Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Huckepack ans Ziel: Kommen Drohnen bald per Bus?

von Karsten Lemm
Verstopfung wird für viele Großstädte zum Dauerproblem: Die Rushhour dauert 24 Stunden am Tag, und wenn auf den Straßen nichts mehr geht, kommen auch Waren nicht ans Ziel. Drohnen könnten über das Chaos hinwegfliegen — doch je mehr sie tragen sollen, um so mehr Energie verbrauchen sie auf ihrem Weg von A nach B. Teuer und unpraktisch. Was aber, wenn die Drohnen zwischendurch auf den Dächern von Bussen landen könnten, um Huckepack mitzufahren — ein Stück weit hier, ein Stück weit da?

„In Städten wie Manila kann es eine ganze Woche dauern, bis ein Paket seinen Weg vom Vertriebszentrum bis zum Empfänger findet“, sagt Maxim Nohroudi, Chef und Mitgründer des Berliner Startups Ally, das sich auf das Crowdsourcing von Bewegungsmustern im öffentlichen Nahverkehr spezialisiert. In Zusammenarbeit mit einem großen Onlinehändler tüftelt die Firma deshalb laut Nohroudi an dem neuartigen Konzept, in verstopften Megacities Drohnen für die Lieferung einzusetzen und die Miniflieger effizienter zu machen, indem sie geschickt die Verkehrsströme auf der Straße nutzen. „Das mag sich nach Science-Fiction anhören – aber ich garantiere euch, so etwas wird in drei bis fünf Jahren Wirklichkeit sein“, erklärte der Ally-Chef seinen Zuhörern am Mittwoch bei einem Vortrag auf dem „Tech Open Air“ in Berlin.

Wo halten sich die Menschen gerade auf, während sie das Smartphone in der Hand halten?

Vorbedingung für die Idee sind Echtzeitdaten über die aktuelle Verkehrslage und die Fahrtwege der Busse. Diese Informationen gewinnt Ally aus der vieltausendfachen Nutzung seiner Mobilapp: Jedesmal, wenn jemand in München, Madrid oder Mexico City das Smartphone danach befragt, ob Bus, Tram, U-Bahn oder Carsharing am schnellsten zum Ziel führen, kann die Firma daraus wichtige Erkenntnisse ableiten: Wo ist wann die Nachfrage am stärksten, wer will wohin, welches Verkehsmittel wird am intensivsten genutzt — und wo halten sich die Menschen gerade auf, während sie das Smartphone in der Hand halten?

Dass sich aus dieser Art von Crowdsourcing wertvolle Einblicke gewinnen lassen, hat Waze gezeigt: Der populäre Routenplaner lebt davon, dass Nutzer aktiv der App melden, was auf den Straßen los ist – oder dass sie zumindest ihre Position auswerten lassen, um Stauwarnungen in Echtzeit zu ermöglichen. Fast eine Milliarde Dollar legte Google vor zwei Jahren auf den Tisch, um das israelische Startup zu übernehmen.

Städte wie Mexiko sind auf Verkehrsanalyse angewiesen, um nicht am Wachstum zu ersticken.

Ally-Chef Nohroudi sieht Bedarf für seine Technologie vorwiegend in den schnell wachsenden Ballungszentren Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. „In 80 Prozent der Städte gibt es keine Daten zur Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs“, sagt der 36-Jährige. „Wir machen das jetzt sichtbar.“ Die Erkenntnisse erlaubten es Stadtplanern, künftig präziser auf die Bedürfnisse der Menschen einzustellen. „Wir können zeigen, wie sich Routen verbessern lassen“, erklärt Nohroudi im Gespräch mit WIRED. „Die City-Planer freuen sich wie Schneekönige, dass sie jetzt besser verstehen, wie die Menschen leben.“ Städte wie Mexico City mit seinen 20 Millionen Einwohnern seien angewiesen auf solch neue Arten, Verkehrsströme zu analysieren, um nicht am eigenen Wachstum zu ersticken: „Diese Städte stehen am Rande des Kollapses. Sie suchen händeringend nach Möglichkeiten, Erleichterung zu schaffen.“

Schon jetzt leben weltweit mehr als vier Milliarden Menschen in städtischen Ballungsgebieten – 1950 waren es noch 746 Millionen. Die Vereinten Nationen erwarten, dass der Trend sich weiter verstärkt: Bis 2045 soll die Zahl der Stadtbewohner auf über sechs Milliarden Menschen wachsen, und schon für 2030 erwarten UN-Forscher mehr als 40 Megacities mit jeweils über zehn Millionen Einwohnern, an der Spitze Tokio mit 38 Millionen und Delhi mit 25 Millionen Menschen.

Viel früher schon, spekuliert Nohroudi, werden Datenauswertung und neue Transportmethoden die Mobilität in solchen Riesenstädten grundlegend verändern. „Wir werden komplett neue Geschäftsmodelle sehen“, sagt der Ally-Mitgründer voraus. So wie die Drohnen, die womöglich bald auf Busdächern mitreisen. „Busbetreiber könnten sich eine neue Einnahmequelle erschließen, und die Straßen würden entlastet“, argumentiert Nohroudi. Natürlich gebe es noch eine Reihe von offenen Fragen – etwa: Wie geht man damit um, dass Menschen in Städten wie Manila oder Delhi bisher oft auf den Dächern der Busse mitreisen? Kein automatischer Landeplatz für Drohnen also. Aber solche Probleme ließen sich lösen, glaubt Nohroudi. Schon deshalb, weil dem, der eine Lösung findet, eine große Belohnung winke: „Derjenige, der versteht, wie man das schlau steuert, wird einen enormen Wettbewerbsvorteil haben.“

Wir streamen das Tech Open Air übrigens live.

GQ Empfiehlt
Warum ein Berliner Künstler weltweit Mauern mit Lego repariert

Warum ein Berliner Künstler weltweit Mauern mit Lego repariert

von Benedikt Plass-Fleßenkämper