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Warum wir endlich wieder Privates auf Facebook posten sollten

von bento
Simon verkauft sein Headset. Georg interessiert sich für „Tanzen Open Air“. Eine bahnbrechende neue Studie, gepostet von Sarah. Dazwischen lustige Sprüche auf Unternehmensseiten, die man teilen soll. Facebook ist schon lange kein Tagebuch mehr – und das muss sich wieder ändern, kommentiert Bianca Xenia Mayer von bento.

Während man 2009 eine belanglose Statusmeldung aus dem Bus postete („Mir ist laaaangweilig“), versucht man heute vor allem durch das Teilen von Artikeln raushängen zu lassen, wie gebildet man ist („Das Ende der modernen türkischen Republik?“), wie politisch man sich artikulieren („Mit den humanistischen Werten leider unvereinbar“) und dadurch am Diskurs („Die Dagegen-Pose der AfD ist verlockend“) teilnehmen kann.

Meine Generation ist mit dem Internet aufgewachsen, hat also Schritt für Schritt gelernt, wie man mit sozialen Medien umgeht. Wie man sich möglichst likeable ausdrückt, präsentiert und fotografiert. Dabei ist sicherlich auch das eine oder andere betrunkene Selfie entstanden, das man heute besser verbirgt. Auf Partys wurde jeder noch so unbedeutende Moment mehrfach festgehalten, als ob diese Nächte nie wieder kommen würden.

Irgendwann kamen sie dann tatsächlich nicht wieder: Die schräg von oben fotografierten Pärchen-Profilfotos sind längst analogen Modefotografien gewichen, die uns in einem professionellen Licht erstrahlen lassen sollen. Für Freunde, aber auch für potentielle Arbeitgeber.

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Wer sich da noch belanglose Postings traut, die sich mit dem schlichten, menschlichen Dasein befassen, wird schnell belächelt. Schließlich zeigen wir mit unseren Postings, wer wir sind oder wer wir sein wollen. Die Beiträge, die wir teilen, gelten als Gradmesser unseres Geschmacks.

Foodpics? So 2012. Outfitfotos? Lass mal lieber. Urlaub am Strand mit dem Liebsten? Kann die mal aufhören, anzugeben? Wir verwandeln uns, wie schon Fredi Ferkova auf Vice sehr richtig beschreibt, „in Mini-Medien, die nicht mehr einfach nur Dinge aus ihrem Privatleben posten wollen“.

Betrunkene Meldungen, Kussfotos, öffentliche Liebesbekundungen – das haben wir uns abtrainiert

Lässt man die Profilfotos außen vor, haben heute die wenigsten privaten Profile Wiedererkennungswert. Man erfährt im besten Fall dank der automatisierten Anzeige, wo die Person am Wochenende feiern geht. Alles andere – betrunkene Meldungen, Kussfotos, öffentliche Liebesbekundungen – haben wir uns abtrainiert.

Abtrainieren lassen: Von denen, die es scheinbar besser wussten. Von den intellektuellen Sitznachbarn im Politik-LK, die sich über den Web 2.0 Narzissmus lustig machten. Gefühle, das weiß mittlerweile jeder, gehören nicht auf Facebook.

Facebook ist zur aalglatten Werbeplattform geworden, die verzweifelt versucht, zur Abwechslung auch mal wieder Palmenfotos in den ansonsten nachrichtendominierten Feed zu integrieren. Laut den neuesten Zahlen haben Facebook-Nutzer 2015 sogar 15 Prozent weniger Fotos, Status-Meldungen und Notizen geteilt als im Jahr zuvor. Genau aus diesem Grund hatte Facebook nicht zuletzt das „vor rund einem Jahr“-Feature eingeführt, das an redseligere Zeiten erinnert.

Es scheint alles gesagt zu sein auf Facebook. „Nach jedem Urlaub ein dreistelliges Foto-Album? Fühlt sich stark nach Nullerjahren an“, schreibt Nils Jacobsen auf Meedia. Die privaten Inhalte sind nicht verschwunden, sondern verlagert worden. Sie werden auf Instagram oder WhatsApp geteilt (kein Wunder, dass Facebook beide Firmen aufgekauft hat).

Welche Rolle bleibt für Facebook? Entwickelt sich die Seite weiter in Richtung eines digitalen Kiosks inklusive Xing und LinkedIn? In Richtung Workbook?

Lasst uns aus den vermeintlichen Fehlern der digitalen Pubertät lernen, ohne uns maßregeln zu lassen

Was aus Facebook wird, liegt auch in unseren Händen. Die meisten von uns klicken häufig auf das weiß-blaue Rechteck, um „nur mal kurz zu gucken“. Und finden: wenig Menschliches. Dabei gab es eine Zeit, in der wir uns zerbrechlicher, echter, angreifbarer gezeigt haben. Eine Zeit, in der das eigene Online-Leben nicht nach PR aussah.

Es war freier – und zumindest ein bisschen weniger kommerziell. Nur weil Facebook es so will, müssen wir bei der profitsteigernden Strategie des Unternehmens noch lange nicht mitmachen. Es geht auch anders: Mit Anekdoten aus dem Leben, wie es Stefanie Sargnagel vormacht. Lasst uns aus den vermeintlichen Fehlern der digitalen Pubertät lernen, ohne uns in der Darstellung unserer Leben maßregeln zu lassen. Ein bisschen Wohnzimmer, zwischen Sponsored Posts und Katzenbabys – es muss ja nicht gleich eine Liveübertragung der eigenen Hochzeit sein.

Was ist schon dabei?

Dieser Artikel ist zuerst bei bento erschienen. Das Original findet ihr hier

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