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Neues vom Admin / Drei Tage mit der Apple Watch = Liebe

von Armin Hempel
Gewappnet mit der festen Absicht, sie eine Woche später wieder zu verkaufen, habe ich mir ein Herz gefasst und für ein kleines Programmierprojekt eine Apple Watch gekauft. Jetzt will ich sie nicht mehr ablegen. Und zu eBay kommt sie schon gar nicht!

Wenn man als Berliner eine Apple Watch erwerben will, kann das sehr schnell gehen. Vom ausgesprochen angenehmen Fachpersonal wurden mir in einer Boutique, in die ich unter normalen Umständen keinen Fuß setzen würde, die verschiedenen Modelle präsentiert und nur wenige Minuten später hielt ich die ansonsten immer noch recht schwer erhältliche Smartwatch aus Cupertino in meinen Händen. Unangenehm stieß mir beim Verkaufsgespräch nur das viel zu dick aufgetragene Lob à la „Dieses Modell steht Ihnen aber ausgesprochen gut!“ auf. Denn im Endeffekt gibt es ja keine wirklich große Auswahl. Die verschiedenen Ausführungen der für meinen Geschmack etwas zu klobig geratenen Smartwatch unterscheiden sich nur marginal in Farbe und Material.

Bis zu diesem Zeitpunkt war ich überzeugt, dass so gut wie niemand eine Smartwatch braucht.

Nach dem Öffnen der gewohnt hochwertigen, aber etwas zu pompösen Verpackung und dem Bewundern des eleganten Armband-Magnetmechanismus folgt die Einrichtung: Die Apple Watch wird über eine bereits auf dem iPhone vorinstallierte App mit diesem gekoppelt und alle iPhone-Apps, die schon mit der Apple Watch kompatibel sind, werden automatisch installiert. Der Prozess dauert etwa zehn Minuten, danach ist die Uhr einsatzbereit. Kaum hatte ich sie — zugegeben: etwas misstrauisch — angelegt, setzte ein Prozess ein, der sich nur als „freundliche Übernahme“ bezeichnen lässt.

Bis zu diesem Zeitpunkt war ich absolut überzeugt davon, dass so gut wie kein Mensch eine Smartwatch braucht. Ich war mir sicher, dass es vollkommen unsinnig ist, sich Mails, Nachrichten, Fotos oder Notifications auf dem viel zu kleinen Display einer Armbanduhr anzeigen zu lassen. Und, sonnenklar: Das Mit-einer-Uhr-Telefonieren würde sich in kurzer Zeit als bestenfalls albern entpuppen — David Hasselhoff ist in dieser Beziehung fest im kulturellen Gedächtnis meiner Generation verwurzelt. Ich war mir sicher, dass der Akku nach spätestens acht Stunden zu Neige gehen würde. Und ganz bestimmt: Sobald meine geplante App fertig wäre, würde ich die Uhr bei eBay einstellen.

Sind die Hände mit Tippen oder Autofahren beschäftigt, spielt sie ihre Stärken aus.

Doch dann gingen die ersten Anrufe ein. Sind die Hände mit Tippen oder Autofahren beschäftigt, spielt die Apple Watch ihre Stärken aus: perfekte Lautstärke, durchaus angenehmer Klang, keine Aussetzer. Klar, für die U-Bahn ist das natürlich nichts und mit einer fest eingebauten Freisprechanlage kann sie klanglich auch nicht konkurrieren, aber Telefonieren im Auto und Telefongespräche am Computer, bei denen die Hände an die Tastatur gefesselt sind, sind deutlich bequemer geworden.

An Tag zwei war dann das App-Projekt dran. Frisch geladen malträtierten wir die Apple Watch etwa zehn Stunden lang in einer Intensität, die im Alltagsgebrauch unmöglich zu erreichen ist. Doch: Sie hat durchgehalten, sieben Prozent Akku waren am Ende des Tages noch übrig. Nach einem normalen Tag (drei Smartwatch-Telefonate, etwa 30 Notifications und eine Stunde Einstellungen und Funktionstests) steht der Akku bei 60 Prozent, knapp zwei Tage Laufzeit sollten also eigentlich drin sein. Auch, wenn man sich abends um die Stromversorgung eines weiteren Gerätes kümmern muss und die Optik des induktionsbasierten Ladegerätes ein wenig an ein Stethoskop erinnert: Der tägliche Ladevorgang ist unaufdringlich und wird schnell zur Selbstverständlichkeit.

Danach habe ich Klavier gespielt, was die Uhr erfreulicherweise als Workout interpretierte.

Am dritten Tag traute ich mich dann, mit der offiziell nur spritzwassergeschützten Smartwatch ausgiebig zu duschen. Kein Problem, selbst ein kurzes Telefonat unter der Dusche war möglich. Danach habe ich eine halbe Stunde Klavier gespielt, was die Apple Watch erfreulicherweise als Workout interpretierte — das Fitness-Programm war damit also auch erledigt. Viele Kurznachrichten, Facebook- und Twitter-Notifications prägten den restlichen Tag. Für diese hole ich normalerweise mein iPhone aus der Hosentasche und unterbreche dadurch unbeabsichtigt auch immer mal wieder ein Gespräch, ein in der Offline-Welt sehr oft als unsozial und störend empfundenes Verhalten.

Smartwatches versprechen hier Besserung, und tatsächlich: Durch das angenehme und geräuschlose Klopfen der Taptic Engine aufs Handgelenk ist der Empfang und das Lesen von Benachrichtigungen deutlich diskreter geworden. Zum Antworten muss ich dann aber — je nach Dringlichkeit — doch das Mobiltelefon hervorkramen, denn auch, wenn die Spracheingabe dank Siri besser denn je funktioniert: Es gibt kaum etwas Peinlicheres, als in der Öffentlichkeit eine SMS in die Armbanduhr zu diktieren.

Ich bin mir recht sicher, dass das Morsen so bald nicht wieder in Mode kommt.

Die viel beworbenen Gimmicks, die die Apple Watch mitbringt, zum Beispiel das direkte Übertragen des eigenen Herzschlags, von Klopfzeichen oder Scribbles an das Handgelenk des Empfängers, konnten mich allerdings nicht überzeugen. Ich bin mir dann doch recht sicher, dass das Morsen so bald nicht wieder in Mode kommt. Und das Zeichnen auf dem kleinen Display muss ich wohl auch noch ein bisschen üben. Meine ersten Versuche waren weder vorzeigbar noch verständlich, sondern einfach nur wirres Gekrakel.

Dennoch: Die Apple Watch macht Spaß, und das nicht wegen, sondern trotz ihres Aussehens. Das etwas wuchtige Design ist dabei klar der in Smartphone-Maßstäben großzügigen Akkulaufzeit geschuldet. Die Uhr fühlt sich gut an, ist dabei robust und de facto wasserdicht, obwohl man sie besser nicht als Taucheruhr verwenden sollte. Nach einigen Tagen wurde sie für mich zur liebgewonnenen Begleiterin. Dabei ist sie nicht nur selbst recht unauffällig (ich bin bisher nur dreimal darauf angesprochen worden, ehrlich), sondern macht vor allem die Interaktion mit sozialen Medien weniger aufdringlich und damit alltagstauglicher. Dafür ein dickes Plus.

Allgemein gilt aber: Es handelt sich um die erste Generation eines Produktes, das wahrscheinlich noch viele Verbesserungen vor sich hat. Wer jetzt also immer noch warten kann, der sollte das auch tun. Ich für meinen Teil behalte sie allerdings an.

In der letzten Folge „Neues vom Admin“ dachte Armin Hempel über den Plan der DHL nach, Pakete direkt in den Kofferaum zu liefern — und war nicht begeistert. 

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