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re:publica 15 / „Hört auf, Spielzeug zu drucken, ihr könnt mit 3D-Printern Leben retten!“

von Liske Jaax
Mit seinem Projekt Field Ready zeigt Andrew Lamb auf der re:publica 2015 in Berlin, wie 3D-Drucker die Arbeit in Katastrophengebieten und Entwicklungsländern revolutionieren können. „Druckt keine Schlüsselanhänger mehr, sondern humanitäre Hilfsgüter!“ — das ist sein Appell im WIRED-Interview.

WIRED: Herr Lamb, Sie sagen, 3D-Drucker werden die humanitäre Hilfe in Katastrophengebieten revolutionieren. Wie soll das gehen?
Andrew Lamb: Derzeit funktioniert der Transport von Hilfsgütern in Katastrophengebiete nicht gut. Es gibt zu viele einzelne Produzenten, zum Beispiel Oxfam oder das Rote Kreuz. Sie produzieren Güter vor und lagern sie in ihren Räumen. Werden sie gebraucht, gehen sie per Zug, Schiff oder Flugzeug erst einmal in die Hauptstadt des jeweiligen Landes und werden dann zum nächsten Flughafen oder Hafen transportiert. An vielen Stellen werden Zollabgaben fällig.

Bis zu 80 Prozent der Einkünfte humanitärer Organisationen werden für die Logistik aufgewendet.

Andrew Lamb

Das ist eine sehr lange, langsame und kostspielige Transportkette von Hilfsgütern. Zwischen 60 und 80 Prozent der Einkünfte von humanitären Organisationen werden für die Logistik aufgewendet. Das sind zwischen 10 und 15 Billionen Dollar pro Jahr. Und bei Hilfslieferungen in Erdbeben-Zonen wie zum Beispiel Haiti ist erst der Transport auf den letzten Kilometern das eigentliche Problem. Es ist schlimm, wenn diese Hilfsmittel nicht in den Gebieten ankommen. Noch schlimmer ist es aber, wenn sie schon auf dem Weg dahin kaputtgehen. Das passiert häufig. Mit der Organisation Field Ready versuchen wir jetzt, Hilfsgüter direkt vor Ort mit 3D-Druckern herzustellen.


WIRED: Wenn man jedes Katastrophengebiet mit 3D-Druckern ausstatten würde, wäre das wirklich günstiger?
Lamb: Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel aus Haiti: Im Dezember haben wir dort versucht, verschiedene medizinische Geräte mit 3D-Druckern herzustellen. Was dort vor allem fehlt, sind Plastikklammern, um die Nabelschnur von Neugeborenen abzuklemmen. In China kosten diese Klammern zehn Cent, wenn wir sie nach Haiti liefern lassen, erhöhen sich die Kosten auf einen Dollar. Und die Klammern durch den Zoll zu bekommen, dauert manchmal bis zu einem halben Jahr. Mit 3D-Druckern können wir sie vor Ort für 60 Cent das Stück herstellen, die Stromkosten schon eingerechnet. Wir reduzieren die Kosten also um 40 Prozent und können mehr Leben retten. Ohne die Klammern sterben bis zu fünf Prozent aller Neugeborenen an Infektionen.


WIRED: Wer soll die Drucker vor Ort bedienen?
Lamb: Eines unserer Programme bei Field Ready besteht aus einer Trainingseinheit, die den Personen vor Ort die Bedienung von 3D-Druckern beibringt. Die eigentliche Herausforderung ist aber, den Leuten zu erklären, was sie damit herstellen können und welche Probleme sie damit lösen. In Haiti war beispielsweise ein Lichtschalter kaputt, er konnte nicht bedient werden, ohne dass man einen Stromschlag bekam. Aber die Zuständigen für die 3D-Drucker vor Ort kamen gar nicht auf die Idee, eine neue Abdeckung für den Schalter zu drucken. Ein weiteres Problem ist, dass wir kein Training dafür geben können, wie man die Designs für medizinische Utensilien wie Oxygen-Splitter herstellt. Wenn die Leute es aber schaffen, zu artikulieren, was in den Gebieten gebraucht wird, können sie Anfragen an unser Netzwerk stellen und jemand aus der Community in London, Melbourne oder Berlin designt es ihnen dann.

Smartphones sind mindestens genauso wichtig für die Hilfe vor Ort.

Andrew Lamb

WIRED: Würden Sie sagen, der 3D-Druck ist die größte technische Errungenschaft für Katastrophengebiete?
Lamb: Naja, mit 3D-Druckern haben wir auf jeden Fall die Möglichkeit, einen ganzen Katalog an medizinischen Hilfsgütern herzustellen und ganze Labore inmitten eines Katastrophengebiets zu errichten. Aber Smartphones sind meiner Meinung nach eine ebenso große Erfindung für die Hilfe vor Ort. Apps, mit denen man offene Karten über betroffene Gebiete erstellen und bearbeiten kann, machen wichtige Transporte sicherer und schneller.

WIRED: Was bedeutet die 3D-Druck-Technologie für die Hilfe in Entwicklungsländern?
Lamb: Wir werden in der Lage sein, viel schneller auf die Bedürfnisse in Entwicklungsländern zu reagieren und vor allem viel zielgerichteter. Bei Hilfspaketen ist es oft der Fall, dass viele Güter geschickt werden, nur nicht solche, die die Bewohner gerade brauchen. So entsteht unheimlich viel Müll. Wir versuchen mit dem 3D-Druck diesen Müll gar nicht erst aufkommen zulassen oder — in Zukunft — Plastikmüll zu Füllungen für 3D-Drucker zu verarbeiten. Das Schöne darüber hinaus: Jeder, der etwas technisches Verständnis hat, kann bei Field Ready mitmachen und Designs für Hilfsgüter in Entwicklungsländern hochladen. Die Leute müssen lernen, dass sie mit 3D-Druckern nicht nur „World of Warcraft“-Figuren und Schlüsselanhänger basteln können, sondern Dinge, die leben retten können. Wir entwickeln quasi eine Spende der neuen Art.

Der Talk zum Thema:

Andrew Lamb erzählt in seinem Talk „Humanitarian Makers – 3D printing & manufacturing in disaster zones“ vom sinnvollen Einsatz von 3D-Druckern zur Herstellung von medizinischen Werkzeugen und Utensilien.

Der Vortrag ist Teil des Global Innovation Gathering Makerspace

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