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Wachstum trotz Krise: Griechenlands Startups kämpfen gegen das Chaos

von Elisabeth Oberndorfer
Griechenland hat es versäumt, seine fälligen 1,5 Milliarden Euro  zurückzuzahlen — und steht damit heute ohne EU-Rettungsschirm da. Sicher, die Gläubiger sind keine Privatbanken oder Finanzmakler mehr wie noch vor fünf Jahren. Sie heißen überwiegend Internationaler Währungsfond (IWF) und Europäische Zentralbank (EZB). Dennoch: Dass ein Industrieland seine Schulden nicht bezahlt, das hat es noch nie gegeben. Der IWF muss jetzt Sanktionsschritte einleiten, um die Interessen seiner 188 Mitgliedstaaten zu schützen. Das kann Jahre dauern —  Jahre der Unsicherheit auch für die griechische Startup-Szene. Die wirtschaftliche Situation sorgt für ein Gefühl der ständigen Angst, das viele auch antreibt, wie einige Gründer gegenüber WIRED erzählen.

Die vergangenen Monate stieg das Geschäft bei Taxibeat stetig an, doch das hat sich seit dem Wochenende geändert: „Seit Montag sind unsere Umsätze um 30 bis 40 Prozent gesunken”, berichtet Nick Drandakis, Gründer und CEO der Taxiruf-App. „Bis jetzt waren alle damit beschäftigt, ihre Unternehmen und das Startup-Ökosystem in Griechenland aufzubauen. Hier zu sein, hat bei einigen das Wachstum beschränkt. Andere haben es geschafft, international erfolgreich zu sein”, erzählt der Unternehmer.

Wir haben keine Ahnung, wie das Morgen aussieht und verharren in einer Warteposition

Nick Drandakis, Gründer und CEO Taxibeat

Doch seit dem Wochenende ist auch die griechische Gründerszene nervös, sagt Drandakis: „Wir haben keine Ahnung, wie das Morgen aussieht und verharren in einer Warteposition.” Ungewissheit sei zwar nichts Neues im Startup-Alltag, „diese ist jedoch anders.” Der Taxibeat-Chef versucht optimistisch zu sein: „Wir sind es gewohnt, mit Extremsituationen umzugehen, vielleicht hilft uns das jetzt.”

Während Geldautomaten in Athen am vergangenem Wochenende tatsächlich belagert wurden, hat sich das Bild laut Drandakis diese Woche wieder etwas beruhigt: „Es gibt keine richtige Panik, aber die Geschäfte haben sich stark verlangsamt.” Das ist auch bei Taxibeat, einem Vermittler von Taxifahrten, spürbar. „Eine große Herausforderung ist es, zu sehen, wie elektronische Zahlungen von den Auszahlungslimits betroffen sind. Da hängt noch viel in der Luft”, so Drandakis.

Gründer, die das Land verlassen können, haben das bereits getan, berichtet der Geschäftsführer. Seit der European Investment Fund die ersten institutionellen Investoren im Startup-Bereich unterstützt hat, seien aber viele neue Unternehmen aufgepoppt: „Das war wichtig, um das Ökosystem hier voranzutreiben.”

In den letzten Monaten sind wir jeweils um 20 Prozent gewachsen

Warply CEO John Doxaras

Ein griechisches Startup, das sich auf das internationale Geschäft konzentriert, ist Warply. Der Mobile Marketing-Anbieter hat neben Athen auch eine Niederlassung in New York und ist mit seinem Advertising-Netzwerk in vier Märkten vertreten. „In den letzten Monaten sind wir jeweils um 20 Prozent gewachsen”, erklärt CEO John Doxaras. Warply betreibt das größte Mobile Ad-Netzwerk in Griechenland und vermarktet damit 700 Millionen Impressions im Monat.

„Seit Montag ist allerdings jede Werbekampagne pausiert worden. Auch in der Werbebranche herrscht Unsicherheit”, so der Warply-Gründer. Für Startups, die wie Warply einen großen Teil ihres Umsatzes im Ausland generieren, verursache die Euro-Krise nicht allzugroße Probleme. Für Unternehmen in der Finanzierungsphase sorge die Kapitalkontrolle hingegen für Schwierigkeiten.

Abseits davon erschwere „die schlechte PR” über Griechenland das Geschäft der Startups. International aufgestellte Unternehmen können laut dem Warply-CEO das Misstrauen im Markt abfedern. Wie sein Taxibeat-Kollege spricht auch Doxaras von einem „massiven Brain Drain, besonders bei Gründern und CTOs” in der jüngeren Vergangenheit. Das habe aber nicht nur mit der wirtschaftlichen Situation zu tun, „sondern mit der überschaubaren Größe des Markts.”

Etwas optimistischer sieht Natasha Marie Athanasiadou, Gründerin des Lifestyle- und E-Commerce-Startups „Generation Generous” die Situation: „Die Medien, die Bewertungen und die Aktivitäten der Investoren zeigen zwar eine Verlangsamung des Startup-Geschäfts. Doch was die Szene so außergewöhnlich macht, ist dass sie jetzt noch innovativer und disruptiver ist, um zu überlegen.”

Jeder passt seine Strategien an den Status Quo an, um zu überleben und produktiv und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Natasha Marie Athanasiadou, Gründerin Generation Generous

Sowohl Bürger als auch Unternehmen und Gründer müssen laut Athanasiadou in der aktuellen Situation vorausdenken: „Jeder passt seine Strategien an den Status Quo an, um zu überleben und produktiv und wettbewerbsfähig zu bleiben.” Das Ziel sei es, nicht nur mit den nationalen Beschränkungen umzugehen, sondern auch die griechische Startup-Community enger zusammenrücken zu lassen. „Die Krise betrifft natürlich viele Unternehmen. Doch es wäre unfair, ein Spiel nach wenigen Minuten zu beurteilen. Es kommt noch viel auf uns zu und Startups werden alles tun, um damit umzugehen.”

Carla Tanas betreibt die Griechenland-Niederlassung des internationalen Startup-Accelerators Founder Institute. Die Krise – „also der Fall bestehender Wirtschaftsmodelle” – sieht sie als wahren Treiber der Gründerszene Griechenlands: „Diese schwere Zeit zwingt die Startups dazu, extrovertierter zu handeln und nach größeren Chancen zu suchen.” Angesichts der Geschehnisse der vergangenen Tage halten jedoch auch die Gründer „ihren Atem an und bereiten sich auf das vor, was als nächstes passieren wird.” Die Unternehmer seien zwar zutiefst besorgt, machen laut Tanas aber trotzdem „Business as usual“ — sofern das möglich ist. Denn die Unternehmen haben Schwierigkeiten Transaktionen im In- und Ausland zu tätigen.

Während in den vergangenen zwei Jahren Investoren Startups für sich entdeckt haben, rechnet die Founder Institute-Managerin mit verzögerten Finanzierungsrunden, auch die Unternehmensbewertungen könnten durch die Krise beeinflusst werden. „Es verlassen zwar viele Gründer das Land, andererseits bleiben viele bewusst hier, um das Unternehmertum voranzutreiben”, zeigt sich Tanas optimistisch und ergänzt: „Die Menschen haben erkannt, dass sie selbstständig werden müssen, neue Einnahmequellen aufbauen und ihre Ideen umsetzen können.”

Für Startups, die sich aufgrund der Kapitalkontrolle in akuten finanziellen Schwierigkeiten befinden, haben zwei Gründer mittlerweile einen Hilfsfonds eingerichtet. Wer seine Dienstleister nicht mehr zahlen kann, kann bei der privaten Initiative um Unterstützung bitten.

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