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Warum es für die Börse gefährlich sein kann, wenn Computer soziale Netzwerke auswerten

von Moritz Geier
Eine „Doppelexplosion im Weißen Haus“ sollte US-Präsident Barack Obama verletzt haben. Dieser falsche Tweet — verschickt von einem gehackten Account der Associated Press — brachte 2013 die Finanzmärkte ins Schleudern. Ein Forscher hat den sogenannten Hack Crash analysiert. Seine Warnung: Verwechselt die sozialen Medien nicht mit der Wirklichkeit.

Es ging alles ganz schnell: Der New Yorker Aktienindex Dow Jones fiel um 143 Punkte, der Kursindex Standard & Poor's verlor mehr als 136 Milliarden Dollar seines Werts. Und innerhalb weniger Sekunden brach in der Finanzwelt Panik aus als im April 2013 eine Nachricht der Associated Press (AP) auf Twitter tausendfach geteilt wurde: Zwei Explosionen hätte es im Weißen Haus gegeben, stand darin, und Barack Obama sei verletzt.

Als sich kurz darauf herausstellte, dass Hacker den Twitter-Account der AP gekapert und die Falschmeldung verbreitet hatten, beruhigten sich die Märkte wieder, genauso schnell wie sie in Wallung geraten waren. Doch den Medienwissenschaftler Tero Karppi beschäftigt der sogenannte Hack Crash von damals bis heute. Im Fachjournal Theory, Culture and Society warnen er und sein Team nun vor der engen algorithmischen Verzahnung zwischen Finanzmarkt und sozialen Medien.

Die Kollision von Twitter und Wall Street zeigt, welche große Rolle soziale Medien bei Entscheidungen spielen.

„Wir müssen lernen zu verstehen, wie sich Dinge online verbreiten und wie die Infrastruktur des Internets dafür aufgebaut ist“, sagt Karppi, der als Assistenzprofessor an der University of Buffalo forscht. In seinen Augen zeigt die Kollision von Twitter und Wall Street vor allem, was für eine große Rolle soziale Medien bei privaten und öffentlichen Entscheidungen spielen.

Karppi widerspricht Experten, die nach dem Crash von 2013 von einem Systemfehler sprachen. Vielmehr veranschauliche der Vorfall, wie planmäßig und verlässlich Algorithmen funktionieren. Dass der Hack Crash auf der Reaktion von Computern beruht, konnte man an der Geschwindigkeit des Kursverfalls erkennen. Verantwortlich waren also Algorithmen, die Internetinhalte analysieren und beurteilen, welche Vorgänge die Märkte beeinflussen könnten.

Der tausendfach geteilte Obama-Post veranlasste die Algorithmen zu einer panischen Handelsorgie.

Die Computer waren schneller als der menschliche Verstand. Der tausendfach geteilte Obama-Post veranlasste die Algorithmen zu einer panischen Handelsorgie. Innerhalb von Sekunden wurden Tausende von Geschäften und Verkäufen abgewickelt. Aber warum haben Twitter und Co. einen solchen Einfluss?

„Die sozialen Medien sind immer noch ein relativ neues Forschungsfeld“, sagt Karppi. Wie viel Aufmerksamkeit ihnen der Finanzsektor tatsächlich widmet — aber auch die Sicherheitsindustrie und öffentliche Institutionen — hätten er und sein Team erst vor Kurzem erkannt. Der Forscher kritisiert eine weit verbreitete „neo-positivistische Überzeugung, dass soziale Medien unsere Realität repräsentieren“.

Daten müssten immer kritisch hinterfragt werden, sagt er. Aus diesem Grund warnen die Forscher in ihrem Artikel davor, den Algorithmen bei der Analyse von sozialen Medien zu viel Macht einzuräumen. 

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