle gezeigt, die er im Keller unseres Hauses aufbewahrte, weil auf ihnen einst die Beatles gesessen hatten – damals, als sie sich in einem früher mal existierenden Schuhladen in unserer Straße ein paar neue Schlappen kauften. Garantiert wahr, sagte mein Vermieter mit treuem Wombel-Augenaufschlag. Als ich schließlich nach Berlin umzog, war ich von diesem Lebensereignis solchermaßen beseelt, dass ich völlig vergaß, noch einen der Stühle zu stehlen, wie eigentlich lange geplant.

Letztens allerdings stieß ich auf eine Memorabilia-Versteigerungsseite, die extrem gut bestückt war. Allerdings handelte es sich bei den Vorbesitzern eher um berüchtigte Menschen: allesamt Mörder, die meisten Serienkiller. Täter hinter Verbrechen, die so abscheulich waren, dass nicht nur Menschen mit morbiden Spezialinteressen aufmerksam wurden. All das fand ich also auf murderauction.com: einen Brief des Serienmörders Bernard Giles, der mit Zeichnungen beschreibt, wie man besonders feste Knoten zurren kann. Eine Glückwunschkarte zum jüngst geborenen Baby, unterzeichnet von „your friend Ed Gein“ – jenem „Plainfield Ghoul“, der menschliche Nasen sammelte. Das Häftlingsshirt, das der Mörder Douglas Clark in San Quentin trug. Eine sorgfältig ausgedrückte Knast-Zahnpastatube eines anderen Mehrfachmörders. Und den Führerschein von Charles Manson. Haarbüschel von ihm werden auch immer wieder mal angeboten.

Woher der Sudelkram kommt, bleibt meistens im Finsteren. Ebenso der Grund, warum man gerne ein Porträt des Musikers Jay-Z besitzen möchte, das der als „DC Sniper“ bekannt gewordene Lee Malvo mit groben Buntstiftstrichen anfertigte – irgendwann, bevor er 2002 im Alter von 17 Jahren mit seinem Stiefvater loszog und im Großraum Washington wahllos zehn Menschen erschoss. Natürlich ist die Jay-Z-Kritzelei sehr schlecht, aber zusätzlich hat sie auch eine fiese, absolut böse Ausstrahlung. Natürlich ausgelöst allein durch die Verbindung mit ihrem Urheber. Hätte sich beispielsweise die – glücklicherweise längst in Vergessenheit geratene – kindliche Sängerin des Schni-Schna-Schnappi-Liedes an diesem Porträt versucht, würde das wirklich hässliche Bild von Jay-Z eine Aura unschuldiger Täppischkeit verströmen.

Es ist gruslig, aber auch faszinierend, wie sehr Dinge von ihren Besitzern mit Bedeutung aufgeladen werden können. Ich warte weiter darauf, einmal einen Gegenstand mit positiver Starstrahlkraft wegzuschnappen. Und auf eine offizielle Celebrity-Apfelgriebs-Versteigerungsseite. Sie wird kommen, wie jeder Unsinnsgedanke online irgendwann wahr wird.

Anja Rützel besitzt eine Hasenzeichnung, die für ein paar Sekunden vom französischen Philosophen Jacques Derrida angefasst wurde. Das reicht ihr. Hier geht es zu ihrer vergangenen Kolumne.

GQ Empfiehlt
Lisa Lang — Netzwerkerin

Lisa Lang — Netzwerkerin

von Sonja Peteranderl