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Das „World Hobbit Project“ ist eine Riesen-Studie über Hobbits und den „Herrn der Ringe“

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Am 23. April erscheint „Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere“ auf Blu-ray und DVD. Sicher kein Ladenhüter, doch die Verkäufe könnten hinter den Erwartungen zurückbleiben. Woran das liegt, haben Forscher aus 46 Ländern in einer offenen Studie festgestellt, die noch bis Mitte Mai läuft. Durch Befragungen wollen sie herausfinden, wie Fans die „Hobbit“-Filme im Gegensatz zum „Herrn der Ringe“ sehen — und wie beide Triologien die Bedeutung von Fantasy für die Gesellschaft verändert haben. Auch Wissenschaftler aus Hamburg sind dabei.

Als 2001 der erste Film zu J. R. R. Tolkiens legendärer Romantrilogie in die Kinos kommt, sind sich Kritiker und Zuschauer einig: Dem neuseeländischen Regisseur, Produzenten und Drehbuchautor Peter Jackson ist ein Meisterwerk, gar eine Revolution des Fantasy-Filmgenres gelungen. „Der Herr der Ringe: Die Gefährten“ und die beiden Nachfolgefilme „Die Zwei Türme“ (2002) und „Die Rückkehr des Königs“ (2003) gewannen dann auch völlig zu Recht insgesamt 17 Oscars, die wichtigste Auszeichnung der Filmindustrie.

Die ersten Filme wurden gefeiert , der „Hobbit“ jedoch eher als fragwürdig wahrgenommen.

Lars Schmeink, Hans-Bredow-Institut für Medienforschung

So eine beachtliche Anzahl an Oscars  wird Jackson für seine drei „Der Hobbit“-Filme jedoch nicht mehr bekommen. Zwar wurden diese von den Kritikern insgesamt wohlwollend aufgenommen, die Reaktionen waren allerdings deutlich verhaltener als noch bei „Der Herr der Ringe“. Warum das so ist, untersucht noch bis Mitte Mai eine Gruppe von Wissenschaftlern aus 46 Ländern: In der offenen Studie „The World Hobbit Project“ haben sie bislang mehr als 33.000 Teilnehmer weltweit zu den „Hobbit“-Filmen befragt.

Lars Schmeink, Filmwissenschaftler am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung der Universität Hamburg, betreut mit seinem Team die deutschen Forschungsergebnisse. Im Gespräch mit WIRED Germany fasst er sie so zusammen: „Generell haben wir festgestellt, dass die Resonanz des Publikums sich im Gegensatz zu ‚Herr der Ringe‘ doch maßgeblich verändert hat. Während die ersten Filme noch gefeiert wurden, wird der Hobbit eher als fragwürdig wahrgenommen. Vor allem die Länge und die Technologie, aber auch die Darstellungstreue der Filme werden kritisiert.“

Mich interessiert, welchen Stellenwert Fantasy im Leben der Menschen hat und welche Funktion sie erfüllt.

Lars Schmeink, Hans-Bredow-Institut für Medienforschung

Schmeink erklärt, dass sich die Hamburger Forscher nicht nur „die rein quantitative Auswertung“ anschauen, sondern vor allem an den „qualitativen Antworten“ interessiert seien. „Es geht uns um die offenen Fragen, in denen die Zuschauer selbst bewerten, was ihnen die Filme bedeuten, warum Sie gerade diese Filme gesehen haben. Mich persönlich interessiert, welchen Stellenwert die Fantasy im Leben der Menschen hat und welche Funktion sie erfüllt.“

Zusätzlich zu den Auswertungen der Fragebögen, die aufgrund der schieren Menge an Daten noch dauern wird, analysiert das Hamburger Forscherteam auch das Umfeld der Filme als zusätzliche Quelle. „In weiteren Schritten schauen wir uns Foren oder Facebook-Diskussionen an und wollen zusätzliche qualitative Interviews führen — eben auch mit Menschen, die wir über das Internet und die Online-Befragung nicht erreichen können“, erklärt Schmeink. „Je größer und variabler der Datensatz, desto besser können wir Fantasy als Kulturprodukt analysieren.“

In Deutschland wurde Fantasy lange als Kinderunterhaltung stigmatisiert.

Lars Schmeink, Hans-Bredow-Institut für Medienforschung

Für den Filmwissenschaftler ist die Frage nach der Funktion von Fantasy deshalb so spannend, „weil in Deutschland für sehr, sehr lange Zeit Vorurteile darüber die Rezeption beeinflusst haben“. Noch in den Achtzigerjahren und selbst den Neunzigern sei das Genre „mit dem Stigma des Eskapismus und vor allem der Bewertung als ‚Kinderunterhaltung‘ belegt gewesen“, sagt Schmeink. Das zeige etwa die frühere Sendepolitik im Fernsehen, durch die Fantasy ins Kinderprogramm gesteckt wurde. Heute sei ein jedoch Wandel zu verzeichnen; Fantasy werde auch hierzulande zunehmend von Erwachsenen angenommen – so, wie es in Japan, den USA oder Großbritannien schon  länger der Fall sei.

„Game of Thrones“ etwa würde niemand mehr als Kinderunterhaltung oder puren Eskapismus bezeichnen, sagt Schmeink. „Diesen Wandel hat unter anderem auch der ‚Herr der Ringe‘ angestoßen.“ Auch abseits der Filme zu den Tolkien-Romanen sei ein Wandel der Funktion von Fantasy abzulesen. „Die Zuschauerbreite und die Akzeptanz der Fantasy als Genre hat sich gesamtgesellschaftlich verändert.“

Es gebe allerdings gerade in Hinsicht auf die „intellektuelle beziehungsweise kulturbestimmende Meinung“ noch Vorurteile, zum Beispiel in den Feuilletons oder den Universitäten. Eine Studie wie das „World Hobbit Project“ könne helfen, Akzeptanz für die Populärkultur zu schaffen, glaubt Schmeink.

Besonders spannend an der Studie sei auch, dass sie in mehr als 46 Ländern gleichzeitig durchgeführt werde. „Wir können daher erstmals ablesen, wie ein und dasselbe Kulturprodukt in den unterschiedlichsten nationalen Kulturen wahrgenommen wird“, sagt Schmeink. „Für uns ist die Frage aufregend, wie ausgerechnet ein Kinderbuch aus Großbritannien, das noch dazu 1937 geschrieben wurde, zu einem derart globalen Medienphänomen im Jahr 2014 werden konnte.“

Beim ‚Hobbit‘ hatte die Techologie scheinbar oft Einfluss auf filmische Entscheidungen.

Lars Schmeink, Hans-Bredow-Institut für Medienforschung

Der Filmforscher selbst beurteilt die „Hobbit“-Verfilmungen ähnlich wie viele Fantasy-Fans: „Ich sehe die Probleme, die sich mit dem Stoff ergeben. Für mich ist die Ausweitung des schmalen ‚Hobbit‘-Bandes auf drei abendfüllende Filme einfach nicht sinnvoll. So ergeben sich – im Gegensatz zum ‚Herrn der Ringe‘ – Längen im Film, die nicht notwendig gewesen wären.“ Deswegen findet Schmeink den Trend zum Remix durch Fans spannend. „Es gibt ja mittlerweile einige Varianten, die die drei Teile auf einen Film von drei bis vier Stunden Länge reduzieren.“

Auch die neue Technologie, die in den „Hobbit“-Streifen zum Einsatz kommt, findet er problematisch. „Ich habe nicht das Gefühl, dass die Filme durch 3D und HFR gewinnen, sondern eher, dass die Technologie einigen Einfluss auf filmische Entscheidungen hatte.“ Heutzutage seien Technologien oft die dominante Komponente von Filmen, sie würden die Auswahl von Actionszenen oder auch die Kameraführung beeinflussen, damit bestmögliche Effekte erzielt werden könnten. „Als Filmwissenschaftler stört mich diese Tendenz, da die Technologien nicht Grund genug sind, einen Film zu sehen.“

Doch Schmeink findet auch lobende Worte für Peter Jacksons Filme. Casting und Charakterzeichnung seien zum Beispiel „extrem gelungen“, die Leistungen von Martin Freeman als Bilbo Beutlin und Richard Armitage als Zwergenkönig Thorin Eichenschild seien schlicht „grandios“. Und Benedict Cumberbatch, der mittels Performance Capture den Drachen Smaug verkörpert, liefere „gewohnt hohes Niveau“.

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Hier könnt ihr noch bis Mitte Mai selbst an der Studie teilnehmen. 

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