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Zukunft der Musik / Kelly Snooks Handschuhe bringen das Universum zum Klingen

von Juliane Schiemenz
Die ehemalige NASA-Wissenschaftlerin Kelly Snook entwickelt digitale Geräte, mit denen jeder Mensch ein Musiker sein kann. Und jeder Gegenstand, jede Pflanze, jedes physikalische System sein Instrument.

Kelly Snook war 19 Jahre lang Raumfahrt-Wissenschaftlerin bei der NASA. Heute ist sie Musikerin, Produzentin, Komponistin und Wearable-Technologie-Expertin in einem. Die promovierte Luft- und Raumfahrtingenieurin ist Expertin für Daten-Sonifikation, also die Darstellung von Daten in Form von Klängen. Wenn sie nicht gerade auf Blumen Geburtstagslieder spielt, entwickelt sie zusammen mit der Musikerin Imogen Heap die sogenannten Mi.mu Gloves weiter — Handschuhe, mit denen man per Zeichensprache Musik machen kann.

WIRED: Kelly, wie würdest du selbst beschreiben, was du machst?
Kelly Snook: Ich bin eine ehemalige Raumfahrt-Wissenschaftlerin, Musikerin und Musikproduzentin, ich bin Komponistin und Musiktechnologin. Ich habe 19 Jahre für die NASA gearbeitet und viel Zeit damit verbracht, darüber nachzudenken, wie man das Sonnensystem in einer virtuellen Weise erkunden kann, die hundert Prozent wissenschaftlich akkurat ist. 

WIRED: Deine Eltern sind Musiker, du selbst bist sehr musikalisch, und dann gehst du zur NASA?
Snook: Ich hatte Angst, dass es bei Berufsmusikern vor allem darum geht, Glück zu haben. Ich hatte ein sehr begrenztes Bild davon, was es bedeutet, Musiker zu sein. Ich wollte nicht, dass mit mir geschieht, was mit meinem Vater passiert ist: Er versuchte es und versuchte es und schaffte es nie. Ich war davon überzeugt, dass ich nicht so kämpfen kann. Ich wollte etwas tun, das mir einfacher schien.

Raketenwissenschaft erschien mir damals einfacher als Musik.

WIRED: Raketenwissenschaft schien dir also einfacher?
Snook: Ja! Dort ist völlig klar, was zu tun ist. In der Musik muss alles aus dir selbst kommen, aus Kreativität und einer gewissen Zuversicht heraus.

WIRED: Trotzdem bist du irgendwann wieder bei der Musik gelandet.
Snook: Ich kam zurück, weil ich merkte, dass es gar nicht darum geht, Glück zu haben. In Wirklichkeit geht es darum, zu tun, wozu du dich berufen fühlst. Denn es ist das, worin du am besten sein wirst. Es ist regelrecht deine Verantwortung, das zu tun, wozu du dich berufen fühlst.

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WIRED: Und wozu fühlst du dich berufen?
Snook: Das, wonach ich eigentlich suche, ist nicht besonders modern. Im Grunde bewegt mich, was die Menschheit schon seit vielen Jahrhunderten antreibt: Das Streben nach Wahrheit und Schönheit. Ich will durch Sonifikation, Verklanglichung, die verborgenen Wahrheiten entdecken, die in der Ordnung des Universums liegen. Ich möchte gern irgendwann an einen Punkt kommen, an dem ich etwas Neues lerne über Physik oder Mathematik — indem ich etwas höre, das noch nie jemand vor mir gehört hat.

Ich bin hinter dem Spirituellen in der Wissenschaft her.

WIRED: Was könnte das sein?
Snook: Es ist nicht sehr wissenschaftlich, das zu sagen, nicht wirklich cool: Dieser Klang, diese Resonanz wäre eine Art von Schönheit, die von etwas anderem kommt, eine Art göttliche Schönheit. Ich bin hinter dem Spirituellen in der Wissenschaft her, denke ich. Früher gehörten Wissenschaft und Spiritualität zusammen, dann wurden sie getrennt. Aber für mich gehören sie noch immer zusammen.

WIRED: Abseits von diesem philosophischen Ansatz —  du hast die so genannten Mi.mu-Handschuhe mitentwickelt, was können die?
Snook: Die Handschuhe können die Bewegungen, Beschleunigungen und die Ausrichtung einer Hand erfassen und den Bewegungsgrad jedes Fingers. Damit kannst du den Computer trainieren, spezifische Handstellungen und Bewegungskombinationen zu lernen. Mit dieser individuellen Zeichensprache kontrollierst du Musik oder visuelle Effekte oder sogar Roboter.

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WIRED: Du sprichst einerseits von der Suche nach dem Göttlichen in der Wissenschaft. Andererseits ist da die Musikindustrie, die mit Erfindungen wie den Handschuhen Geld verdienen will. Wie bringst du diese beiden Welten zusammen?
Snook: Wir kämpfen momentan mit diesem Problem in unserem Team, denn wir sind jetzt an einem Wendepunkt, an dem sich etwas radikal ändern könnte. Die Nachfrage nach den Handschuhen ist so riesig, dass wir sie nicht bewältigen können. Unsere Philosophie war von Anfang an, Open Source zu sein, wir haben nie die Monetarisierung geplant. Jetzt sind wir mit diesem riesigen Markt konfrontiert, mit Menschen, die nicht daran interessiert sind, ihre eigenen Handschuhe zu bauen oder zu hacken. Sie wollen sie einfach nur haben und benutzen.

Die Zukunft der Musik ist personalisiert, mobil und am Körper tragbar.

WIRED: Sind Geräte wie die Handschuhe die Zukunft der Musik?
Snook: Ich denke, dass Musik mehr und mehr individuell gesteuert werden wird. Es wird möglich, sein, jedes Instrument zu erschaffen, das man will und es auf der Bühne zu benutzen. Ich denke, dass die Zukunft der Musik personalisiert, mobil und am Körper tragbar sein wird.

WIRED: Glaubst du, eines Tages kann alles ein Instrument sein?
Snook: In meiner Vision gibt es eine klare Verbindung zwischen Musik, Physik und Mathematik. Es wird möglich sein, jede Art von System, jede beliebige Kombination von Daten in Klängen zu erkunden. Aber ich kann diese Art von Klang noch nicht definieren, denn ich habe sie noch nie gehört.

Wenn du ein System erforschst, spielst du es quasi wie ein Instrument.

WIRED: Gibt es weitere Projekte und Ideen in Deinem Kopf?
Snook: Die Hardware der Handschuhe ist sehr modular, jeder Sensor und jedes Gerät können angeschlossen werden. Wir sind sehr interessiert an der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen. Sie sollen Musizieren können mit den körperlichen Möglichkeiten, die sie haben. Man kann die Sensoren, wie sie in den Handschuhen stecken, auch an jedem anderen Körperteil anbringen. Wenn beispielsweise deine Hüfte der einzige Teil deines Körpers ist, der sich bewegen kann, kannst du die Sensoren dort einsetzen und Klänge erzeugen. Unser Team will erreichen, dass so viele Menschen wie möglich musizieren können.

WIRED: Jeder kann ein Musiker sein?
Snook: Sicher. Genau das ist es, was mich interessiert, nicht nur im Bezug auf die Handschuhe, sondern auf Verklanglichung generell: Wenn du ein System erkundest, dann spielst du es quasi wie ein Instrument, während du es erforschst. Jedes beliebige physikalische System kann ein Instrument sein. Man muss nur den Zugang zu diesen Systemen finden, dann kann man ihre schönsten und interessantesten Aspekte zum Klingen bringen.

Welche Sounds werden unsere Zukunft bestimmen? Wer wird sie für uns erschaffen? Und womit? Das erfahrt ihr den ganzen Februar lang in unserem Themen-Special „Zukunft der Musik“ auf WIRED.de.  

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