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Die Digitalisierung killt: Banken könnten die Nächsten sein

von Karsten Lemm
Wieder 50 Euro weg. Jedes Mal, wenn Taavet Hinrikus Geld überweisen musste von seinem Konto in Estland nach London, fiel die Gebühr an. Wofür eigentlich? Zumal es Tage dauerte, bis die Überweisung ankam. „Ich war stinksauer“, sagt Hinrikus. Theoretisch müsste man Geld doch so leicht verschicken können wie eine E-Mail.

Also tat der gelernte Programmierer, was man als IT-Überflieger so tut: Er gründete ein Startup. Heute, kaum fünf Jahre später, ist Hinrikus’ Firma Transfer­Wise eine Fintech-Erfolgsstory: Rund 700 Millionen Euro im Monat versenden Nutzer laut TransferWise mittlerweile in alle Welt und sparen dabei mehr als 30 Millionen Euro Gebühren. Nicht viel, gemessen an dem Billion-Dollar-Gewinn, den Finanzinstitute im Jahr 2014 global verbuchten. Aber für sie doch ein Grund zur Sorge. Schließlich ist TransferWise nur eine von vielen Jungfirmen, die anfangen, den Banken das Ge­schäft abzugraben. Knapp elf Milliarden Dollar steckten Investoren 2015 in Fintech-Startups, vier­mal so viel wie noch 2013.

„Wir sehen einen Angriff auf alle Geschäftsbereiche“, sagt Wolfgang Hach, Finanz­experte bei Roland Berger. Die Startups suchten sich bevorzugt das heraus, „bei dem sie wenig Regulierung unterliegen und von ihrer höheren Geschwindigkeit profitieren“. Kreditvergabe, Geldan­lage, Zahlungsverkehr: „Die Fintech-Start-ups greifen an, wo Geld verdient wird“, sagt Marc Niederkorn, Finanzspezialist bei McKinsey. „Wir halten es für denkbar, dass 40 bis 50 Prozent des Ge­schäfts wegschmelzen.“

Also stürzen sich auch Traditionshäuser auf den Wandel. Die Deutsche Bank eröffnet Innovation Labs in Berlin, London und im Silicon Valley; die Commerzbank erprobt bei ihrer polnischen mBank-­Tochter Digitalange­bote; Sparkassen beteiligen sich als ­Investoren an Fin­tech-­Rivalen. Besser mitmachen, als überrollt zu werden.

Grunddilemma der Universalbanken bleibt, dass sie mit Zehntausenden Mitarbeitern und weitver­zweigten Geschäftsbereichen kaum so wendig sein können wie Startups. Während die Deutsche Bank eine Milliarde Euro ausgibt, um über fünf Jahre hinweg ihre IT zu moderni­sieren, kann sich der Hamburger Newcomer Kreditech darauf konzentrieren, seine Algorithmen zu optimieren: Mit über 300 Millionen Euro Kapital ausgestattet, spezia­lisiert sich das Startup auf Kundensuche per Datenanalyse. In Berlin meldet Number26 nach zwölf Monaten bereits 100.000 Nutzer für sein Smartphone-Girokonto und bemüht sich um eine offizielle Banklizenz.

Die Banken versuchen derweil zu schrumpfen: Bis 2035 könnte die Hälfte aller Filialen geschlossen werden, schätzt die KfW. „Alle versuchen, deutlich ihre Kosten zu reduzieren“, sagt Hach. Im Filialnetz sieht er Bürde und Potenzial zugleich. Außenstellen sind teuer, „doch der persönliche Kontakt ist der große Vorteil der Banken.“ Vorausgesetzt, ihnen gelingt ein Imagewandel. In den USA geben 71 Prozent der Millennials an, lieber zum Zahnarzt zu gehen als zum Bankbe­rater – und 33 Prozent glauben, bald ganz ohne Bank auszukommen.

Das mag vorschnell sein, denn Fintechs haben den Härtetest noch vor sich: Die meisten wurden zu Boomzeiten geboren, bei Niedrigzinsen, die Kapital billig machen – eine Rezession könnte sie hart treffen. Aber das würde wohl nichts daran ändern, dass Geldgeschäfte in jeder Form neu erfunden werden. „Die digitale Revolution nimmt gerade erst Fahrt auf“, so Mc­Kinsey in seinem jährlichen Bankenreport. „Ein Großteil des potenziellen Wandels liegt noch in der Zukunft.“ 

Am 28. April 2016 findet in Berlin die Konferenz WIRED Money statt. Mehr zum Thema digitales Geld findet ihr hier

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