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Musik-Streaming: Steht SoundCloud zum Verkauf?

von Karsten Lemm
Der Berliner Musikdienst SoundCloud wird angeblich zum Verkauf angeboten. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg erfahren haben will, suchen die Gründer und Investoren nach einem neuen Eigentümer. Der Preis – eine Milliarde Dollar – soll Interessenten aber bisher zu hoch gewesen sein.

Update, 28.7.2016: Ursprünglich als Website für DJ-Mixe gestartet, trat SoundCloud Ende März mit einem eigenen Streaming-Angebot gegen Dienste wie Apple Music, Spotify und Deezer an – vorerst nur in den USA. Ein Katalog aus mehr als 125 Millionen Songs, Mixen und Klangcollagen soll Nutzer dazu bringen, zehn Dollar an Abogebühr im Monat zu zahlen.

Nun berichtet Bloomberg, die Gründer und Investoren des Berliner Startups seien dabei, sich „strategische Möglichkeiten, die zu einem Verkauf führen könnten“, zu überlegen. Schon seit längerem seien die Gründer an einem Verkauf interessiert, will die Agentur erfahren haben, allerdings sei bisher niemand bereit gewesen, den gewünschten Preis von einer Milliarde Dollar zu zahlen.

Erst im Juni hat SoundCloud 100 Millionen Dollar an frischem Kapital gesammelt, 70 Millionen davon kamen von Twitter. Zu den aktuellen Verkaufsgerüchten will sich das Startup nicht äußern: „Spekulationen kommentieren wir nicht“, antwortete eine Firmensprecherin auf WIRED-Anfrage. So oder so: Der Markt der Streaming-Dienste ist heiß umkämpft, wie unser Bericht zum Start von SoundCloud Go im Frühjahr zeigt:

Da ist der Komet, der ein überirdisches Lied singt. Adele, die ihr Herz für Reggae entdeckt. Donald Trump, der im Deep-House-Beat über China herzieht. All das: typisch SoundCloud. Der Musikdienst war schon immer ein Zuhause für allerlei Unerhörtes, das ein Publikum sucht — ob schräge Töne, coole Mixe, DJ-Sets oder die ersten Songs von neuen Indie-Bands. Ein Prinzip ganz ähnlich wie bei YouTube: Jeder kann mitmachen, und alle haben Spaß am gemeinsamen Entdecken, Kommentieren, Konsumieren.

175 Millionen regelmäßige Nutzer zählt SoundCloud nach eigenen Angaben inzwischen und ist damit zu einem der größten Musikdienste im Internet überhaupt geworden. Doch das allein reicht nicht. Das Startup, 2007 von den Schweden Alexander Ljung und Eric Wahlforss in Berlin gegründet, hat zwar mehr als 120 Millionen Dollar von Investoren gesammelt, aber noch keinen Weg gefunden, mit seiner Popularität ordentlich Geld zu verdienen.

Deshalb kommt jetzt SoundCloud Go: Der Streaming-Service, der zunächst in den USA startet, verspricht Abonnenten Zugriff auf mehr als 125 Millionen Songs. Für zehn Dollar im Monat gibt’s die klassische Sammlung an SoundCloud-Klängen — nun aber ohne Werbe-Unterbrechungen — und dazu noch, ganz neu, die Kataloge der großen Musiklabel. Wer zahlt, kann sein persönliches Musikprogramm auch herunterladen, zum Weiterhören, wenn das Netz mal schwindet.

Damit biete SoundCloud Go „die größte, abwechslungsreichste Auswahl der Welt“, wirbt ein Firmensprecher gegenüber WIRED für den neuen Dienst. „Die Vielfalt der Inhalte ist beispiellos.“ Go-Abonnenten hätten die Chance, „die größten Stars und die frischesten Remixe Seite an Seite zu hören — was bei den meisten anderen Diensten unmöglich ist“. Verhandlungen liefen bereits, um den neuen Service über die USA hinaus anzubieten, versichert der Sprecher: „Wir werden SoundCloud Go im Laufe von 2016 auch in anderen Ländern einführen.“

Das kostenlose SoundCloud, das ihr kennt und liebt, wird immer bleiben.

SoundCloud

Fans, die sich Sorgen machen, versuchen die Berliner vorsorglich zu beruhigen: „Keine Angst“, heißt es in einem Blogeintrag zum Start des neuen Dienstes, „das völlig kostenlose SoundCloud, das ihr kennt und liebt, wird immer bleiben.“

Das richtet sich nicht zuletzt an Künstler, die SoundCloud als direkten Draht zu ihrem Publikum schätzen gelernt haben. Ob Rihanna, Kanye West oder Lukas Graham — alle nutzen den Musikdienst, um sich mit ihren Fans auszutauschen. Viele beteiligen sich aktiv an der Community, teilen auch Songs anderer Künstler, kommentieren, stellen Playlisten zusammen. „SoundCloud ist zu einem fantastischen Tool für viele Bereiche der Musikindustrie geworden“, sagt Mark Mulligan, Direktor der auf digitale Medien spezialisierten Beraterfirma Midia Research. „Es fördert die Beziehungen zwischen Künstlern und Fans, wie es kaum ein anderer Service kann.“

Dennoch ist Mulligan skeptisch, dass der neue Abo-Dienst zum Erfolg wird. Statt auf seine eigenen Stärken zu setzen, laufe SoundCloud Gefahr, in der Masse anderer Streaming-Dienste unterzugehen, argumentiert der Analyst: „Go passt nicht zu SoundCloud“, sagt Mulligan. „Es fühlt sich an wie ein unbeholfenes Anhängsel.“ Statt die offene Plattform zu betonen, das Miteinander von Künstlern, Remixern und leidenschaftlichen Musikfans, biete SoundCloud im Wesentlichen das Gleiche wie alle anderen. Mulligan rechnet damit, dass bestenfalls fünf Prozent der Nutzer vom Gratishören auf den Bezahldienst umschwenken werden — weit weniger als etwa bei Spotify.

SoundCloud wehrt sich gegen solche Vorwürfe mit der Beteuerung, ein Dienst wie Go sei von Anfang an geplant gewesen. „Musikschaffende und ihre Bedürfnisse standen immer schon im Zentrum von allem, was wir tun“, erklärt der Firmensprecher. „und mit SoundCloud Go haben wir die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass Kreative für die Arbeit, die sie mit der Welt teilen, auch bezahlt werden.“

Für das Startup selbst bedeutet der Aufbruch in die Bezahl-Ära gleich zweierlei: Friede mit den großen Musikfirmen und Hoffnung auf schwarze Zahlen. Über Jahre hinweg war SoundCloud immer wieder mit den Plattenlabeln aneinander geraten, weil Nutzer es bei ihren Klang-Kreationen mit dem Urheberrecht nicht so genau nahmen. Die einen mixten Taylor Swift und Justin Bieber zusammen, andere stellten ganze DJ-Sets ins Netz, und die Musikindustrie drückte oft ein Auge zu, weil SoundCloud sich bei aller Halblegalität auch als extrem nützlich erwies: Bands fanden Fans, Newcomer mussten keine CDs mehr an Talent-Scouts schicken, Musiklabel konnten Trends beobachten und den Puls der Szene fühlen.

Dennoch krachte es immer wieder. Mal wurde SoundCloud wegen Copyright-Verletzungen vor Gericht gezogen, mal drohten die großen Label mit Sanktionen. Sony Music etwa ließ im Mai vorigen Jahres alle Lieder diverser Top-Künstler von SoundCloud löschen, darunter Adele, Hozier und MS MR. Die Verhandlungen für bezahlte Lizenzen waren zusammengebrochen, und das Label wollte Druck machen. SoundCloud habe sich als „guter Ort fürs Gesehenwerden“ erwiesen, erklärte damals ein Musikmanager dem Magazin Billboard. „Zugleich müssen Künstler und Label für ihre Musik bezahlt werden.“ Das habe Vorrang vor dem Aufbau von Newcomern.

Lizenzzahlungen allerdings sind teuer. Bis zu 80 Prozent der Einnahmen müssten Dienste wie SoundCloud und Spotify an die Musikfirmen weiterreichen, erklärt Midia-Analyst Mark Mulligan. Nicht überraschend also, dass beide Startups tief in roten Zahlen stecken: SoundCloud machte 2014 gut 39 Millionen Euro Verlust, Spotify im selben Jahr mehr als 150 Millionen Euro. (Für 2015 liegen noch keine Zahlen vor.) „Unter den derzeitigen Bedingungen ist Streaming kein tragfähiges Geschäft“, argumentiert Mulligan — zumal ein Abo prinzipiell nur für eine Minderheit interessant sei. „Die meisten Menschen sind nicht bereit, monatlich Geld für Musik auszugeben“, sagt Mulligan. „Das zeigt unsere Marktforschung immer wieder.“

Das hat Spotify nicht davon abgehalten, sich gerade knapp 900 Millionen Euro an frischem Kapital zu besorgen — Munition für einen Kampf um Streaming-Kunden, der immer erbitterter geführt wird. Denn während auf der einen Seite SoundCloud ins Abogeschäft einsteigt, rückt auf der anderen Apple Music immer näher: Zuletzt meldeten die Kalifornier elf Millionen Nutzer für ihren gerade neun Monate alten Streaming-Service. Spotify kommt nach eigenen Angaben aktuell auf 30 Millionen Abonnenten und bemüht sich, schnell genug zu wachsen, um nicht vor dem lange erwarteten Börsengang eingeholt zu werden.

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SoundCloud nimmt sich bei alledem wie der klassische Underdog aus. Gut, dass es im eigenen Musikkatalog reichlich Songs zum Mutmachen gibt.

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