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Wie fünf Studenten einen 2500-Euro-Körperscanner für Outfittery bauten

von Timo Brücken
Beim Wort Kinect denkt man eigentlich zuerst an die Xbox, an wildes Gezappel vor dem Fernseher und bunte Spielfiguren, die einen auf dem Bildschirm nachahmen. Aber man kann den Bewegungssensor der Micosoft-Konsole auch dazu nutzen, jemanden einzukleiden – mit Klamotten, die wirklich passen. Fünf Studenten der Ludwig-Maximilians-Universität und der Technischen Universität München haben mithilfe des Moduls einen Körperscanner gebaut, der einen Menschen komplett vermessen kann — in 3D und mit einfachsten Mitteln.

„Wir haben nur Sachen verwendet, die man auch als ganz normaler Verbraucher kaufen kann“, sagt Jonathan Kienzle, Informatikstudent an der TU. Massenware also, die man in jedem Bau- und Elektromarkt bekommt: Holz, Schrauben, Farbe, ein Fahrradschlauch, der Unterteller eines Blumentopfs, ein Magnet, ein kleiner Elektromotor, ein Touchscreen, ein Arduino-Minicomputer, ein handelsüblicher PC – und eben zwei Kinects von Microsoft. Kostenpunkt: nicht mehr als 2500 Euro.

Wir haben nur Sachen verwendet, die man auch als ganz normaler Verbraucher kaufen kann.

Jonathan Kienzle, Informatikstudent an der TU München

Die Idee für den DIY-Scanner stammt Julia Bösch. Sie hat 2012 zusammen mit Anna Katharina Alex und Tobias Nendel Outfittery gegründet, einen Onlineshop, bei dem sich Männer individuell zusammengestellte Kleidungspakete zuschicken lassen können. „Die meisten Männern wissen nicht mal die Kragenweite, wenn es um ihre Maße geht“, klagt Bösch. „Dabei ist Fit eines Kleidungsstücks doch das allerwichtigste, wenn man wirklich gut gekleidet sein will.“ Ein Problem, das selbst spezialisierten Shops wie Outfittery eine Menge Retouren beschert, und das Kienzle und seine Kommilitonen lösen sollten. Im Rahmen des Center for Digital Technology & Management, einem Programm von TU und LMU, bei dem Studenten ihre Ideen möglichst schnell zu markttauglichen Prototypen machen sollen. Bösch und Nendel haben es selbst durchlaufen.

Die meisten Männern wissen nicht mal die Kragenweite, wenn es um ihre Körpermaße geht.

Julia Bösch, Outfittery-Gründerin

„Als ich das Konzept der Studenten zum ersten Mal gesehen habe, war ich echt baff“, erzählt die Outfittery-Gründerin. Der „MännerScanner“, wie sie den großen weißen Kasten getauft haben, kann in nur wenigen Sekunden ein 3D-Modell einer Person erstellen: Der Nutzer stellt sich – Oberkörper frei – auf den Drehteller in der Kabine und startet den Scanvorgang auf dem Touchscreen. Der Elektromotor dreht ihn um 360 Grad, damit die Kinects ihn von allen Seiten abtasten können. Der Fahrradschlauch zwischen Antrieb und Drehscheibe sorgt für ein sanftes Anfahren und Abstoppen. Nur einen Augenblick später erscheint das Modell auf dem Bildschirm. An ihm können die Outfittery-Stylisten alle Körpermaße von der  Taille über die Armlänge bis zum Bizepsumfang ablesen – ohne jemals ein Maßband an die echte Person gelegt zu haben.

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Was vordergründig einfach klingt, hatte im Hintergrund einige Tücken. „Ein Problem war es, dass die Scheibe sich um genau 360 Grad drehen muss und nicht einfach weiterlaufen darf“, sagt Kienzle. Die Studenten lösten es mit einem Magneten am Drehteller und einem passenden Sensor am Arduino, der den Motor steuert. Kommt der Magnet nach einer Runde wieder am Sensor vor vorbei, stoppt der Minicomputer die Drehung. Kienzle programmierte außerdem eine Software, die das 3D-Modell herunterrechnet, direkt nach dem Scan ist es nämlich noch viel zu detailliert. „Die Datenmenge ist zu groß, um etwa mit einem herkömmlichen Notebook effizient verarbeitet werden zu können. Außerdem gibt es anfangs noch viele Lücken. Zum Beispiel ist ganz oben am Kopf, wo die Kinect nicht so gut hinkommt, oft ein Loch.“ Kienzles Programm glättet solche Unebenheiten.

Julia Bösch plant, den Scanner in Serie gehen zu lassen, damit sich Outfittery-Kunden überall spielend leicht vermessen lassen und die Maße einfach bei der nächste Bestellung angeben können. Der Prototyp geht aber zuerst einmal auf Europatour, als erstes nach Amsterdam und in die Schweiz. Irgendwann könnten die weißen Kabinen dann zum Beispiel an Flughäfen stehen, sagt Jonathan Kienzle. „Da haben die Leute oft lange Wartezeiten und werden vielleicht neugierig, was das für ein Kasten ist.“ Und ans Scannen sind sie dort auch längst gewöhnt. 

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