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Eine junge Frau weiß, wie man Online-Hänseleien verhindern könnte

von Johanna Wendel
Trisha Prabhu ist gerade einmal 15 Jahre alt und hat ihre eigene Anti-Cyberbullying-App entwickelt und komplett selbst programmiert. Sie war unter den weltweiten Finalisten des Google Science Fair, durfte ihre App im weißen Hauses vorstellen und bekam ihren eigenen TED-Talk. Wie einfach und dennoch effektiv ihre App ReThink ist, erzählte sie WIRED im Interview. 

Die Hemmschwelle liegt in Chatgesprächen tiefer als im persönlichen Miteinander. Vor allem junge Digital Natives bauen sich in sozialen Netzwerken gerne ein zweites Ich auf, das sich von dem aus Fleisch und Blut unterscheidet. Mutiger, schöner und wahrscheinlich auch etwas gemeiner. Die Konsequenzen übertragen sich dennoch in die reale Welt und verursachen durch Cyberbullying auch reale Schäden bei den Opfern. Trisha Prabhu nahm sich nach einem erschütternden Zeitungsartikel der Sache an und entschloss mit 13 Jahren an der App ReThink zu arbeiten und Cyberbullying ein Ende zu setzen. 

WIRED: Wie bist du auf ReThink gekommen?
Trisha Prabhu: Das war vor ca. zwei Jahren, ich kam von der Schule nach Hause und sah in der Zeitung den Bericht über ein 11-jähriges Mädchen, das vom Wasserturm ihrer Heimatstadt sprang, nachdem sie über lange Zeit das Opfer von Cyberbullying war. Es war ein Schock für mich und machte mich sehr sauer. Wie kann ein Mädchen, das noch so jung ist, sogar jünger als ich, dazu getrieben werden, sich das Leben zu nehmen? So was durfte einfach nicht passieren und ich wollte etwas dagegen tun.  

WIRED: Und ReThink ist das richtige Instrument?
Prabhu: ReThink soll die Hänseleien stoppen, bevor sie überhaupt passieren. Wenn jemand eine beleidigende Nachricht schreiben will, fragt die App oder das Browser Add-On, ob die Person sich sicher ist, diese Nachricht abzuschicken. ReThink sagt dann: „Diese Nachricht könnte jemand anderen verletzten. Bist du sicher, dass du diese Nachricht abschicken willst?“ Und es funktioniert unglaublich gut: 93 Prozent der Jugendlichen überdenken das Verschicken der Nachricht und ziehen sie zurück. Die App sucht nach einer Vielzahl an Schlüsselwörtern, die eine Beleidigung beinhalten könnten und löst daraufhin die ReThink-Meldung aus. Sie kann ihm Google PlayStore und bei ITunes kostenlos heruntergeladen werden. Bisher sind wir bei ein paar tausend Downloads angekommen.

WIRED: Musstest du denn selbst auch Erfahrungen mit Internet-Hänseleien machen?
Prabhu: Ich war vor einigen Jahren auch ein Opfer von Cyberbullying. Mir wurden Beleidigungen über meine Kleiderauswahl geschickt, aber ich habe nun mal ein dickes Fell und habe es ignoriert. Nachdem ich aber die Nachricht über das Mädchen gesehen habe, wurde mir erst klar, dass sich einige Jugendliche solche Beleidigungen sehr zu Herzen nehmen und es sie verletzt. Besonders schlimm ist es dann natürlich, dass es die Bullies auf bestimmte Jugendliche abgesehen haben und sie sich gezielt immer wieder als Opfer aussuchen.

WIRED: Mir fällt es irgendwie schwer zu glauben, dass das so viele Jugendliche betrifft...
Prabhu: Mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung sind Jugendliche und mit der Revolution der Sozialen Medien sind auch mehr Kinder online. Die Wahrscheinlichkeit ist einfach höher, dass sie gehänselt werden. Über 50 Prozent der Jugendlichen machen diese Erfahrung oder werden Zeuge davon. Viele von ihnen leiden anschließend an Depressionen, geringem Selbstbewusstsein und jeglichen Arten von Ängsten.

WIRED: Zum Beispiel?
Prabhu: Sie wollen zum Beispiel nicht mehr in die Schule gehen. Cyberbullying ist eine stille Pandemie, von der nur wenige überhaupt erzählen und stattdessen alleine leiden. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie in Großbritannien zeigte, dass erwachsene Menschen in ihren 50ern und 60ern noch unter den früheren Schulhänseleien leiden.

WIRED: Du hast ja ganzschön viel Recherche betrieben. Hattest du auch Hilfe?
Prabhu: Nein, da war ich ganz unabhängig, auch wenn meine Eltern mich sehr unterstützt haben. Auch meine Lehrer, der Schuldirektor, sowie Verwalter und Berater meiner High School haben mich die ganze Zeit über begleitet. Dafür bin ich sehr dankbar. Dennoch war es ein kontrolliertes wissenschaftliches Experiment mit mehreren hundert anonymen Teilnehmern, die verschiedene Prototypen von ReThink testeten. Ich konnte meine Studien auch auf dem Google Science Fair und im Science Fair des weißen Hauses vorstellen.

WIRED: Eine einfache „Ja – Nein“-Abfrage soll jemanden davon abhalten eine beleidigende Nachricht zu schreiben? Ich könnte mir vorstellen, dass ein Jugendlicher in Rage darauf pfeift.
Prabhu: Ganz im Gegenteil. Im jugendlichen Alter ist der präfrontale Cortex im Gehirn noch nicht ganz entwickelt und das erschwert es für sie, in diesem Moment abzuschätzen, ob sie gerade etwas tun, das nicht gut für ihre Zukunft ist. Bekommen sie aber die Chance, etwas zu überdenken, entscheiden sie sich meist dagegen, jemanden mit Absicht zu verletzten.

WIRED: Das setzt aber voraus, dass die App oder das Plug-In selbstständig installiert wird. Machen junge Leute das wirklich freiwillig?
Prabhu: Seit ich ReThink herausgebracht habe, waren die Rückmeldungen durchweg positiv, besonders von Schuldirektoren, Lehrern und Eltern. Sie hatten die App für ihre Schüler und Kinder installiert. Wir wollen aber nicht, dass ReThink zu einer Überwachsungs-App wird. Auch viele Schüler mit denen ich gesprochen habe, finden das Konzept gut und wollen es gerne auf ihren Smartphones oder Computern installiert haben, allerdings vor allem dann, wenn es in einer Gemeinschaft stattfindet, wie eben in der Schule. Ich habe auch veranlasst, dass Schuldirektoren zwei Schüler zu ReThink-Vertretern an ihrer Schule ernennen. Sie sollen die anderen Schüler über Cybebullying und die App informieren. ReThink soll somit zu einer Art Bewegung werden. Über 200 Schulen haben schon ihr Interesse ausgesprochen.

WIRED: Ich kann mir vorstellen, dass einige deiner Mitschüler eifersüchtig sind, weil du in deinem Alter so erfolgreich bist...
Prabhu: Ich habe tolle Freunde, die sehr positiv auf meinen Erfolg reagiert haben. Ich glaube nicht, dass sie eifersüchtig sind, sondern eher, dass sie stolz auf mich sind. Ich habe gute Veränderungen um mich herum verursacht.

WIRED: Nachdem alles so gut funktioniert hat, was nimmst du dir für Zukunft vor?
​Prabhu: Als ich zehn Jahre alt war, starb meine Tante bei einem Autounfall in Indien, weil sie während des Fahrens abgelenkt war. Dieses tragische Ereignis hat mich dazu geführt, die kognitiven Fähigkeiten des Gehirns besser kennenlernen zu wollen und zu hinterfragen, wie eine solche Ablenkung Zustande kommt. Seit der siebten Klasse nehme ich an Forschungen dieser Art teil, mittlerweile sogar an angesehenen Universitäten. Ich würde gerne weiter in diesem Bereich arbeiten und meine wissenschaftlichen und technischen Fähigkeiten ausbauen. Ich glaube einfach auf dem richtigen Weg zu sein. 

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