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Nehmen Sie auch Handy? In Zukunft sollen wir mit dem Smartphone bezahlen

von Karsten Lemm
In Zukunft sollen wir mit dem Smartphone zahlen. Wann also geben wir das letzte Bargeld aus – oder bleiben wir beim Cash? Denn so sehr sich Banken auch bemühen mögen, das Smartphone zum Geldbeutel zu machen – bisher stößt die Idee auf wenig Interesse.

Die Hand geben funktioniert bei Starbucks anders: an die Kasse treten, das Smartphone vors Terminal halten, kurz schütteln – schon ist der Kaffee bezahlt. „Das machen viele so“, sagt die Bedienung in einer Berliner Filiale und bestätigt damit: Die Kaffeehauskette hat das einzige Smartphone-Bezahlsystem erfunden, das in Deutschland bereits heute eifrig genutzt wird.

Denn so sehr sich Silicon Valley und Banken bemühen, das Handy zum Portemon­naie zu machen – die meisten zeigen bisher wenig Interesse. Zwar machen PayPal und jetzt das deutsche Paydirekt den alten Bezahlarten online Konkurrenz; doch im Laden entfallen 85 Prozent aller Zahlungen weltweit noch auf Münzen und Scheine, schätzt Mastercard. Wie beliebt Cash ist, schwankt je nach Land, Bezahlkultur und Dichte des Geldautomaten-Netzes. Doch selbst dort, wo viel elektronisch bezahlt wird, spielt das Handy kaum eine Rolle: EC- und Kreditkarten sind ja längst da.

Viele Kundenbedürfnisse werden bereits durch bestehende Technik abgedeckt.

Marc Niederkorn, Finanzexperte bei McKinsey

„Viele Kundenbedürfnisse werden heutzutage bereits durch bestehende Technik abgedeckt“, sagt Marc Niederkorn, Finanzexperte bei McKinsey. „Und es ist schwer, die Menschen umzustimmen.“ Beispiel: Apple Pay. Schlagzeilenträchtig im Herbst 2014 in den USA gestartet, hat es sich im Alltag dort bislang nicht durchgesetzt. Am Black Friday im November, dem traditionell umsatzstärksten Tag für den US-Einzelhandel, griffen 2015 nur 2,7 Prozent der Amerikaner, deren iPhone Apple Pay beherrscht, zur Handy-Geldbörse.

Android Pay und Samsung Pay geht es nicht besser. Alle sind weit davon entfernt, Cash und Karten Geschichte werden zu lassen. Derzeit konzentrieren sich die drei Smartphone-Riesen ohnehin auf wenige Länder, vor allem die USA und Großbritannien. Bedingung für ihre Bezahlsysteme ist eine möglichst hohe Verbreitung von Kreditkarten, denn auch Smartphone-Zahlungen werden über deren Konten ab­gewickelt. Apple Pay ist im Prinzip Visa und Mastercard, nur in anderer Gestalt.

Schon wegen der geringen Kreditkartennutzung ist Deutschland für Apple und andere nicht der attraktiv­s­te Markt – kein Wunder also, dass sie ihre Bezahldienste hier noch nicht gestartet haben. Hinzu kommen Infra­struktur­mängel: Bisher beherrschen in Deutschland erst 60 000 Terminals den kontaktlosen Datenaustausch per Near Field Communication (NFC), den Smartphone-Bezahldienste verlangen. Auch wenn Ketten wie Aldi und Lidl ihre Kassen derzeit im großen Stil umrüsten: „Allein die Terminals hinzustellen, wird nicht ausreichen“, sagt Nikolas Beutin, Experte für Mobile Payments bei PwC. „Der Kunde muss einen Vorteil haben.“ Vorausgesetzt, er ist überhaupt bereit, auf Cash zu verzichten: Bloße Überlegungen des Bundes­finanzministeriums, bei Barzahlungen eine Obergrenze von 5000 Euro einzuführen, sorgten im Februar für Proteste im Netz.

Bei der Benutzung von Apps ergeben sich die Vorteile der Digitalzahlung von allein: Wer per Smartphone eine Pizza bestellt, muss kein Geld im Haus haben. An der Ladenkasse dagegen gibt es alte Gewohnheiten und neue Sorgen: Warum zum Handy greifen, wenn die EC-Karte ebenso schnell gezückt ist – und Bargeld nicht gehackt werden kann? „Durchsetzen werden sich nur Lösungen, die über das reine Bezahlen hinausgehen“, sagt Jörn Leo­grande, Experte für Mobilservices beim Finanzdienstleister Wirecard. Orange Cash-Kunden in Frankreich zum Beispiel sammeln Bonuspunkte, wenn sie per Smartphone zahlen.

In den USA können Kunden ihren Kaffee per App bereits vorbestellen und sofort bezahlen.

Wie lange Bargeld uns noch begleiten wird, weiß niemand. Nur der Trend ist klar: Cash wird verschwinden, denn es ist teuer. Fast 300 Milliarden Euro kostet Banken der Umgang mit Münzen und Scheinen im Jahr, dazu kommen Kosten durch Falschgeld und entgangene Steuern.

Vielleicht hilft es ja, uns den Umstieg schmackhafter zu machen. So wie Starbucks es versucht: In den USA können Kunden ihren Kaffee per App bereits vorbestellen und sofort bezahlen – im Laden muss man dann nicht mehr anstehen. „Wir würden den Service auch gern in Deutschland anbieten“, sagt Starbucks-Europachef Frank Wubben. „Unser Ziel ist immer, das Er­lebnis zu erhöhen.“ Das Bezahlen? Wird bei diesem Erlebnis dann beinahe zur Nebensache.

Am 28. April 2016 findet in Berlin die Konferenz WIRED Money statt. Mehr zum Thema digitales Geld findet ihr hier

 

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