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Wie SMS-Nachrichten aus Offline-Landwirten vernetzte Experten machen

von GQ
Ein Internet für Menschen ohne Internet. So beschreibt sich ein neues Unternehmen aus London. Es will Farmern in Gegenden ohne Netz helfen, produktiver zu arbeiten.

Weltweit gibt es rund 500 Millionen bäuerliche Kleinbetriebe, von denen viele keinen Internetzugang besitzen. Einige dieser Landwirte leben zudem mehrere Kilometer entfernt vom nächsten Dorf und sind dadurch von Informationen abgeschnitten, die ihnen helfen könnten, ihre Betriebe produktiver und profitabler aufzustellen.

Während Initiativen wie Facebooks umstrittenes Internet.org versuchen, mehr Menschen dazu zu bringen, online zu gehen, wählen andere einen schlichteren Weg: Mobiltelefone und deren SMS-Funktion als Möglichkeit, die Offline-Welt zu verbinden.

„In nächster Zukunft werden immer diejenigen am unteren Rand der Bevölkerungspyramide stehen, die auf SMS angewiesen sind“, sagt Kenny Ewan, CEO des in London ansässigen Startups WeFarm. Deshalb habe sein Unternehmen ein soziales Netzwerk geschaffen, das allein über SMS funktioniere.


WeFarm, ermöglicht durch die Cafédirect Producers’ Foundation 2011, beschreibt sich als „Internet für Menschen ohne Internet“.  Die mittlerweile rund 43000 Nutzer des Netzwerks vor allem in Kenia, Peru und Uganda haben bis heute 5,2 Millionen Textnachrichten geschickt, 57000 Fragen gestellt und 97000 Antworten erhalten. Und das Ganze kann kostenlos genutzt werden und lebt vom Peer-to-Peer-Prinzip des gegenseitigen Helfens: Jeder, der teilnimmt, kann eine Frage stellen und irgendjemand anders kann eine Antwort schicken.

Die Nachricht an Teilnehmer in der Region geschickt, die eine Antwort parat haben könnten.

Wenn ein Landwirt sich als Teilnehmer von WeFarm hat registrieren lässt, kann er beginnen Fragen zu stellen. Er muss dafür lediglich eine SMS an eine regionale Kurzwahlnummer schicken. Im Back-End von WeFarm wird die Nachricht dann nach Schlüsselbegriffen durchsucht und an Teilnehmer in der Region geschickt, die eine Antwort parat haben könnten. Dabei bauen sich User Profile auf: Wer etwa stets Interessantes zum Anbau von Mohrrüben beizutragen hat, wird als Karottenexperte markiert.

„Die Plattform selbst ist online, aber 90 Prozent der Nutzer sind es nicht“, sagt Ewan. „Das bedeutet, dass etwa ein Landwirt, der weit vom nächsten Dorf in Kenia entfernt arbeitet, eine Gratis-SMS mit einer Frage schicken kann und eine Antwort erhält.“ Fragen würden üblicherweise innerhalb einer Stunde beantwortet. WeFarm schickt laut Ewan eine Auswahl der jeweils besten Antworten. 

Das Programm kann in vier Sprachen genutzt werden: Englisch, Französisch, Spanisch und Swahili. Freiwillige – oft Studenten, die praktische Erfahrung sammeln wollen – übersetzen die Fragen dann, um sie weltweit verfügbar zu machen. Die Übersetzer beeinflussten dabei „auf keinen Fall den Austausch von Wissen“, sagt Ewan. „Sodass wir nicht den typischen Fall von Westlern haben, die anderen sagen, was getan werden muss. Ich mag diese Balance.“


Das Ziel seiner Initiative müsse Informationsfreiheit sein, sagt der CEO. „Eine Menge NGOs denken, man sollte Landwirten nichts schicken, bevor man es nicht gefiltert hat“, so Ewans. Er empfinde das als „keinen sehr gesunden Zugang zum Thema“.

Aber wie kann man in einem ganz offenen System ohne Einmischung garantieren, dass die Antworten dem Qualitätsanspruch genügen? „Das ist die Frage, die uns am Häufigsten gestellt wird“, sagt Ewan. „Wir versuchen die Community dazu zu bringen, diesen Anspruch selbst zu überprüfen und einzufordern. Wir haben uns angeguckt, wie eBay mit der Frage umgeht, wo Nutzer sich gegenseitig bewerten – und haben überlegt, wie man das auf den Austausch von Wissen statt Waren überträgt.“

Landwirte in verschiedenen Ländern geben sich mittlerweile Ratschläge über WeFarm.

Landwirte in verschiedenen Ländern geben sich mittlerweile Ratschläge über WeFarm. Ewan nennt das Beispiel des Landwirts Jacob Gituma aus Kenia, der Unterstützung brauchte bei der Frage, wie man Kaninchen hält. „Dem hat jemand geholfen, der seit Jahrzehnten Kaninchen auf seiner Farm hält“, sagt Ewan. „Es war ein Landwirt aus Peru.“

Nicht alle Fragen, die geschickt werden, sind total ernst gemeint. Ewan ist sich dennoch sicher, dass das System funktioniert: Menschen eine Möglichkeit zu geben, wenig zu zahlen und viel dafür zu kriegen. Das könne viel verändern. „Es ist interessant zu sehen, wie Menschen manchmal Dinge so nutzen, wie man es nie vorher gedacht hätte“, sagt der CEO. So habe es Fälle von Landwirten gegeben, die ihren Wunsch-Ehepartner per SMS gesucht hätten. „Wir filtern das dann raus.“

Ewan will expandieren: Brasilien, Kolumbien und Indien würden derzeit als mögliche Teilnehmer untersucht. Das System könne durchaus auch noch intelligenter werden und noch mehr Wissen vermitteln, „das für jeden nützlich ist“.

Etwa 45 Prozent der registrierten Teilnehmer schickten auch aktiv Fragen und Antworten, sagt Ewan. Das erweitere stetig den Datensatz des Startups. So halte er für möglich, dass WeFarm in Zukunft helfen könne, Landwirte in bestimmten Regionen etwa über Schädlinge oder Trockenperioden zu informieren.  So basiere das Geschäftsmodell auf Datenaggregation, „weil wir eine riesige und einzigartige Community haben, die Einblick in ihren jeweiligen Alltag gibt.“

Die bäuerlichen Kleinbetriebe, die Ewan und sein Unternehmen vernetzen, sind wichtig für die Welternährung, doch Schädlinge, zu viel oder zu wenig Wasser vernichten oftmals große Anteile der Ernte. Dagegen will WeFarm etwas tun. „Wenn man in großen Maßstäben denkt, kann man Millionen Landwirte eines Landes erreichen“, sagt Ewan. Zum Beispiel habe es vergangene Woche zahlreiche Fragen aus einer Region zur Fuß-und-Mund-Krankheit gegeben. „Wenn man den Ausbruch solcher Krankheiten tracken kann, hat man anderen etwas voraus. Das ist dann gleichzeitig hilfreich und ein perfektes Geschäftsmodell.“

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