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„Steves Geschenk“: Exklusive Einblicke in den neuen Apple-Campus

von Steven Levy
Makellose Bögen, gefrästes Aluminium, endlos viel Glas. Klingt nach einem Apple-Produkt? Ist es auch: WIRED war zu Besuch im neuen Hauptquartier des iPhone-Konzerns.

Am 7. Juni 2011 trat ein Unternehmer vor den Stadtrat von Cupertino, Kalifornien. Niemand hatte mit ihm gerechnet, seine Anwesenheit war aber auch keine wirkliche Überraschung. Einige Monate zuvor hatte er sein Vorhaben schon einmal angekündigt: Es plante, eine Reihe neuer Gebäude an der nördlichen Stadtgrenze zu bauen. Damals, sagte er, habe er sich dem aber nicht gewachsen gefühlt. Um seine Gesundheit war es, wie alle wussten, nicht gut bestellt.

Kurz vor der Versammlung im Juni schaute Kris Wang, Mitglied im Stadtrat, aus dem Fenster und sah den Unternehmer auf das Gebäude zukommen. Er hatte offensichtlich Schwierigkeiten beim Gehen und trug das gleiche Outfit wie einen Tag zuvor, als er der Welt sein neuestes Produkt vorgestellt hatte. Eigentlich trug er immer das gleiche. Als er an der Reihe war und ans Podium trat, begann er zögerlich zu sprechen, doch bald verfiel er wieder in den selben plauderhaften aber trotzdem hypnotisierenden Ton, den jeder aus seinen Keynotes gewohnt war.

Sein Unternehmen war, wie er sagte, „wie Unkraut gewachsen“. Seine Belegschaft hatte sich während des letzten Jahrzehnts enorm vergrößert und füllte inzwischen mehr als einhundert Gebäude, in denen ein Verkaufshit nach dem anderen produziert wurde. Um die einzelnen Abteilungen zusammenzulegen, wollte er einen neuen Campus bauen, ein grünes Gelände, wo die Grenze zwischen Natur und Architektur verschwimmen würde. Im Gegensatz zu anderen Betriebsgeländen, die er „ziemlich langweilig“ fand, sollte das Herzstück seines Campuses ein riesiger ringförmiger Bau sein, in dem 12.000 Angestellte arbeiten könnten. „Es soll einfach ein beeindruckendes Gebäude sein“, erzählte er dem Stadtrat. „Ein bisschen, als wäre ein Raumschiff gelandet.“

Als Wang nachfragte, was die Stadt Cupertino von diesem riesigen Unterfangen habe, nahm die Stimme des Unternehmers eine gewisse Schärfe an, so als würde er mit einem Kind sprechen. Die Baugenehmigung, so der Mann am Podium, würde es seiner Firma erlauben, in der kalifornischen Stadt zu bleiben. Andernfalls könnte er auch die Grundstücke des Unternehmens verkaufen und mit den Mitarbeitern in eine Nachbarstadt ziehen, etwa nach Mountain View. Nach diesem etwas unangenehmen Exkurs führte er weiter aus, was er zu erschaffen plante.

„Ich bin überzeugt, dass wir hier die Chance haben, das beste Bürogebäude der Welt zu bauen“, sagte er vor dem Rat. Was er nicht sagte – und niemand konnte ahnen, dass dieser sein letzter öffentlicher Auftritt sein würde – war, dass er nicht nur einen Campus für das Unternehmen bauen würde, welches er mitbegründet, aufgebaut, zwischenzeitlich verlassen, und letztlich vor dem Untergang gerettet hatte. Mit dem Bau seines neuen Headquarters plante Steve Jobs auch für die Zukunft von Apple selbst. Eine Zukunft nach ihm – und letztlich auch nach uns allen.

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An einem kühlen, klaren Tag im März, mehr als fünf Jahre nach dem Tod von Steve Jobs, sitze ich neben Jonathan Ive auf dem Rücksitz eines Jeep Wrangler, der uns durch den fast fertiggestellten Apple Park fährt. Es ist der Name jenes Campus, den Jobs dem Stadtrat von Cupertino im Jahr 2011 vorgestellt hatte. Mit 50 Jahren sieht Ive, Apples Design-Chef, immer noch aus wie der Rugby-Spieler, der er mal war. Und trotz Ruhm, Reichtum und Ritterschlag ist er derselbe bescheidene Brite geblieben, den ich vor 20 Jahren kennengelernt habe.

Wir tragen beide einen Helm mit einem silbernen Apple-Logo über der Krempe. Ives' hat einen „Jony“-Schriftzug unter dem ikonischen Logo. Dan Whisenhunt, Head of Facilities und Manager des Bauprojekts, begleitet uns. Er trägt ebenfalls einen personalisierten Helm. Auf der Baustelle herrscht geschäftiges Treiben, die Arbeit folgt einem engen Zeitplan. Die ersten Büros sollen innerhalb von 30 Tagen nach meinem Besuch bezogen werden. Danach sollen jede Woche 500 neue Mitarbeiter einziehen. Ich fühle mich wie einer der Passagiere auf der ersten Rundfahrt durch den Jurassic Park.

Wir fahren auf die North Tantau Avenue, vorbei an den Bürobauten für die Mitarbeiter, die nicht das Glück haben, im ringförmigen Hauptgebäude zu arbeiten, sowie dem halbfertigen Besucherzentrum. Nur wenige Jahre zuvor war ein Großteil des Geländes noch ein Parkplatz. Heute säumen hohe Böschungen die Straße. Die hüglige Landschaft mit hunderten Bäumen, deren Wurzeln noch nicht im Boden, sondern in Holzboxen stecken, verbergen die Sicht auf die geschäftige Wolfe Road und die Interstate 280. Wir fahren über den Campus und biegen in einen Tunnel ein, der uns zum Ring bringen wird.

Von dem Tag an, als Jobs die Idee der Stadt Cupertino vorstellte, waren digitale Modelle des Rings im Umlauf – quasi als architektonische Entsprechung eines Trailers für den nächsten Blockbuster. Während der Bau voranschritt, flogen Drohnen über den Rohbau und fingen Luftbilder ein, die unterlegt von esoterischen Soundtracks zu stylischen YouTube-Clips zusammengeschnitten wurden. Abseits der Fanboy-Begeisterung wurde Apple aber auch wegen der Ausmaße des Vorhabens kritisiert. Die Investoren hatten den Konzern gedrängt, den Shareholdern mehr Gewinne zu überlassen und in Frage gestellt, ob die fünf Milliarden Dollar an Baukosten nicht besser in ihre eigenen Taschen hätten fließen sollen.

Die Eröffnung des Campus kommt zudem zu einem Zeitpunkt, an dem Apple trotz beeindruckender Umsätze seit dem Tod von Jobs immer noch kein herausragendes neues Produkt mehr auf den Markt gebracht hat. Die Apple-Führungsspitze möchte uns zeigen, wie cool ihr neuer Campus ist – deswegen bin ich überhaupt eingeladen. Einige Leute sind aber der Meinung, dass Apple zu viel seiner Zeit auf riesige Glasfronten, speziell angefertigte Türknäufe und ein fast 10.000 Quadratmeter großes Wellness- und Fitness-Center mit einem zweistöckigen Yoga-Raum verschwendet. Die Wand dieses Raumes besteht aus Stein, der von einem speziellen Bruch in Kansas kommt und wie eine Used-Look-Jeans sorgfältig bearbeitet wurde, damit die Steine so aussehen wie die aus Steve Jobs' Lieblingshotel in Yosemite. Ein Irrsinn, sagen die Kritiker.

Ein Statement der Offenheit und Bewegungsfreiheit, das man so von Apple nicht erwartet hätte

In der 230-Meter-Röhre, durch die wir fahren, leuchten die weißen Kacheln an der Wand wie in einem High-End-Badezimmer. So muss der Lincoln-Tunnel am Tag seiner Eröffnung ausgesehen haben, bevor die ersten Rußpartikel die Wände beschmutzten. Als wir das Licht am Ende des Tunnels erreichen, erscheint der Ring vor uns. Während der Jeep um ihn herumfährt, glitzert die Sonne auf seiner gewölbten Glasfront. Die Vordächer – weiße Finnen, die an jeder Etage über das Glas hervorragen – erzeugen einen exotischen und retro-futuristischen Eindruck. Sie lassen an Illustrationen aus Science-Fiction Groschenromanen der 50er Jahre denken. Auf der Innenseite des Rings verläuft ein Fußweg von etwa 1,2 Kilometern Länge, den Spaziergänger ungehindert entlanglaufen können. Es ist ein Statement der Offenheit und Bewegungsfreiheit, das man so von Apple nicht erwartet hätte. Und genau das ist der Punkt.

Wir fahren durch den Eingang, der uns erst unter das Gebäude und dann in den Innenhof bringt. Wegen der Ringstruktur gibt es keine Empfangslobby, sondern neun getrennte Eingänge. Ive schlägt mir vor, durch das Café zu gehen, ein riesiges Atrium, das über alle vier Stockwerke des Gebäudes emporsteigt. Wenn es einmal fertig ist, werden hier 4000 Menschen gleichzeitig verweilen können –verteilt über das Erdgeschoss und die Essbereiche auf den Balkonen. An der Außenseite befinden sich zwei massive Glastüren, die geöffnet werden können, wenn schönes Wetter ist und somit eine Open-Air-Atmosphäre schaffen.

„Das ist vielleicht eine dumme Frage“, beginne ich. „Aber wozu braucht ihr eine vierstöckige Glastür?“ Ive hebt eine Augenbraue. „Nun ja“, sagt er: „Es kommt darauf an, wie man ‚brauchen‘ definiert, oder?“ Wir gehen nach oben und ich nehme die Aussicht in mich auf.

Von den Flugzeugen aus, die am San Francisco International Airport landen und auch für die Drohnen, die in 30 Meter Höhe über dem Gebäude surren, sieht der Ring aus wie ein ominöses Kultobjekt, ein Ausdruck kommerzieller Macht. Neben den Einkaufszentren, Highways und eintönigen Bürokomplexen des vorstädtischen Silicon Valleys wirkt er dagegen wie eine absurde Kuriosität. Während ich aus den Fenstern auf die hüglige Weite des Geländes blicke, vergesse ich all das. Es fühlt sich... friedlich an, trotz der lauten Geräuschkulisse der andauernden Bauarbeiten.

In den nächsten zwei Stunden laufen Ive und Whisenhunt mit mir durch weitere Teile des Geländes. Sie beschreiben das Maß an Aufmerksamkeit, das jedem einzelnen Detail entgegengebracht wurde, den Willen, rund um den Globus nach den richtigen Materialien zu suchen, und die Hindernisse auf dem Weg zur Perfektion. All das ergibt Sinn bei einem Gebrauchsgegenstand von Apple, bei dem sich die Produktionskosten im Laufe von Millionen verkauften Einheiten amortisieren. Aber der Ring ist ein 260.000 Quadratmeter großes Einzelstück mit einer Entwicklungszeit von acht Jahren und einer „Kundschaft“ von nur 12.000 Menschen. Wie kann man diesen außergewöhnlichen Aufwand jemals rechtfertigen?

„Es ist frustrierend nur von den absurd großen Zahlen zu reden“, sagt Ive. „Man kann beeindruckende Statistiken aufstellen, aber man kann in einer beeindruckenden Statistik nicht leben. Auch wenn es ein technisches Wunderwerk ist, Glasfassaden in dieser Größenordnung einzubauen, ist die wahre Errungenschaft etwas Anderes. Die Errungenschaft ist es, ein Gebäude zu errichten, wo so viele Menschen zusammenarbeiten, herumlaufen und miteinander reden können.“ Der Wert, argumentiert er, sei nicht, was in das Gebäude hineingesteckt wurde, sondern was am Ende dabei herauskomme.

Ein Ring war allerdings nicht das, woran Jobs dachte, als er über einen neuen Campus nachzudenken und zu sprechen begann. Ive erinnert sich, dass er 2004 erstmals mit seinem Chef über einen neuartigen Geschäftssitz diskutierte. „Ich glaube wir waren im Hyde Park“, sagt er. „Als wir damals öfter gemeinsam in London waren, haben wir dort viel Zeit verbracht. Wir haben begonnen über einen Campus zu reden, der sich zuallererst anfühlt wie ein Park. Mit Elementen, die an einen Universitätscampus erinnern. Darüber, dass der Übergang zwischen Gebäude und Park fließend sein sollte – egal, wo man sich aufhält.“

Immer wieder sprachen die beiden darüber, und bald auch das ganze Unternehmen. Erst 2009 war Apple aber bereit, das Projekt anzustoßen. Obwohl unbebaute Grundstücke in Cupertino rar waren, konnte Apple gut 300.000 Quadratmeter kaufen, die nur rund einen Kilometer vom aktuellen Geschäftssitz am Infinite Loop entfernt liegen. Als Architekt wollte Jobs Norman Foster haben, Gewinner des renommierten Pritzker Prize, zu dessen Aufträgen der Berliner Reichstag, der Flughafen in Hong Kong und Londons Gherkin-Hochhaus zählen. Foster erinnert sich, dass Jobs im Juli 2009 bei ihm anrief und sagte, dass Apple „ein wenig Hilfe“ benötige.

Zwei Monate später kam der Architekt in Cupertino an und verbrachte einen ganzen Tag mit Jobs, zuerst in dessen Büro am Infinite Loop und später in seinem Haus in Palo Alto. Hier merkte Foster, dass sein neuer Kunde eine bemerkenswert detaillierte Vision von der Konstruktion aus Glas, Stahl und Stein hatte, die zu Apples neuer Heimat werden sollte. Während Jobs sprach, skizzierte er in seinem A4-Notizbuch eine Art Wort-Collage basierend auf Jobs' Visionen.

„Sein Vorbild war der Campus der Stanford-Universität“, sagt Foster. Der Großteil des Geländes besteht aus flachen akademischen Gebäuden, um die weite, grüne Parkanlagen arrangiert sind. Luftige Wege führen an den Mauern der Gebäude entlang und vermitteln so das Gefühl, gleichzeitig draußen und drinnen zu sein.

Bald darauf holte sich Foster Hilfe von seiner Londoner Architekturfirma Foster + Partners. Und mit jedem Meeting wuchs die Zahl beteiligter Architekten. Auch wenn er immer behauptete, Nostalgie zu hassen, basierten viele von Steve Jobs' Ideen auf der Bay Area seiner Jugend. „Seine Briefings handelten immer von Kalifornien – seinem idealisierten Kalifornien“, sagt Stefan Behling, ein Partner von Foster, der später zu einem der Projektleiter wurde. Das Grundstück, das Apple gekauft hatte, war ein Industriegelände, das zu einem Großteil mit Asphalt bedeckt war. Doch Jobs Vision sah hügliges Gelände mit eingelassenen Wanderwegen vor. Er nahm sich erneut Stanford als Inspiration und orientierte sich am Dish-Gelände, einem beliebten Wandergebiet nahe der Universität, wo eine Hügellandschaft ein großes Radioteleskop umgibt.

Die Meetings dauerten oft fünf oder sechs Stunden. Während der letzten zwei Jahre seines Lebens verbrachte Jobs viel Zeit mit seinem Architekturtraum. Manchmal biss er sich regelrecht fest an Details. Die waren ihm wichtig. An einer Stelle, erinnert sich Behling, sprach Jobs über die Wände, die er sich für die Büros vorstellte. „Er wusste genau, welches Holz er wollte. Aber nicht im Sinne von ‚ich mag Eiche‘ oder ‚ich mag Ahorn‘. Er wusste, dass es auf sehr spezielle Weise geschnitten werden musste. Und es musste im Winter, am besten im Januar, gefällt werden, um nicht so viel Harz zu haben. Wir saßen alle da, Architekten mit grauen Haaren, und konnten es kaum fassen.“

Wie mit jedem Apple-Produkt, wurde auch beim neuen Geschäftssitz die Form von der Funktion bestimmt. Es sollte ein Arbeitsplatz sein, an dem die Menschen sich einander und der Natur öffnen konnten. Und der Schlüssel dazu waren modulare Bereiche, ebenfalls Pods genannt, die zur Zusammenarbeit einluden. Jobs' Idee war es, diese Pods im gesamten Komplex zu installieren: Pods für Bürotätigkeiten, Pods für Teamarbeit, Pods für informelles Beisammensein.

Dabei sollen die Pods ganz demokratisch auf alle Abteilungen verteilt werden. Nicht einmal für den CEO gibt es eine größere Suite oder ähnliche Unverhältnismäßigkeiten. Und obwohl das Unternehmen lange Zeit berüchtigt für interne Geheimniskrämerei war und die Aufteilung der Projekte nach dem Need-to-know-Prinzip funktionierte, scheint Jobs einen durchlässigeren Aufbau im Sinn gehabt zu haben, bei dem Ideen viel freier zwischen den Etagen ausgetauscht werden könnten. Nicht komplett offen natürlich – beispielsweise wird Ives' Designstudio von einer Glasfront abgeschirmt – aber offener als am Infinite Loop.

„Anfangs hatten wir keine Ahnung, was Steve mit den Pods meinte. Aber er hatte alles fertig ausgearbeitet: ein Ort, an dem du dich allein auf eine Sache konzentrieren kannst, in der nächsten Minute aber auch mit anderen Menschen in Kontakt kommst“, sagt Behling. „Wie viele Restaurants sollten wir haben? Ein einziges riesiges, das die Mitarbeiter an einem Ort versammelt. Man muss für zufällige Begegnungen sorgen.“

Zum Teil dachte Jobs dabei ein anderes Konzept weiter, das er schon bei einem anderen Unternehmen genutzt hatte: Beim Design des Geschäftssitzes von Pixar sollten längere Wege zu den Toiletten die Zusammenarbeit der Mitarbeiter fördern. Jobs war auch damals so involviert in den Prozess, dass die Mitarbeiter das Gebäude bald „Steve's Movie“ tauften. Bei seinem neuen Projekt versuchte Jobs das Bedürfnis nach Konzentration eines Ingenieurs mit dem Bedarf an Brainstorming-Orten auszubalancieren, die die gewünschten Innovationen hervorbringen würden.

Um die Pods unterzubringen, nahm das Gebäude zuerst die Form eines aufgeblähten Kleeblattes an – die Mitarbeiter nannten es „Der Propeller“. Drei Flügel bildeten dabei eine Art Möbius-Gang, der um einen zentralen Kern führt. Mit der Zeit stellte Jobs aber fest, dass das alles nicht funktionierte. „Wir haben ein Problem“, sagte er den Architekten im Frühjahr 2010. „Ich denke, es ist innen zu eng und außen zu weitläufig.“ Darauf folgten Wochen, in denen Fosters 100-Personen-Team Überstunden leisten musste, um das Problem zu lösen (bald darauf wurde das Team auf 250 erweitert). Im Mai notierte Foster erstmals in seinem Skizzenbuch: „Auf dem Weg zu einem Kreis.“

Als Jobs seinem Sohn ein Bild der alten Kleeblatt-Struktur zeigte, wies ihn der Teenager darauf hin, dass sie aus der Luft wie ein Penis aussah

Walter Isaacson schreibt in seiner Jobs-Biografie, es habe noch einen weiteren Grund für das Umdenken des Apple-Gründers gegeben. Als Jobs seinem Sohn Reed ein Bild der Kleeblatt-Struktur zeigte, wies ihn der Teenager darauf hin, dass diese aus der Luft wie ein Penis aussah. Am nächsten Tag teilte Jobs die Beobachtung mit den Architekten. „Von nun an werdet ihr dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf bekommen“, warnte er sie (Foster und Behling sagen, dass sie sich daran nicht erinnern können). Bis Juni stand die Kreisform fest. Niemand beanspruchte die Idee für sich, allen schien irgendwie klar gewesen zu sein, dass es von Anfang an darauf hinauslief. „Steve gefiel die Idee sofort“, sagt Foster.

Im Herbst 2010 hört Whisenhunt, dass ein ehemaliger HP-Campus in Cupertino zur Verfügung stehe. Das etwa 400.000 Quadratmeter große Grundstück lag nur etwas nördlich von Apples neuem Standort. Außerdem hatte der Ort noch eine tiefere Bedeutung für Jobs. Als Teenager hatte er sich einen Sommerjob bei HP ergattert. Es war die Zeit als die Gründer – Jobs damalige Vorbilder – an dieser Stelle eine Reihe neuer Bürokomplexe für die Computer-Abteilung planten. Nun, da HP langsam schrumpfte, brauchte das Unternehmen die Fläche nicht mehr. Whisenhunt handelte einen Deal aus und das Projekt wuchs plötzlich auf über 700.000 Quadratmeter an.

Jobs bestand immer darauf, dass ein Großteil des Grundstücks mit Bäumen bepflanzt werden sollte. Er suchte und fand den perfekten Baumexperten, um seinen Traum zu verwirklichen. Er liebte die Pflanzen und Bäume auf dem Dish-Gelände und machte den verantwortlichen Arboristen ausfindig. David Muffly ist ein fröhlicher, bärtiger Typ mit einem Auftreten, das an Big Lebowski aus dem gleichnamigen Coen-Film erinnert. Als der Anruf kam, war er gerade im Garten eines Kunden in Menlo Park. Auch Muffly bemerkte das umfangreiche Wissen und den guten Geschmack des Apple-CEOs. „Er hatte einen besseren Sinn für Ästhetik als die meisten Arboristen“, sagt Muffly. „Er erkannte mit einem Blick, welche Bäume eine gute Struktur hatten.“ Jobs bestand darauf, dass sein Campus ausschließlich einheimische Bäume beherbergen sollte. Er wollte genau genommen vor allem Obstbäume anpflanzen, die auch auf den Plantagen standen, die er aus seinen Kindertagen in Nordkalifornien kannte.

Letztlich wird Apple fast 9000 Bäume pflanzen. Mufflys Auftrag ist es dabei, eine Landschaft zu gestalten, die zukunftssicher ist. Die Mini-Wälder und Felder sollen auch Dürren aushalten können und damit auch den Klimawandel überleben. (Als Teil der Umweltschutz-Bemühungen wird der Apple Park nur erneuerbare Energie nutzen. Dafür sorgen Solarzellen auf den Dächern). Jobs Ideen waren aber nicht nur ästhetischer Natur. Er selbst konnte am besten bei einem Spaziergang nachdenken, vor allem in der Natur. Er stellte sich vor, wie seine Mitarbeiter das dann ganz ähnlich tun würden. Das sei ein bisschen so, als arbeite man in einem Nationalpark, sagt Tim Cook, der Steve Jobs 2011 als CEO nachfolgte. „Wenn ich wirklich über etwas Schwieriges nachdenken will, gehe ich raus in die Natur. Und genau das können wir jetzt tun! Es wird sich überhaupt nicht mehr wie das Silicon Valley anfühlen.“

Cook erinnert sich an das letzte Mal, dass er mit seinem Chef und Freund über den Campus sprach. Es war im Herbst 2011, „tatsächlich das letzte Mal, dass ich mit ihm gesprochen habe. Am Freitag vor seinem Tod“, sagt Cook. „Wir haben den Film Gegen jede Regel geschaut. Mir gefiel er, aber ich war überrascht, dass auch er den Film mochte. Ich habe dann noch mit ihm über den Bau geredet, was ihm immer noch Kraft gab. Ich scherzte, dass wir uns die ganze Zeit Sorgen um alles Mögliche gemacht hätten, die größte Herausforderung aber dabei vergessen hätten.“

Die da wäre? „Zu entscheiden, welche Mitarbeiter im Hauptgebäude arbeiten dürfen“, sagt Cook – und welche in die externen Gebäude ziehen müssen. „Jobs lachte sehr.“

Alles, was Apple jetzt noch zu tun hatte, war den Ring zu bauen. 2012 war es dann soweit, der Vorstand bewilligte den Entwurf von Foster + Partners. Genau wie bei allen anderen Apple-Produkten gab es für Teile des Gebäudekomplexes Prototypen, die als Arbeitsmodelle auf dem Gelände aufgestellt wurden. Da gab es dann etwa einen Tunnel zu einem der noch bestehenden HP-Gebäude, bevor das dann abgerissen wurde. Außerdem konnte man schon Kaffee trinken in einer kleineren Version des Apple-Park-Cafés.

Ähnlich wie beim Umgang mit den Zulieferern für seine Produkte, verlangte Apple viel von den Vertragspartnern: Sie sollten Probleme lösen, deren Existenz sie sich zuvor gar nicht bewusst gewesen waren. Etwa ging es um die Frage, wie man die flächengrößte und dabei stärkste Glasscheibe der Welt herstellt. Extra-Herausforderung: Die Scheibe sollte gebogen sein.

„Steve war vernarrt in die Vorstellung einer riesigen Glasscheibe“, sagt Projektleiter Behling. Für seine Apple Stores hatte das Unternehmen über die Jahre gute Beziehungen zu einer deutschen Firma aufgebaut, dem Fassadenbauer Seele Gruppe. Seele hatte der Filiale auf der New Yorker 5th Avenue den charakteristischen überdimensionierten Glaskasten verpasst. Verglichen mit dem, was nun für den Ring umgesetzt wurde, wirkte diese weltweit bewunderte Glaskunst wie ein Sicherheitspoller vor einem Banktresen. Die Wände des neuen Apple-Komplexes bestehen aus 14 Meter hohen Sicherheitsglasscheiben. Seele besitzt die einzige Maschine der Welt, die solche Scheiben überhaupt herstellen kann – jedoch immer nur eine gleichzeitig. Und der gesamte Vorgang dauert 14 Stunden. Apple brauchte 800 Scheiben. Da Seele da schnell an Kapazitätsgrenzen stieß, baute die deutsche Firma zusammen mit einem Druckkesselhersteller einen weitaus größeren Glasofen, der fünf dieser riesigen Glasscheiben gleichzeitig fertigen konnte. Seele-Chef Nelli Diller sagt, der bisherige Glasofen sei bereits der größte der Glasindustrie gewesen, „aber dieser neue ist einfach gigantisch“.

Und das war nur der Anfang. Seele erhielt zudem den Auftrag, die Vordächer herzustellen, deren flossenartige Platten dem Ring seinen spacigen Charakter geben. Sie sind zum Markenzeichen des Gebäudes geworden, waren allerdings von Jobs zunächst gar nicht so vorgesehen. Doch im Laufe des Planungsprozesses freundete er sich mit der Idee an. „In Steves perfekter Welt hätte es erst gar keine Dachsegel gegeben“, sagt Behling. „Natürlich können wir ein komplettes Glashaus herstellen, aber bei diesem Klima hier müssen wir es beschatten.“ Foster + Partners und Ives Team wurden damit beauftragt, die Dachsegel zu entwerfen, Seele sollte dann herausfinden wie diese hergestellt werden, mit dem Auftrag, dass sie so weiß wie möglich sein sollten.

Eines der Probleme war, dass die Dachsegel ebenfalls aus Glas hergestellt werden sollten, allerdings reflektiert Glas immer etwas grünstichig, weil Glas aus Sand gemacht wird, der immer etwas Eisen enthält. „Selbst wenn man das beste Glas der Welt kauft, es bleibt immer grün“, sagt Behling. „Das hat uns verrückt gemacht.“

Allerdings: Wenn einer sich mit Weiß auskennt, dann ist es Ive. Man denke nur an den weißen Purismus des ersten iPods. Sein Design-Team schlug vor, die Rückseite der Dachsegel weiß zu streichen um so dem Grünstich entgegenzuwirken, dann sollten sie auf perforierte Metallbögen gespannt werden, die ihrerseits mit weißem Silikon überzogen sind. Das funktionierte, und es hat den Nebeneffekt, dass die Dachsegel nun so wirken, als leuchteten sie.

Jetzt musste nur noch geklärt werden, wie die Dachsegel auf Regen reagieren würden. „Man muss sich nur mal vorstellen, was passiert, wenn man ein Gebäude aus endlosem Glas entwirft, aber Schlieren vom Regenwasser alles dreckig machen, weil man das Design der Überdachung versemmelt hat“, sagt Ive und schüttelt sich. Um also sicherzustellen, dass das Wasser von den Dachsegeln abperlen würde, schauten sich die Designer bei Apple und Foster + Partners eine Studie der Universität Minnesota aus dem Jahr 1994 an – The Teapot Effect: Sheet-Forming Flows With Deflection, Wetting, and Hysteresis – in dieser ging es genau um die Frage, wie Dachsegel geformt sein müssen, um dem Regen zu trotzen.

Die größte Herausforderung für die Firma Seele war es, die gigantischen Glas-Schiebetüren des Cafés zu entwerfen – diese umspannen vom Boden bis zum Dach vier Stockwerke. Jeder der Türflügel ist ungefähr 25 mal 16 Meter groß. „Die einzigen Türen auf der Welt, die ich kenne, die so groß sind, gehören zu einem Flugzeug-Hangar“, sagt Diller.

Allein der Stahl, in den die Glasscheiben der Türen eingefasst sind, wiegt pro Flügeltür rund 165 Tonnen, die Glasscheiben jeweils rund drei Tonnen. Und dann sind da noch ein paar kleinere Komponenten, die allerdings auch noch mal je neun Tonnen hinzufügen. 177 Tonnen pro Tür also, die sich auch noch öffnen und schließen müssen – möglichst still und unauffällig, das ist schließlich ein Restaurant, sagt Diller. Er sah nur eine mögliche Lösung: den Schließapparat unter die Erde zu verlegen.

Die Teams von Apple und Foster + Partners mussten während der Planungs- und Bauzeit dutzende solcher Herausforderungen meistern, und bei jeder sagen sie im Nachhinein, dass sie in etwa entsprechend den Wünschen von Steve Jobs und auch in etwa im geplanten Kostenrahmen geschafft worden sei. 2012 sah es kurz einmal danach aus, als könnte das Budget überzogen werden. Aber dann wurde das Projekt laut Behling „auf Diät gesetzt“: Unter anderem wurden kostspielige Tiefgaragenstellplätze durch weniger teure Parkhäuser ersetzt. (Apple dementiert nicht, bestätigt aber auch nicht offiziell, wenn man den Preis von rund fünf Milliarden Dollar nennt, den der Apple Park gekostet haben soll). „Im Großen und Ganzen sind wir dem treu geblieben, was Steve Jobs zuletzt auf den Planungszeichnungen sah“, sagt Foster. „Natürlich würde er hier und da einige Ergänzungen finden, wenn er noch einmal zurückkommen könnte, aber ich bin sicher, dass er mit ihnen einverstanden wäre.“

Das Arkadien, von dem Steve Jobs immer sprach – oder ein Luxus-Alptraum, der außer Kontrolle geraten ist?

Jene Details, die nach Jobs' Tod hinzugefügt wurden, haben hauptsächlich Foster + Partners und Ives' Design-Team entworfen. Bis hin zu den Waschbecken und Armaturen ist alles maßgeschneidert. Für Ive ist es nicht Neues, sich vorstellen zu müssen, was Jobs wohl gewollt hätte. Gegen Ende des Lebens des Apple-Gründers habe es Phasen gegeben, „in denen er in die Entwicklung von Produkten involviert war und Phasen, in denen er gar nichts damit zu tun hatte“, sagt Ive. „Bei diesem Projekt war es leider auch so.“

Während unserer Campus-Tour zeigt mir Ive eine der überirdischen Parkgaragen. Sie begeistern ihn sichtlich. Abgerundete Ecken, sorgfältig modellierte Kurven – ähnlich denen eines Browser-Dialogfelds. Rohre, Kabel, alles ist gut verstaut in unsichtbaren Hohlräumen. Vom Material her sei das alles nicht das Teuerste, sagt Ive. Allerdings sei beim Umsetzen der Design-Ideen keine Mühe gescheut und nicht der „Weg des geringsten Widerstands“ gegangen worden, sagt Ive. Ähnlich stolz präsentiert er die Treppenhäuser des Rings. Die Treppen sind aus leichtem Beton gegossen, der sich farblich dem perfekten Weiß nähert, und die Geländer sehen so aus, als seien sie aus der Wand gehauen worden. „Man kann Handläufe natürlich irgendwo draufschrauben“, sagt der Designer, und es ist ihm anzumerken, dass er nicht zu denen gehören würde, die das tun. „Aber man kann eben auch eine Lösung finden, die etwas mit Design zu tun hat.“

Später erfahre ich, dass die Treppen im Notfall sogar als Feuerleitern dienen. Normalerweise setzt das die Existenz schwerer Brandtüren voraus. Aber Jobs hatte vorgeschlagen, sich ein Beispiel an Yachten zu nehmen, bei denen mit Wasser übergossenes Glas das Ausbreiten eines Feuers verhindert. Offensichtlich gab sich die Feuerwache von Santa Clara County damit zufrieden.

In einem der halbfertigen Büros bekomme ich eine Ahnung davon, wie Programmierer hier künftig arbeiten werden. Schon der Türgriff gibt die Stimmung vor: Es ist ein speziell designtes Gadget von Apple und Foster + Partners, das sich in die jeweilige Tür einfügt. Denn niemand würde natürlich (um Gottes Willen!) jemals etwas einfach nur anschrauben bei Apple. Die Klinken bestehen aus dem gleichen Aluminium, das auch für MacBook Pros genutzt wird.

Die Holzwände entsprechen dem, was Jobs einst beschrieb und bei den anwesenden Architekten damit Schnappatmung auslöste. Allerdings stammt das Holz letztlich doch nicht von im Januar gefällten Bäumen, aus Umweltschutzgründen besteht die Wandverkleidung aus recyceltem Holz. Die Schreibtische sind höhenverstellbar und haben ausreichend Geheimfächer für Kabel.

Jobs hasste Klimaanlagen und ganz besonders Ventilatoren. (Er versuchte auch, diese zumindest aus seinen Computern herauszuhalten.) Aber er wollte genauso wenig, dass Leute die Fenster aufmachen, deswegen entschied er sich für natürliche Ventilation, ein Gebäude, das atmet, genauso wie die Menschen, die darin arbeiten. „Die Klappen und Öffnungsmechanismen,“ erklärt Behling „richten sich danach, was Sensoren messen, aus welcher Richtung der Wind kommt, und wie die Luft durch den Ring strömt.“ Anders als bei versiegelten Gebäuden, in denen die Temperatur massiv kontrolliert wird, zirkuliert im Ring Luft von draußen.“ Eingelassen in den Beton von Decke und Boden halten Wasserrohre die Temperatur zwischen 20 und 25 Grad, sodass das Kühlungs- und Heizungssystem nur in Ausnahmefällen genutzt werden muss. (Theoretisch können Mitarbeiter ein Thermostat nutzen um die Temperatur anzupassen, aber nur um ein paar Grad.)

Später spreche ich über das Klima im Büro noch einmal mit Apples Umweltexpertin Lisa Jackson, die Einwände gegen die Apple-Methode zwar versteht – aber nur bis zu einem gewissen Punkt: „Es ist nicht so, dass wir von den Leuten verlangen, sich unwohl bei der Arbeit zu fühlen“, sagt sie. „Wir wollen lediglich, dass sie immer merken, dass sie in Verbindung mit der Außenwelt stehen. Sie sollen wissen, was für ein Wetter ist. Wir wollen nicht, dass man sich so fühlt, als wäre man in einem Casino.“ Mitarbeiter sollten etwas von dem Außen spüren. „Das war Steves ursprünglicher Plan, dass die Grenze zwischen innen und außen verschwimmt. Das erhellt die Sinne“, sagt Jackson.

Es ist schwer, sich nicht davon beeindrucken zu lassen. Und da rede ich noch nicht mal von dem Schrifttyp, den Apple für die Worte in den Aufzügen benutzt und auch nicht über die versteckten Rohre in den Badezimmerschränkchen. Und es ist schwierig, nicht immer wieder zur selben Frage zurückzukehren: Ist Apple Park das Arkadien, von dem Jobs bei seinen letzten öffentlichen Auftritten sprach – oder ein analfixierter Luxus-Alptraum, der außer Kontrolle geraten ist?

Apple beantwortet diese Frage mit dem Hinweis, dass die Perfektion des Gebäudekomplexes alle Mitarbeiter beim Erschaffen neuer Produkte inspirieren werde. Die Umgebung allein werde Ingenieure, Designer und sogar Café-Betreiber dazu motivieren, höhere Qualität und Innovation anzustreben. (Francesco Longoni vom Apple Park Café hat bereits viel Aufsehen erregt mit seiner patentierten Schachtel, die Pizza länger knusprig halten soll.) „Wir amortisieren das alles hier auf eigene Weise“, sagte Ive. „Wir schauen in die Zukunft und schaffen ein Erlebnis und eine Umgebung, die beide reflektieren, wer wir als Gesamtunternehmen eigentlich sind.“ Ive spricht vom Apple Park als „unsere Heimat. Alles, was wir künftig tun, wird hier seinen Anfang nehmen“.

Während der Apple Park langsam fertig wird, werden die Stimmen der Kritiker lauter. Was bei der Ästhetik anfing – der Architekturkritiker der Los Angeles Times nannte den Ring ein „rückwärtsgewandtes Kokon“ – mündete schließlich in sozialer und kultureller Kritik: Der Campus sei ein snobistisches Reservat, völlig gegenläufig zu den trendigen urbanen Standortgestaltungen anderer Tech-Unternehmen. (Amazon, Twitter und Airbnb sind Teil einer Bewegung, die Tech-Mitarbeiter in die Städte zu integrieren versucht, statt sie in Bussen mit WLAN-Empfang durch die Gegend zu karren oder sie in Benzin schluckenden Autos pendeln zu lassen.)

Auch dass das Layout des Rings zu starr sei, wurde bemängelt. Er ist so ganz anders als Googles geplantes Hauptquartier in Mountain View (das die Firma als eine Ansammlung leichter blockartiger Strukturen beschrieben hat, die einfach umhergeschoben werden können, wenn neue Projekte neue Kombinationen erfordern). Ein weiterer Vorwurf: Der Apple Park sei nicht geeignet, auf sich verändernde Bedürfnisse der Menschen einzugehen, die für das Unternehmen arbeiten. Es gibt zum Beispiel keine Kinderkrippe. Louise Mozingo, Dozentin an der Universität von Berkley für urbanes Design kritisiert: „Es ist ein überholtes Model, das die Arbeitsbedingungen der Zukunft nicht berücksichtigt.“

Scott Wyatt, Architekt der Firma NBBJ, die auch schon Gebäude für Google, Amazon und Tencent entworfen hat, sagt: „Es ist ein spektakuläreres Beispiel für formelles Design, aber steht im Gegensatz zu dem, was mit anderen Hauptquartieren der Tech-Industrie gerade passiert.“

Foster sieht das ganz anders. In dem hellen Café, das ein Modell ist für die größere Apple-Park-Version, wartet er nicht einmal die Frage ab, bevor er zur Verteidigung ansetzt. „Dieses Gebäude entstand aus der Leidenschaft von Steve Jobs“, sagt er. „Es ist eine sehr utopische Idee, ein so wunderschönes Objekt auf einer so luxuriösen Landschaft landen zu lassen und damit 12.000 Menschen Raum zu bieten. Ich sehe es als Teil meines Jobs an, auf Kritiker zu reagieren und sie schlicht zu fragen: Sind Sie verrückt geworden?“

Es mag sein, dass der Apple Park eine architektonische Tour de Force ist, aber Foster hat erfasst, worum es dabei wirklich geht: Er ist die Erfüllung des Wunsches eines sterbenden Mannes, der den Arbeitsort für das Unternehmen, das er gründete, für alle Ewigkeit gestalten wollte. Ja, Apple ist sich sicher, dass Mitarbeiter bessere Produkte entwickeln, wenn man sie an einem Ort arbeiten lässt, dessen künstliche Hügel mit Pinien bewachsen sind, die von Weihnachtsbaum-Farmen in der Mojave-Wüste geholt wurden. Aber war es nicht auch jemand von Apple, der Apple II in einem Schlafzimmer und den bahnbrechenden Macintosh in einem simplen Bürogebäude entwickelte? Die Mitarbeiter, die auf dem neuen Campus arbeiten, lassen die Orte hinter sich, die ausreichend Inspiration lieferten, um ein iPhone zu bauen.

Es trifft wahrscheinlich eher zu, dass der Apple Park das architektonische Avatar des Mannes ist, der ihn einst gedanklich entwarf. Derselbe Mann, der Mitarbeiter dazu brachte, einzigartige Produkte zu produzieren. Er ist nicht mehr da, aber er lässt ein Hauptquartier zurück, das gleichzeitig seine Autobiographie wie auch seine Werte verkörpert. Der Ausdruck, der immer fällt, wenn man mit Apple-Mitarbeitern spricht: „Steves Geschenk“. Jobs habe in den letzten Monaten seines Lebens viel Energie darauf verwendet, einen Arbeitsplatz zu schaffen, von dem die Mitarbeiter seines Unternehmens noch jahrhundertelang profitieren sollten. „Das war eine Entscheidung, wie sie nur einmal in 100 Jahren fällt“, sagt Cook. „Und Steve verbrachte die letzten Jahre seines Lebens damit sich hier einzubringen, selbst wenn er sich sichtbar schlecht fühlte.“

Rhetorisch fragt er, ob Apple nicht hier und dort etwas anders hätte machen können. Aber: „Das wäre nicht mehr Apple gewesen. Und es hätte nicht dieselbe Botschaft gesandt an alle, die hier arbeiten: dass es auf die Details ankommt, darauf, sich umeinander zu kümmern.“ Das ist es, was Jobs wollte – was er schon immer wollte. Und die derzeitigen Führungskräfte von Apple wollen ihn nicht enttäuschen. Apple Park ist immerhin Jobs' größter und definitiv letzter großer Produkt-Launch. „Ich verehre ihn“, sagt Cook. „Und das hier war eindeutig seine Vision, sein Konzept. Unser größtes Projekt überhaupt.“

Vergangenen Dezember trafen sich Cook, Ive und der PR-Chef von Apple, Steve Dowling, mit Laurene Powell Jobs, Steves Witwe. Zu dem Zeitpunkt gab es noch keinen Namen für den Campus. Eine Möglichkeit wäre es gewesen, den gesamten Campus nach dem verstorbenen CEO zu benennen. Aber das fühlte sich nicht richtig an. Intimer wäre es, das 1000 Plätze fassende Theater in der südöstlichen Ecke des Apple Park nach Jobs zu nennen. Nicht nur hatte Jobs viel darüber nachgedacht, wie dieser Saal aussehen könnte, sondern dort soll auch die Bühne stehen für Produkteinführungen wie die, die ihn so berühmt machten. „Es liegt auf einem Berg, einem der höchsten Punkte in dieser Region“, sagt Cook. „Es fühlte sich nach ihm an.“

Und so wird das Theater seinen Namen tragen. Aber jeder, der nach Steve Jobs’ Fingerabdrücken im Apple Park sucht, wird sie an anderer Stelle finden – in dem Schimmern der Kurven des Rings, in dem Rauschen der Bäume, und in den Tausenden anderen Details, die man sieht – und in denen, die fürs Auge unsichtbar sind.

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