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Zukunft der Arbeit / Warum Pendeln gar nicht so schlimm ist

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Die tägliche Fahrt zur Arbeit empfinden viele als nervig, stressig, teuer und schlichtweg überflüssig. Doch wie ein australischer Wissenschaftler in einer Studie herausgefunden hat, ist das Pendeln vom Wohn- zum Arbeitsort nicht nur ein Negativfaktor, sondern tut uns mitunter sogar gut — weil wir unsere Zwangspausen oft kreativ ausnutzen und uns Zeit zum Nachdenken nehmen.

WIRED-Kolumnist Johnny Hauesler ist froh darüber, überall arbeiten zu können. Doch diesen Freelancer-Luxus genießt nicht jeder, die breite Masse muss täglich zur Arbeit anreisen. Dabei sind die wenigsten Menschen, die mit Auto, Fahrrad, Bus oder Bahn pendeln, davon sonderlich begeistert. Vor allem wenn Staus oder Baustellen das Vorankommen erschweren, liegen die Nerven der Pendler schnell blank. Der deutsche Journalist Claas Tatje beschreibt die negativen Auswirkungen des Phänomens eindringlich in seinem neuen Buch „Fahrtenbuch des Wahnsinns: Unterwegs in der Pendlerrepublik“.

Das Pendeln beeinflusst maßgeblich unser Verhältnis zu bestimmten Städten und anderen Menschen.

Dass die Fahrt zur Arbeit Stress auslöst und manchmal sogar gefährlich ist, hat auch der australische Sozialwissenschaftler David Bissell im Rahmen des Projekts CommutingLIFE herausgefunden. Allerdings auch, dass das Pendeln unser Verhältnis zu bestimmten Städten und anderen Menschen maßgeblich beeinflusst, unser Denken und Tun prägt und sogar positive Effekte für unser Leben haben kann.

Der Forscher begleitete zwei Wochen lang Menschen, die täglich bis zu sechs Stunden zur Arbeit reisen müssen. Außerdem befragte er 53 Pendler mit weiten Anfahrtswegen und Mitarbeiter von 26 Unternehmen mit reiseintensiven Jobs, etwa Journalisten oder Politiker.

Bissell interessierte vor allem, was die Interviewten während des Pendelns empfinden. Das Ergebnis überrascht stellenweise: Pendler erleben die Zwangspausen nämlich oftmals als „notwendige Übergangszeit zwischen Arbeit und Zuhause“ und nutzen sie erstaunlich kreativ und sinnvoll aus.

Pendler erleben die Zwangspause oft als notwendige Übergangszeit zwischen Arbeit und Zuhause, die sie kreativ und sinnvoll nutzen können.

David Bissell, Sozialwissenschaftler

Manche reflektieren beim Pendeln zum Beispiel ihr Leben und ihren Alltag, setzen sich mit Problemen auseinander und entwickeln Lösungsansätze dafür. Andere nehmen sich die Zeit, mal wieder einen guten Freund anzurufen, einen Podcast oder ein neues Musikalbum zu hören, bei einem Tagtraum neue Kraft zu tanken oder zu meditieren.

Interessanterweise machte es vielen der Pendler-Probanden offenbar regelrecht Spaß, sich heftig über ihre Reisestrapazen zu beklagen. Allerdings stellten sie dann schnell fest, dass das Lamentieren darüber letztendlich ihr Stressempfinden nur verlängerte — und Pendeln eigentlich gar nicht so schlimm, sondern einfach ein Teil ihres Lebens ist. 

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