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Schnecke + Roboter: Ein tierischer Cyborg soll die Ozeane erkunden

von GQ
Was kommt heraus, wenn sich ein Roboter und ein Kalifornischer Seehase verbinden? Nein, keine Bot-Babyhasen. Aber ein ziemlich effektiver Roboter, der mit dem Gewebe der Schnecke Dinge am Meeresboden finden kann.

Indem sie das Gewebe einer Seeschnecke mit flexiblen Teilen aus dem 3D-Drucker kombinierten, haben Forscher einen sogenannten Bio-Hybrid geschaffen, der im Schildkrötentempo am Strand entlang kriechen kann.

Der Muskel aus dem Mund des Kalifornischen Seehasen hilft dem Roboter, sich zu bewegen. Gesteuert wird dies durch ein externes, elektrisches Feld. In der weiteren Entwicklung des Geräts werden Ganglien – das sind Nervenknoten, also Bündel von Neuronen und Nerven, die normalerweise Signale an die Muskeln senden, wenn die Schnecke frisst – als organische Regler eingesetzt. Die Forscher manipulierten außerdem das Strukturprotein Kollagen aus der Haut der Schnecke, um einen organisches Gerüst zu bauen, das in zukünftigen Versionen des Bots getestet werden soll.

Das Team der Case Western Reserve University wählte den Seehasen aus, weil das Tier mit substanziellen Veränderungen von Temperatur und Salzgehalt zurechtkommen kann. In seiner Heimat, dem Pazifischen Ozean, sind Strömungen dafür verantwortlich, dass seine natürliche Umgebung ständig verschoben wird. Mal ist es Tiefenwasser, mal sind es seichte Becken.

Verglichen mit den Muskeln von Säugetieren und Vögeln, die geregelte Umgebungen benötigen, um zu arbeiten, sind die Schnecken damit deutlich anpassungsfähiger. Der Kalifornische Seehase ist den Hinterkiemenschnecken zugeordnet und wird auch von Neurowissenschaftlern gerne als Forschungsobjekt eingesetzt. Die Art besitzt extrem große Neuronen, die auch unter dem Mikroskop präparierbar sind.

Zukünftig könnten ganze Schwärme von biohybriden Robotern unsere Gewässer erforschen, um etwa nach toxischen Lecks zu suchen, sagen die Wissenschaftler. Am Grund der Ozeane wären sie außerdem nützlich, um infolge eines Flugzeugabsturzes nach dessen Black Box zu suchen. Diese Aufzeichnungsgeräte liefern während eines Fluges relevante Daten und Informationen, die zur Klärung der Unfallursache beitragen können. Der Prozess ist normalerweise sehr langwierig und beansprucht die Batterieleistung der bisherigen Roboter erheblich. Außerdem würden die biohybriden Roboter nicht die Umwelt verschmutzen.

„Wir bauen eine lebendige Maschine – einen biohybriden Roboter, der (noch) nicht vollständig organisch ist“, sagte Victoria Webster, Doktorandin am Biorobotics Lab der Universität und Leiterin der Forschungsgruppe. „Mit der Verbindung der zwei Materialien können wir einen Bot erschaffen, der die verschiedensten Aufgaben lösen kann, die weder ein normales Tier noch ein rein menschengemachter Roboter kann“, fügte ihr Kollege Roger Quinn, Professor der Ingenieurswissenschaften an der Case Western University, hinzu.

Zuerst versuchten die Forscher es mit einzelnen Muskelzellen, letztendlich war der gesamte Muskel aus dem Mund der Seeschnecke effektiver. Indem dessen natürliche Struktur erhalten geblieben sei, sei auch das Ergebnis „hundert- bis tausendmal besser“.

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Der Einsatz der Ganglien trägt zur Bewegungssteuerung des Bots bei. Chemische oder elektrische Reize veranlassen so die Nerven zu einer aktiven Muskelverkürzung (konzentrische Kontraktion). „Damit ist der Muskel selbst zu erheblich mehr Bewegungen fähig. Außerdem ist unser Roboter lernfähig“, sagte Webster. Die Ganglien sollen künftig darauf konditioniert werden, den Roboter auf ein bestimmtes Signal hin vor- und zurückzubewegen. Dazu wird der potenzielle Einsatz weiterer organischer Versionen in Kombination mit verschieden Körperteilen erprobt.

Webster wird den Forschungsansatz in diesen Tagen auf der KI-Konferenz Living Machines in Edinburgh vorstellen und diskutieren. Zuvor hatte bereits ein Forscherteam um Sung-Jin Park von der Harvard University einen Miniaturroboter mit Weichteilgewebe hergestellt, der die Qualitäten und Effizienz eines Stachelrochens aufweist.

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED UK

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