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So hätte WIRED.de in den Achtzigern ausgesehen: Videokünstler Jo Luijten im Interview

von Liske Jaax
Wie hätten Facebook, Instagram, Angry Birds oder die WIRED-Website in den Achtzigern oder Neunzigern ausgesehen? Diese Frage hat sich der holländische Künstler Jo Luijten gestellt und sie auch gleich beantwortet: mit Videos in 8-Bit-Optik, die millionenfach auf YouTube geklickt werden. Im Interview mit WIRED Germany erklärt Luijten, woher sein Hang zur Nostalgie kommt und welche Technik er in zwanzig Jahren parodieren wird.

Jo Luijten ist Künstler, Comedian, Bastler – und Nostalgiker. Seine Werke: knapp dreiminütige Videos voller Pixel und Retro-Computersounds, die eine fiktive Welt darstellen, in der Twitter, Wikipedia und Google schon in den Achtziger- oder Neunzigerjahren erfunden wurden. Mit den Anfängen der Computer-Technologie aufzuwachsen, habe sein Vorstellungsvermögen nachhaltig geprägt, sagt Luijten. Ginge es nach ihm, hätte die Website von WIRED Germany sich zum Beispiel 1985 mit der Technologie von K.I.T.T. in „KnightRider“ beschäftigt und das neue „Derrick“-Computerspiel getestet.

WIRED: Wie kommt man auf die Idee, sich Facebook und Co. In den Achtzigern vorzustellen?
Jo Luijten: Ich bin ein großer Fan von der BBC-Comedy „Look around you“, die TV-Shows für Kinder und Bildungsfernsehen aus den Siebzigern und Achtzigern parodiert. Etwas in dem Stil wollte ich auch machen. Dann stieß ich auf alte Folgen von „Wondere Wereld“, einer beliebten holländischen Show aus den Achtzigern, die damals Neues aus der Technik-Welt präsentierte. Das wollte ich parodieren! Der Gedanke, eine nicht fiktionale Welt in der Vergangenheit zu erschaffen, faszinierte mich.

WIRED: Bist du ein Nostalgiker?
Luijten: Ja, ich mag das Gefühl, das man mit alten Dingen verbindet. Ich bin 1978 geboren und mit Technologie aufgewachsen. Das hat mein Vorstellungsvermögen sehr geprägt, glaube ich. Wenn in Computerspielen eine pixeliges Kästchen mit drei Kreisen auf meinen Helden zukam, sah ich keine Pixel mehr, sondern ein dreiäugiges Monster aus Plutonium. Ende der Achtziger habe ich dann mein erstes eigenes Spiel entwickelt. Mein Vater hat mich dazu inspiriert, er war Entwickler. Unser Haus steckte voll verrückter elektrischer Dinge, etwa ein Briefkasten, der einen Sound abspielte, wenn die Post kam.

WIRED: Du bezeichnest dich als Künstler — steht auch eine Botschaft hinter deinen Videos?
Luijten: Ich will meine Zuschauer vor allem unterhalten, aber manchmal steckt auch ein tieferer Sinn hinter einem Film. In meiner Facebook-Parodie erkläre ich soziale Netzwerke aus der Sicht der frühen Neunziger zum Beispiel mit dem Satz: „That writing on a wall doesn't refer to a real wall, but a virtual wall.“ Ich hoffe, so ein Satz regt die Zuschauer zum Nachdenken an. Vielleicht merken sie dadurch, dass sich nicht nur die Technologie verändert hat, sondern auch die Leute selbst und wie sie sprechen.

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WIRED: Welche Programme benutzt du zum Erstellen deiner Videos?
Luijten: Die beste Möglichkeit, um Videos im Stil der Achtziger und Neunziger zu machen, ist, auch die Software aus dieser Zeit zu benutzen. Die Grafiken und Sounds erstelle ich mit einer alten MS-DOS-Software und spiele sie in der DOSBOX aus. Manchmal ist so ein Video sehr schnell fertig — meine Angry Birds-Version habe ich mit Paint gebaut und dafür nicht mal eine Stunde gebraucht. Fürs Bearbeiten benutze ich dann Windows oder auch meinen Mac. Die Frauenstimme, die in einigen Videos erklärt, spricht meine Frau ein. Sie kommt aus den USA und ist Schauspielerin und Comedian — lustigerweise habe ich sie über Facebook kennengelernt.

Einige Leute finden meine Videos verstörend. Sie merken, wie sehr sich ihre Welt verändert hat und fühlen sich plötzlich alt.

Jo Luijten, Video-Künstler

WIRED: Was ist dein persönliches Lieblingsvideo?
Luijten: Meine Hommage an Bob Ross, „The Joy of ASCII“. Es ist ein Cartoon, gezeichnet im Text-Modus mit ASCII-Buchstaben. Das war das erste Mal, dass ich selbst die Stimme im Video gesprochen habe. Für mich als Holländer war es total schwer, in sauberem Englisch zu sprechen. Aber ich habe es einigermaßen geschafft, darauf bin ich stolz.

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WIRED: Verdienst du in irgendeiner Weise Geld mit deinen Videos?
Luijten: Nein, nicht wirklich. Aber ich bastele gerade an einem Videoclip für den holländischen Musiker Alan Lauris. Nachdem ich kürzlich von den Niederlanden in die USA gezogen bin, suche ich jetzt einen neuen Job als Web Editor. Und nebenbei trete ich neuerdings als Stand-Up-Comedian auf.

WIRED: Wie sind die Redaktionen auf deine Videos?
Luijten: Ich bekomme viele positive Reaktionen, aber es gibt auch kritische Stimmen. Vor allem, wenn ich Elemente benutze, die nicht richtig in die Achtziger oder Neunziger passen oder die Ladezeiten nicht so endlos lang sind, wie sie damals waren. Aber im Ernst: wenn ich ein 40-Minuten-Video machen würde, nur um die Ladezeiten korrekt wiederzugeben — damit würde ich eher Fans verlieren, als dazugewinnen. Manchmal kommentieren Leute auch, dass sie die Videos verstörend finden, weil ihnen dadurch bewusst wird, wie sehr sich unsere Technik verändert hat. Viele fühlen sich sehr alt, nachdem sie die Videos gesehen haben. Einige wünschen sich auch, die Programme aus meinen Videos wirklich benutzen zu können. Ich habe schon darüber nachgedacht, etwas davon zu programmieren — vielleicht mache ich das bald. Einer meiner Fans hat sich bereits an einer funktionierenden Version von meinem Google-Video versucht.

Ich würde gern Science-Fiction-Serien im Text-Modus animieren.

Jo Luijten

WIRED: Was ist dein nächstes Projekt?
Luijten: Ich werde meine Videos demnächst vielleicht auf Reddit hochladen. Außerdem würde ich sehr gerne Science-Fiction-Serien im Text-Modus animieren.

WIRED: Was glaubst du, welche Dinge wirst du in zwanzig Jahren parodieren?
Luijten: Erst einmal hoffe ich, dass ich bis dahin ein neues Hobby gefunden habe. Falls nicht: Ganz oben auf der Liste stehen der Hype um 3D-Filme, Autotuning-Songs und Smartphone-Watches, die ein Smartphone und Batterien brauchen, die alle paar Stunden aufgeladen werden müssen. 

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