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Diese Strategie steckt hinter Facebooks neuen Chatbots

von Max Biederbeck
Facebook will, dass wir mit Robotern quatschen. Wie Microsoft und andere forscht der Social-Media-Konzern am nächsten großen Hype-Thema: Chatbots, die selbstständig mit uns kommunizieren und Smartphone-Apps weitgehend überflüssig machen sollen. WIRED erklärt, welche Strategie dahinter steckt.

Was passiert?
Am Dienstag hat Facebook auf der Entwicklerkonferenz F8 seine neue Plattform für Chatbots im Messenger vorgestellt (alle Neuankündigungen findet ihr hier). Unter anderem will das Unternehmen Benutzeroberflächen anbieten, mit denen Entwickler solche Bots selbst programmieren können. Das Ziel: Möglichst bald sollen intelligente Programme jeglicher Couleur im Messenger zu finden sein. Denn geht es nach den großen Internet-Unternehmen, übernehmen bald Bots unseren Smartphone-Alltag.

Auch Microsoft hat im März ähnliche Pläne für Skype angekündigt. Bekannte Messenger wie Telegram, WeChat und Slack arbeiten längst an ihren eigenen Stores für Chatbots. Beta-Tester können die kleinen Dienstleister bereits testen. Kurzum: Da läuft gerade ein riesiger Hype um eine neue Software – und dahinter steckt vor allem bei Facebook eine lang geplante Strategie.

Was sind Chatbots?
Viele von uns haben schon Erfahrung mit einem Chatbot gesammelt – Siri. Wir stellen eine Frage und der iPhone-Assistent... nun ja, versucht sich zumindest an einer Antwort. Die neue Bot-Generation soll besser funktionieren, wir kommunizieren im Messenger in Textform direkt mit ihr. Die Programme können selbst Nachrichten schreiben, lesen und automatisch bestimmte Aufgaben erledigen: die News für uns checken, Meetings organisieren und mit uns absprechen, Essen bestellen und uns bei der Auswahl des Gerichts beraten. Ganz als würden wir mit einem anderen Menschen chatten – das ist auch der Hintergedanke.

Die Bots benutzen Algorithmen und Künstliche Intelligenz, können also nicht nur auf einen User reagieren, sondern auch initiativ in seinem Sinne handeln. Bei Twitter gibt es sie schon länger, jetzt sollen sie gezielt im Service-Bereich zum Einsatz kommen. Der Bot @HotOrBot im Beta-Store von Telegram etwa schickt einem regelmäßig neue passende Dates zu, ähnlich wie Tinder. Der @ImageBot hingegen schickt einem passende Bilder, wenn man ihn mit Schlüsselwörtern anschreibt.

Ganz nett, aber warum der Hype?
Viele in der Tech-Branche sehen hinter Facebooks Ankündigung, im großen Stil Bots für seinen Messenger zu entwickeln, den Beginn einer ganz neuen Software-Industrie. Der Economist schätzt den Markt schon als Multi-Milliarden-Dollar Geschäft ein. Wo Facebook hingeht, da gehen auch die anderen Unternehmen hin. Immerhin bringt der Konzern 900 Millionen Messenger-User mit.

Die Hoffnungen sind groß. Vor acht Jahren startete Apple mit seinem AppStore eine ähnliche Entwicklung – seit Steve Jobs damals die Bühne betrat, haben User rund 100 Milliarden Apps runtergeladen, es entstand ein um die 40 Milliarden Dollar schwerer Markt. Doch schon lange vermuten Experten eine Stagnation dieser Entwicklung.

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Es wird bei der stetig größer werdenen Anzahl von Apps immer schwerer, den Überblick zu behalten. Sie brauchen Speicherplatz, müssen einzeln heruntergeladen werden und User müssen auf ihren Devices aufwändig zwischen ihnen hin und her wechseln. Die meisten von uns nutzen deshalb nur wenige Apps wirklich regelmäßig. Ein Viertel aller Anwendung wird nach nur einer Nutzung wieder gelöscht und einige wenige Anbieter beherrschen einen Großteil des Markts. Und genau deswegen, so glaubt die Industrie, könnten Bots bald die Apps ablösen. Intuitiv sollen die Kunden die neuen Programme mit minimalem Aufwand nutzen können. Sie müssen den Messenger dazu kein einziges Mal verlassen.

Was ist die Strategie dahinter?
„Früher gingen Menschen dahin, wo die Technologie war. Heute ist es umgekehrt“, erklärt Karol Severin gegenüber WIRED. Er ist Mobile Content Analyst bei der Beratungsfirma MIDiA Research.

Facebook, ist er sicher, habe früh erkannt, dass sein soziales Netzwerk irgendwann ausgesorgt haben wird. Deshalb habe das Unternehmen „in einem hochintelligenten Schachzug“ Messenger und Netzwerk voneinander getrennt und 2014 WhatsApp gekauft – die Manager des Konzerns erkannten, wo die Entwicklung hingeht und setzten ihr Geld auf den neuen, wachsenden Markt.

Mittlerweile haben 2,5 Milliarde Menschen mindestens eine Messaging-App installiert. Unternehmen wie Facebook wollen die Dienste deswegen zu einem eigenen Ökosystem weiterentwickeln. Die ersten Versuche dazu gab es schon auf der F8 Conference im vergangenen Jahr, als erste Apps nur für den Messenger vorgestellt wurden. Und für dieses Ökosystem entwickelt Facebook jetzt weiter, so dass User gar nicht mehr woanders hin müssen.

„Die Bots im Messenger stören den klassischen App-Markt“, sagt Severin. Bisher waren Apps separate Einheiten, „fragmentierte Gebiete für Konsumenten“. Marken und Unternehmen haben aber ein Interesse daran, Kunden möglichst zentral an einem Ort zu wissen, um sie optimal einschätzen zu können (Stichwort Targeting). Deswegen der Hype: Die großen Unternehmen, allen voran Facebook, wollen unsere Messenger-Fixiertheit ausnutzen und bedienen User deshalb vor Ort. Die neuen Chatbots, sie werten die Messenger ungemein auf.

Aber das ist nur ein Aspekt. Facebook stößt mit seinem Ökosystem auch zum ersten Mal in einen Markt vor, den bislang Apple mit dem AppStore und Google mit dem Play Store beherrschen. „Wenn wir im Messenger Bots und Apps herunterladen, mischt Zuckerberg zum ersten Mal in der Distributions-Ökonomie mit“, erklärt Severin mit Blick auf den Facebook-Gründer. „Das Unternehmen erschafft sozusagen seinen eigenen App-Store 2.0“ — wird also selbst zum Anbieter.

Wie geht es weiter?
Werden Chatbots also den App-Markt überrollen, gar ablösen? „Viele Menschen hören die Wörter Bot und KI und glauben an eine Revolution“, sagt Severin. „Aber dem ist nicht so.“ Erstens wird es noch Jahre dauern, bis die neue Technologie beim User angekommen ist, und zweitens wird sie auch dann nur in bestimmten Bereichen sinnvoll sein. „Für direkte Anfragen, auf die der Bot antworten kann, ist er optimal“, so Severin. Für kompliziertere Aufgaben sei die Technik aber noch nicht weit genug entwickelt. „Wir können schon eine einfache Schachpartie im Facebook Messenger spielen, aber eben noch kein GTA.“

Dennoch, der Weg ist eingeschlagen und mit der Zeit werden Chatbots den App-Markt weiterentwickeln. Sie sind einfacher zu installieren, erlauben es, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, ohne ein Chatfenster schließen zu müssen. Entwickler können sie einfach und günstig entwickeln und die Interaktion mit ihnen ist einfach, eben als würde ein Mensch antworten.

Vor allem aber werden wir mehr über das Thema hören, weil Facebook nicht mehr locker lassen wird. 

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von WIRED Staff