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Die Fußball-EM kommt zu euch aus einem Holzverschlag

von GQ
24 Teams, 51 Partien, mehr als 40 Kameras pro Stadion und sehr viel preiswertes Holz: Die Kollegen von WIRED UK haben die EM-Sendezentrale der Uefa besucht, in der es um Fußball-Livebilder für Zuschauer in aller Welt geht und der Erfolg in Millisekunden gemessen wird.

Die Fußball-Europameisterschaft wird aus einem Gebäude am Stadtrand von Paris in alle Welt getragen: Das International Broadcast Centre (Internationales Sendezentrum) der Uefa ist ein Gebäude, dem man ansieht, dass es nicht für die Ewigkeit gemacht ist. Sendetechnik und Mitarbeiter sind zwischen Sperrholz- und Spanplatten-Wänden untergebracht.

Der provisorische Charakter sagt jedoch nichts aus über die Professionalität dessen, was dort passiert. Immerhin durchschnittlich 130 Millionen Menschen werden mit jedem EM-Spiel erreicht, am Ende des gesamten Wettbewerbs werden es rund zwei Milliarden Menschen gewesen sein, die Übertragungen der Spiele sahen – gesendet aus dem Komplex in Paris.

„Bisher ist nichts schiefgegangen“, sagt Patrice Roussel, der für die französische Telekommunikationsfirma Orange die Leitung der Euro-2016-Ausstrahlung übernommen hat. Und schiefgehen könnte so einiges. Denn die technische Infrastruktur hinter dem, was dann bei den Zuschauern als Bild ankommt, ist komplex. Die EM wird in zehn Stadien ausgetragen, von denen jedes mit 42 Kameras bestückt ist, deren Bilder von 40 Sendern und 240 Rechteinhabern verbreitet werden.

Erstmals werden acht Spiele sogar in 4K übertragen: Mit dabei das Auftaktspiel, die Viertelfinalpartien, die beiden Halbfinals und das Endspiel. Zu den 42 regulären Kameras kommen also noch je vier 4K-Geräte hinzu. Zum Vergleich: Die Uefa setzt normalerweise – bei Champions-League-Partien etwa – 15 Kameras pro Stadion ein.

„Alles, was aufgenommen wird, landet dann hier“, sagt Roussel beim Besuch von WIRED UK im Sendezentrum, und er zeigt dabei auf einen der provisorischen Räume, dessen eine Wand aus Glas besteht und den Blick freigibt auf schier endlose Kabelsträngte. Jedes der zehn EM-Stadien habe zwei direkte Kabelzugänge zum Sendezentrum, erklärt Roussel. 100 Gigabits pro Sekunde rauschen dann potenziell herein. Insgesamt ergebe das im gesamten Netzwerk zwei Terabit-Liveübertragung pro Sekunde, sagt Roussel.

Orange hat das Netzwerk errichtet und damit bereit vier Jahre vor der EM begonnen. Die Grundausstattung sei nicht die Herausforderung gewesen, sagt Roussell. Doch um je zwei direkte Verbindungen von jedem Stadion nach Paris zu etablieren, sei erhebliche zusätzliche Infrastruktur notwendig gewesen.

Wenn wir eine Verzögerung von nur 40 Millisekunden haben, merkt das die Uefa

Patrice Roussel, Leiter der Euro-2016-Ausstrahlung

„Wenn wir eine Verzögerung von nur 40 Millisekunden haben, merkt das die Uefa“, ist sich der Orange-Mitarbeiter sicher. Deshalb gebe es je zwei direkte Verbindungen pro Stadion: Der Feed wechsele mithilfe kleiner Buffer ständig zwischen beiden hin und her. Auch die Gefahr durchtrennter Kabel habe bedacht werden müssen: Von jedem Stadion führten die Kabel auf je sehr unterschiedlichen Routen zum Zentrum in Paris, erklärt Roussel. So wäre ein Weitersenden auch dann möglich, wenn eines der Kabel beschädigt würde. Worst-Case-Szenario: Trotzdem fallen beide Kabel aus. Dann hilft ein Satellit.

Im Internationalen Sendezentrum angekommen, werden die Daten dann der Uefa übergeben. Im Hauptkontrollraum sitzen deren Mitarbeiter vor 16 TV-Schirmen, die je noch einmal in zwölf einzelne Bilder unterteilt sind. Jeder Blickwinkel aufs Fußballspiel wird hier gezeigt. Aus diesen wählt der zuständige Uefa-Angestellte dann die Fernsehbilder, die die Zuschauer gezeigt bekommen. Richtlinien schreiben vor, wie viel von jedem Team zu sehen sein muss, wie oft Fans im Bild sein sollen und eine Menge weiterer Details.

Apropos Fans: Auch außerhalb der Stadien ist das Internationale Sendezentrum präsent. Aus den vielen Fanbereichen und den 24 Team-Camps übertragen Kameras zusätzlich Material an die Zentrale in Paris. Dort können die einzelnen Sender dann Material herunterladen.

Auch Virtual Reality spielt bei dieser EM eine Rolle: Ein kleines Team von Mitarbeitern des Sendezentrums ist mit Nokia OZO Kameras unterwegs, um Bilder einzufangen, die sich für eine 360-Grad-Version eignen. Dafür allerdings müssten Fernsehsender ihren Zuschauern ein VR-Paket anbieten, was noch Zukunftsmusik ist. Die VR-Teams proben deshalb derzeit quasi nur und sammeln Erfahrungen für einen möglichen Launch von VR-Übertragung etwa zum Champions-League-Finale 2017.

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Zurück zum Alltag zwischen Holzwänden: Die 40 Sender, die im International Broadcast Centre ihre vorübergehende Bleibe gefunden haben, haben sich ihre Provisorien zumeist farbenfroh mit Landesfahnen dekoriert und zeigen auch sonst deutlich, für wen sie senden: Während der Fußballspiele seien oft Anfeuerungsrufe, Torjubel und Wutschreie zu hören, sagt ein Uefa-Mitarbeiter.

Und wenn am 10. Juli dann feststeht, wer Europameister ist? Dann wird das ganze Zentrum spurlos verschwinden. Orange habe vier Tage Zeit, die Arbeit von vier Jahren optisch ungeschehen zu machen, erzählt Roussel. Es werde allerdings nicht alles komplett auseinandergenommen: Das große Studio der deutschen Sender werde nach Brasilien verfrachtet – um von den Olympischen Spielen berichten zu können.

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED UK

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