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HELL/YEAH: Sollte man Fotos seiner Kinder ins Netz stellen?

von Caspar Clemens Mierau
Was bewegt uns? HELL/YEAH dokumentiert die hitzigste Debatte der Woche in der WIRED-Redaktion. Heute diskutieren unser Autor Caspar Clemens Mierau und die Bloggerin Patricia Cammarata die Frage: Kinderfotos im Netz, ja oder nein?

Patricia Cammarata sagt: Hell, no! Denn in fünfzehn Jahren blickt dann eine ganze Generation auf eine ungefragt fotodokumentierte Kindheit zurück!

Ich sitze mit einer Freundin im Café. Sie pikt mit einer Gabel in ein Tortenstück und für einen Moment sieht sie aus wie aus einer Werbebroschüre ausgeschnitten. Alles passt: die Einrichtung des Cafés, ihr Kleid, ihre Frisur. Eigentlich würde ich gerne ein Foto machen und es instagramen. Mache ich aber nicht. Zumindest nicht ungefragt.

Ich gehe davon aus, dass so die meisten handeln würden. Von einem anderen Erwachsenen würde man nie ungefragt ein Bild ins Internet stellen, wenn man ihn eindeutig wiedererkennen kann. Interessant ist: Bei den eigenen Kindern handhaben es viele anders. Das Kind sieht niedlich aus! Foto gemacht! Und in sozialen Netzwerken geteilt! Das gibt viele Likes, denn Kinderfotos sind auf Plattformen wie Instagram — ähnlich wie Essensfotos — extrem beliebt.

Ich treffe die Entscheidung, meine Kinder nicht öffentlich im Netz zu zeigen.

Das Posten von Kinderfotos dient aus meiner Sicht vor allem der eigenen Selbstdarstellung. Selbst wenn das Kind nicht das Hauptmotiv ist (und man Eltern meistens unterstellt, sie würden dieses Foto vor allem teilen, weil sie stolz auf ihr Kind sind): Die Bilder sind nicht so leicht aus dem Netz zu entfernen. Und für mich zählt nun einmal die Frage, wie sich das Kind in Zukunft damit fühlen wird. Und das weiß eben niemand.

Ich persönlich treffe also die konservative Entscheidung, meine Kinder nicht wiedererkennbar und öffentlich im Netz zu zeigen. Denn ich möchte ihnen die Wahl lassen, ob sie sich damit wohl fühlen oder nicht, wenn sie selbst entscheiden und sich eine Meinung dazu bilden können.

Caspar Clemens Mierau sagt: Hell, yeah! Denn wir dürfen Kinder nicht länger aus dem Netz aussperren, als würden sie nicht zu unserem Leben gehören.

Circa jede achte Person in Deutschland ist ein Kind bis 14 Jahre. Das sind um die zehn Millionen Menschen. Mal überlegt, wo die eigentlich alle sind? Seht mal aus dem Fenster. Wenn da nicht gerade ein Spielplatz oder eine Schule ist, werdet ihr kaum Glück haben, welche zu sehen. Warum? Weil wir Kinder aus unserem Alltag verbannt haben. Und in den Medien sieht es nicht anders aus: Kaum Kinder in Filmen, Serien und Computerspielen. Auch online weht ein harter Wind: Wer es wagt, Fotos vom Alltag mit Kindern zu posten, wird belehrt, als hätte man sich gerade öffentlich gegen eine Masernimpfung entschieden.

Wir redigieren die Kindheit aus unserer Gesellschaft.

Schlecht sind immer jene, die Fotos von Kindern posten. Keim Thema sind aber die, die sich darüber lustig machen. Statt gesellschaftlich daran zu arbeiten, sich nicht mehr für Fotos schämen zu müssen, redigieren wir weiterhin die Kindheit aus unserer Öffentlichkeit. Na gut, ein Foto von einem Kind mit Torte im Gesicht darf schon mal sein, ist ja lustig!

Andere nutzen Bilder, um gesellschaftlich voranzukommen. Unter dem Hashtag #609060 zeigen „normale“ Menschen Fotos von sich. Dick, dünn, groß, klein, alt, jung und verschiedenste Hautfarben. So sehen Menschen aus. Kindern verwehren wir diese Normalität. Wir wollen sie so sehr beschützen, dass wir sie vor uns verstecken. Und dann wundern wir uns, wenn Kinder in der Öffentlichkeit als Fremdkörper wahrgenommen werden.

Müssen Eltern Fotos ihrer Kinder posten? Nein! Aber sie können. Und vor allem sollten sie mit ihren Kindern reden. Kinder sollten ernstgenommen werden und mitentscheiden, wo ihre Fotos zu sehen sind. Wir sollten die junge Generation nicht unterschätzen und ihr helfen, ein Gespür für das Netz zu entwickeln. 

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