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Pixel, die Gefühle auslösen: Der Pac-Man-Erfinder Toru Iwatani im Interview

von Haluka Maier-Borst
Mampf! Ein gelber Kreis, der sich fröhlich durch die Welt isst — das Spielprinzip von Pac-Man ist banal. Doch der pixelige 35-Jährige ist aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken und weit mehr als ein Charakter eines Arcade-Games. Wir haben mit seinem Erfinder Toru Iwatani gesprochen.

Toru Iwatani

Chris Kohler

WIRED: Herr Iwatani, im Film „Pixels“ greifen Aliens mithilfe von Videospielcharakteren die Erde an. Auch Ihre Erfindung ist unter den Angreifern: Pac-Man. Was halten Sie denn vom Film?
Toru Iwatani: Ich war für einen Cameo-Auftritt eine Woche lang am Set und habe dabei viel zuschauen dürfen. Außerdem habe ich einige der Zwischenversionen des Films vorgespielt bekommen. Was ich bisher gesehen habe, hat mir gefallen.

WIRED: In welcher Filmszene tauchen Sie denn als Cameo auf? Können Sie uns das verraten?
Iwatani: Nein, das nimmt ja den ganzen Spaß. Schauen Sie sich einfach den Film an und suchen Sie nach mir.

WIRED: Neben Pac-Man und ihrem Cameo-Auftritt kommen Sie selbst aber auch als echte Nebenrolle vor, gespielt von Denis Akiyama. Ist das eine Form von Genugtuung, dass Sie ein wenig Berühmtheit erlangen? Viele kennen Pac-Man aber die wenigsten Sie, den Erfinder.
Iwatani: Klar ist es eine Ehre, wenn ein Schauspieler mich spielt und natürlich bin ich begeistert, dass Pac-Man in diesem Film jetzt dreidimensional durch die Welt stapft. Es ist, als sei meine Idee erwachsen geworden. Aber ehrlich gesagt ist mir mein eigener Ruhm völlig egal. Bei vielen Filmen weiß doch auch keiner, wer den gedreht hat. Hauptsache die Kunst begeistert.

WIRED: Gibt es irgendwas, was sie am Erfolg von Pac-Man als Popikone überrascht?
Iwatani: Es ist schon kurios, dass Pac-Man 35 Jahre nach seiner Geburt nicht nur einfach ein Videospiel geblieben ist. Inzwischen gibt es Sammelfiguren, Brettspiele und eben jetzt einen Film mit Pac-Man. Und immer wenn ich im Fernsehen jemanden in einem T-Shirt mit Pac-Man-Aufdruck sehe, bin ich schon ein wenig erstaunt.

WIRED: Reden wir über die Zeit vor Pac-Man. Wie sind sie überhaupt ins Game-Design eingestiegen? 
Iwatani: Zuerst einmal müssen Sie wissen, dass ich gar kein Programmierer bin. Und als ich vor 38 Jahren zu Namco kam, war das auch gar keine Softwarefirma. 

WIRED: Worum ging es denn dann?
Iwatani: Namco führte in Japan Spielhallen und hat dafür die Automaten hergestellt. Vielleicht kennen Sie ja von Jahrmärkten diese Basketballmaschinen, bei denen man auf einen Korb wirft und möglichst oft treffen soll. Um sowas habe ich mich halt gekümmert. Ich war darum zu Anfang auch nicht so sehr an dem interessiert, was man heute unter Gaming versteht. Mir ging es immer um die Kunst, Leute zu unterhalten. Ich sehe mich vor allem als Künstler und Gestalter.

Grundsätzlich ging es uns bei Pac-Man und den Geistern darum, Charaktere zu finden, die man ins Herz schließen kann. So wie Kuscheltiere.

Toru Iwatani

WIRED: Wie kamen Sie dann doch noch in den Software-Bereich?
Iwatani: Namco begann, Arcade-Automaten zu bauen und so habe ich unter anderem das erste Arcadespiel von Namco mitentwickelt, eine Flipper-Simulation namens G-BEE. Zu der Zeit haben wir ein Spiel nach dem anderen produziert und wenn wir damit fertig waren, haben wir sofort mit dem nächsten weitergemacht. 

WIRED: Und wie kam es dann zur Geburt von Pac-Man? 
Iwatani: Nach einiger Zeit merkten wir, dass die Spielhallen, in denen unsere Automaten standen, ein schlechtes Image hatten. Außer jungen Männern traute sich kaum jemand hinein — vor allem keine Frauen. Das lag sicherlich auch an Spielen wie Space Invaders, bei denen es darum geht, Aliens zu töten. Wir dachten, Gewalt und Brutalität spricht Frauen nicht an. Deshalb wollten wir ein Spiel finden, dass fröhlich ist und das auch Leute in die Spielhallen zieht, die sonst dort eher nicht hingehen würden. Bei Pac-Man ist das Hauptziel das Essen, darum auch der Name. Im Japanischen steht „Paku“ umgangssprachlich für Kauen oder Essen. 

Wir haben uns sehr viele Gedanken über die Gefühle der Gamer gemacht.

Toru Iwatani

WIRED: Stimmt es eigentlich, dass Sie auf die Form von Pac-Man kamen, als sie mittags eine Pizza aßen?
Iwatani: Ja tatsächlich suchte ich gerade nach einem Charakter, der sehr simpel aussieht, aber für die Spielidee des Essens geeignet ist. Und als ich dann von einer runden Pizza ein Stück rausnahm, dachte ich: Die Form ist doch perfekt. Grundsätzlich ging es uns aber sowohl bei Pac-Man als auch bei seinen Gegnern, den Geistern, darum, Charaktere zu finden, die süß sind und die man ins Herz schließen kann. So wie Kuscheltiere.

WIRED: Wie genau erklären Sie sich den Erfolg von Pac-Man?
Iwatani: Ich glaube es waren vor allem zwei Dinge: Zum einen haben wir die Regeln möglichst einfach gehalten. Man muss Cookies essen und vor Geistern weglaufen. Das war’s. Damit konnten wir auch Leute erreichen, die keine klassischen Gamer waren — Frauen, Kindern, Rentner. Und das andere war, dass wir uns sehr viele Gedanken gemacht haben über die Gefühle der Gamer.

WIRED: Pixelhaufen und Gefühle — das müssen sie uns jetzt mal erklären.
Iwatani: Wenn Sie mal Pac-Man gespielt haben, ist Ihnen sicher aufgefallen, dass wenn man von den Geistern geschnappt wurde, man nicht an genau der gleichen Stelle wieder anfängt. Stattdessen kriegt man ein wenig Vorlauf, um ins Spiel zu finden. Eine andere Sache ist der Power-Cookie. Im normalen Modus muss Pac-Man permanent vor den Geistern wegrennen. Wenn ein Mensch aber die ganze Zeit flüchtet, steht er unter Stress und wird gereizt. Das ist nicht wünschenswert. Der Power-Cookie dreht darum das Prinzip um, auf einmal jagt Pac-Man die Geister. Der Power-Cookie hilft also beim Stressabbau.

WIRED: Gibt es auch Ideen, die Sie bei Pac-Man in der Entwicklungsphase getestet und die Sie wieder verworfen haben?
Iwatani: Anfangs hatten wir Sackgassen im Labyrinth eingebaut, aber das hat nicht funktioniert. Außerdem war das Spiel ursprünglich sehr langsam, auch wenn mir das damals nicht so vorkam. Für einen Versuch haben wir aber das Ganze mit doppelter Spielgeschwindigkeit getestet. Eigentlich nur weil wir die Beobachtungszeit im Testlauf verkürzen wollten. Dabei stellte sich heraus, dass das doppelte Tempo auch kein Problem für die Spieler darstellte und dann haben wir es einfach beibehalten. Rückblickend muss man sagen, dass das langsame Originaltempo wohl die Leute sogar sehr genervt hätte.

WIRED: Glauben Sie denn, dass heute das Spiel Pac-Man nochmal so erfolgreich werden könnte wie es geworden ist?
Iwatani: Ich glaube schon, dass wir genau zur richtigen Zeit das Richtige gemacht haben. Damals gab es kaum andere Spiele und unser Spiel war etwas komplett Neues. Heute ist der Gaming-Markt so voll und mit der Grafik von damals hätten wir heute sicher keine Chance. Ich glaube aber, dass das Grundrezept für ein gutes Spiel das gleiche geblieben ist: Simple Regeln und die Gefühle der Spieler anzusprechen — genau wie ein guter Film uns auch berührt. 

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