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Startup-Träume: In sechs Schritten zum Einhorn

von Karsten Lemm
Die seltenen, mythischen Tiere sind plötzlich überall: Mehr als 120 Einhörner wurden aktuell gesichtet, und ständig kommen neue dazu. Einhörner, so nennt die Investoren-Szene ihre Lieblings-Startups — die in nullkommanichts die Welt erobern und eine Milliarde Dollar Wert sind, mindestens. Wenn nicht sogar elf Milliarden wie Pinterest, 25 wie Airbnb oder 50 wie Uber. Aber wie geht das, wie kommt man da hin?

Adeo Ressi ist aus San Francisco angereist, um Antworten zu geben. Er steht vor knapp 200 Mitgliedern der Berliner Startup-Szene, die ins Immobilienscout-Foyer in Friedrichshain gepilgert sind, um von ihm, dem ultimativen Silicon-Valley-Insider, zu erfahren, wie der Erfolg seine Gefährten findet. So schnell vermehren sich derzeit die Milliarden-Riesen, dass die Unternehmensberatung CB Insights eigens einen Unicorn Tracker eingerichtet hat, der in Echtzeit Einhörner zählt. „Wenn ihr nicht fest daran glaubt, dass ihr Nummer eins werden könnt, braucht ihr gar nicht erst anzufangen“, ruft Ressi gleich zum Auftakt in den Raum. Denn die Gewinner — ob sie Amazon, Google oder Uber heißen — lassen für ihre Verfolger nicht viel übrig. „Power Law“ nenne sich das, erklärt Ressi: „Die Firma, die am größten wird, hat am Ende mehr Marktanteil als alle anderen zusammen.“

Als Serienunternehmer kennt Ressi sich aus. Im ersten Dotcom-Boom brach er sein Studium ab, um „Total New York“ zu gründen, einen digitalen Stadtführer, der 1997 von AOL gekauft wurde. Weitere Firmen folgten, darunter TheFunded.com, eine Art Yelp für die Risikokapital-Welt. Heute fliegt Ressi — ein guter Freund von Elon Musk, wie er gern halb nebenbei erwähnt — als Gründer des Founder Institute um die Welt und versucht, Jungunternehmer zu entdecken, deren Ideen für Großes taugen. Mehr als 1500 Startups habe sein Inkubator schon auf den Weg gebracht, ihr Gesamtwert übersteige zwölf Milliarden Dollar, sagt Ressi.

In Berlin führt der 43-Jährige sein Publikum durch eine Welt der Grafiken, Tabellen und Datenberge und erzählt im rauchigen Bariton, was Investoren denken, wenn ihnen hoffnungsfrohe Gründer gegenübertreten: „Ich suche nach dem gleichen, das alle im Silicon Valley suchen“, sagt Ressi und zeigt eine Tabelle, die seine Bewertungskriterien für Startups aufführt: „Team, Überzeugung, Durchhaltevermögen, Erfahrung, Vertrauen.“ Soll heißen: Nur mit dem richtigen Team, das fest an sich glaubt, einen langen Atem besitzt und schon Erfolge vorweisen kann, hat eine Jungfirma Chancen, eine Finanzspritze zu erhalten.

Wenn es dann einmal läuft, müssten sich Gründer oft keine Sorgen mehr um ihren Kontostand machen — den Erfolgreichen würden Investoren geradezu die Bude einrennen, erklärt Ressi: „Es geht nicht mehr so sehr darum, die Gewinner zu finden. Es geht darum, einen Fuß bei ihnen in die Tür zu bekommen.“ Denn, siehe oben, das „Power Law“ sorge dafür, dass die Nummer eins mit weitem Abstand alle Verfolger abhängt. Also sind Risikokapitalgeber bereit, Unsummen zu bezahlen, um sich Anteile am nächsten Einhorn zu sichern — und helfen damit, den Preis von Startups in schwindelerregende Höhen zu treiben. Wie schafft man es also, in den erlauchten Kreis der Besten und Teuersten aufzusteigen? Im Gespräch mit WIRED gibt Ressi sechs Tipps.

#1 Nur keine Bescheidenheit!
„Wer ein Einhorn erschaffen will, muss einen Plan haben, wie die Firma richtig groß werden kann. Die meisten werden innerhalb von 24 bis 48 Monaten zum Einhorn — das passiert nicht aus Zufall. Man stolpert nicht einfach so hinein in die Geburt eines Milliarden-Unternehmens. Das ist unmöglich. Man kann Ideen lange hin und her wälzen, aber am Ende muss eine große Vision stehen, mit der Überzeugung: Ich kann alle anderen schlagen! Sonst braucht man gar nicht erst anzufangen.“

#2 Handeln, nicht zaudern!
„Ein Motto von mir lautet: Dream big or die trying — also lieber beim Versuch untergehen, etwas Großes zu schaffen, als sich zurückzuhalten. Das Power Law bedeutet: Schnell zu handeln ist von größter Bedeutung. Zaudern, zögern, vorsichtig alles noch mal durchdenken — das geht nicht. Wer Erfolg haben will, muss den Mut haben, zu springen. Und nach dem Start zählt nur noch: Volldampf voraus! Unsere Erfahrung zeigt, dass Firmen, die in den ersten drei bis elf Monaten spürbare Fortschritte machen, ihre Erfolgschancen um den Faktor fünf verbessern gegenüber Firmen, die sich zwei Jahre lang Zeit lassen. Das verlangt von den Gründern, alles andere stehen und liegen zu lassen, auch die Familie zurückzustellen: Nur die Firma zählt, wenn man kein Opfer des Power Law werden und als Verlierer enden will.“

#3 Ideen testen!
„Wer wissen will, ob eine Idee alle Entbehrungen wert ist, sollte sie einer Handvoll von Leuten vorstellen und um eine Benotung zwischen Eins und Fünf bitten — wobei die Drei nicht vergeben werden kann, damit das Urteil deutlich in Richtung Ja oder Nein ausfällt. Liegt die Benotung im Durchschnitt unter Drei, heißt das: Finger weg, die Idee lohnt sich nicht. Lieber aufgeben und etwas Neues versuchen. Auch da sind unsere Erfahrungswerte eindeutig.“

#4 Das beste Team finden!
„Die Qualität des Teams ist alles entscheidend für den Erfolg eines Startups. Als Unternehmer ist man ständig damit beschäftigt, Entscheidungen zu treffen, Chancen wahrzunehmen, Feuer zu löschen. Gute Unternehmer wenden 25 bis 50 Prozent ihrer Zeit dafür auf, sich um ihr Team zu kümmern, um sicherzustellen, dass ausschließlich die Besten für die jeweilige Aufgabe angeheuert werden. Denn die Umsetzung des Plans, den man ausgearbeitet hat, gehört zu den größten Herausforderungen überhaupt. Wenn man rasend schnell wächst, passiert es leicht, dass man wichtige Dinge übersieht. Deshalb empfiehlt es sich, Redundanzen einzubauen, damit Fehler nicht unerkannt bleiben, weil alles von einzelnen Mitarbeitern abhängt.“

#5 Nicht um Geld bitten — nach Rat fragen!
„Es gibt ein altes Silicon-Valley-Sprichwort: Frag nie nach Geld, bitte um Rat. Das stimmt. Ich empfehle Gründern immer, sich ein starkes Netzwerk aus erfolgreichen Unternehmern und anderen Mitgliedern der Startup-Szene aufzubauen und dann Fragen zu stellen, um Hilfe zu bitten. Dieses Einbeziehen der anderen, die Erfahrung und Beziehungen mitbringen, führt irgendwann dazu, dass man Geldgebern vorgestellt wird. Das ist ein weit besserer Weg, an Startkapital zu kommen, als E-Mails zu verschicken oder auf andere Weise zu versuchen, aus eigener Kraft Geld aufzutreiben.“

#6 Weiterstrampeln — auch wenn der Erfolg einsetzt!
„Nach dem Start kommt der Push: das aggressive Wachsen um jeden Preis. Aber selbst erfahrene Gründer werden irgendwann müde und hören auf, sich ständig bis zum Äußersten zu treiben. Deshalb kommt es oft vor, dass schnell wachsenden Startups die Puste ausgeht, weil die Gründer unter Burnout-Symptomen leiden. Und in dem Moment, in dem die Gründer nicht mehr Vollgas geben, verliert auch die Firma an Fahrt. Einer der besten Wege, das zu vermeiden, ist eine Absprache zwischen Gründern und Investoren: Man einigt sich auf ehrgeizige Wachstumsziele und schaut dann gemeinsam immer wieder, wo die Firma ist und was tatsächlich möglich wäre. Solche Meilensteine, die man von vornherein aggressiv ins Auge fasst, gehören zu den wichtigsten Faktoren, wenn man es zum Einhorn bringen möchte.“ 

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