Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Neues vom Admin / Männer, die auf Fortschrittsbalken starren

von Armin Hempel
Ich warte nur sehr ungern. Aber ob Oberflächenprüfungen von Festplatten, Software-Downloads oder Betriebssystem-Updates, als Admin wartet man ständig. So sehr man sich auch dagegen wehren möchte: Wir Admins sind (leider meistens) Männer, die auf Fortschrittsbalken starren.

Allein dieses Wort: Fortschrittsbalken. Man muss es sich wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen. Was genau soll denn an diesem Balken so fortschrittlich sein? Balken stehen für Stabilität und sind das Gegenteil jeglichen Fortkommens. Balken sperren ab, sind hölzern, altbacken und langweilig. Aber fortschrittlich?

Gut, es existiert sicher irgendwo eine Studie, die glasklar beweist, dass Fortschritt und Langeweile untrennbar miteinander verbunden sind. „Proportional zur technischen Entwicklungsstufe einer Gesellschaft steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich deren Mitglieder in einem Zustand der akuten Langeweile befinden“ und so weiter. Diese Langeweile lähmt uns heute vor Fernsehern und Laptops, an Spielekonsolen und Smartphones. Ja, selbst Fitness-Armbänder, die in Plastik gegossene Aufforderung zur unaufhörlichen Aktivität, langweilen uns nach kurzer Zeit so sehr, dass sie ungenutzt in der Schublade landen. Neben alten Netzteilen und diversen Kabeln, deren Funktion wir schon lange vergessen haben. 

Diese Balken und Rädchen sind der Beweis dafür, dass die Maschinen bald die Weltherrschaft an sich reißen werden.

Aber zurück zu den fortschreitenden Balken. Wir sitzen also vor unseren Geräten und schauen ihnen gelangweilt beim Hochfahren, beim Laden und Installieren, beim Aktualisieren, beim Backup, ja, mittlerweile sogar beim Ausschalten zu. Der morgendliche Kaffee, der über den halbstündigen Bootvorgang des Bürocomputers helfen musste, ist dankenswerterweise passé. Dafür synchronisiert jetzt die Dropbox, das Acrobat-Update jagt die Flash-Aktualisierung und mal ganz im Ernst: Wenn ich mein Telefon ausschalte, möchte ich dabei keine Fortschritts-Anzeige sehen! Nein, es soll dann einfach ausgeschaltet sein. 

Trotz massiver Geschwindigkeitszuwächse durch schnellere Prozessoren, Flash-Speicher und bessere Programmierung kommt es uns so vor, als würden wir mehr Zeit denn je damit verplempern. Tausende von Arbeitsstunden gehen täglich ungenutzt ins Land, weil wir auf Balken oder — noch schlimmer — auf das Verschwinden dieser kleinen Endlos-Rädchen, der sogenannten Throbber warten. Aber aufgepasst: Throbber, das ist doch immerhin ein neues, ein fortschrittliches Wort! To throb — das kann pulsieren, klopfen oder schlagen heißen. Das klingt doch gleich um einiges besser als ein nervtötender Balken!

Doch nichts da! Die stetig wachsende Verbreitung der Throbber ist der eindeutige Beweis dafür, dass die Maschinen bald die Weltherrschaft an sich reißen werden. Throbber sind die Folterwerkzeuge, mit denen sie uns unbemerkt unterwerfen; mit denen sie kafkaeske Ungewissheit pflanzen und Panik erzeugen. Sie treiben uns vor unseren Bildschirmen zur Weißglut und kochen uns weich. Die harmlos wirkenden Endlosrädchen lassen uns nämlich im Gegensatz zu ihren balkenförmigen Artgenossen gänzlich über alles im Dunkeln, außer vielleicht darüber, wo unser Platz ist, wo wir hingehören. Denn wir, die einfachen Menschen, müssen abwarten und geduldig bleiben, weil die feine Maschine angeblich viiiieeeel zu beschäftigt ist, um sich Zeit für unsere niederen Bedürfnisse zu nehmen. Ein Throbber macht noch nicht einmal mehr den Versuch, uns mitzuteilen, mit welcher Wartezeit wir zu rechnen haben. Stattdessen hypnotisiert er uns so lange mit seinen endlosen Kreisbewegungen, bis wir uns nicht mehr daran erinnern, worauf wir eigentlich gewartet haben.

Wieso lassen wir uns von Technologie in einer Weise behandeln, die wir keinem unserer Freunde durchgehen lassen würden?

Aber auch die Fortschrittsbalken haben Verwirrungstaktiken auf Lager: Da wäre zunächst die berühmte letzte Sekunde einer Installation, die gern auch mal fünf Minuten dauern kann. Oder der antäuschende Balken: Er wiegt einen erst mit großen Sprüngen nach vorn in Sicherheit, um dann wieder bei Null zu beginnen. Die meisten Nerven kostet aber der urplötzlich stoppende Fortschrittsbalken: Mitten in der Installation bleibt er stehen und rührt sich nicht mehr. Wirklich nicht? Nicht mal ein ganz kleines bisschen? Erste, sehr vorsichtig ausgeführte Mausklicks bleiben ohne Wirkung und langsam wird es zur Gewissheit: Abgestürzt. 

Das muss aufhören! Nicht nur, weil wir nicht gern warten, sondern auch, weil es keinen Grund dafür gibt, uns von der Technologie in einer Weise behandeln zu lassen, die wir selbst unseren Freunden nicht durchgehen lassen würden. Ich wäre doch einigermaßen irritiert, würde mir jemand einen bunten Ball zuwerfen, während er mich warten lässt. Auch anderen Maschinen gestehen wir derlei Frechheiten nicht zu. Eine Spülmaschine spült, ein Toaster toastet und man stelle sich eine Waschmaschine vor, die uns mit einem sich immerzu drehenden Kreis konfrontiert, während wir auf unsere Wäsche warten… naja, vielleicht doch nicht gerade der beste Vergleich. 

Dennoch: Dieser Text ist ein Appell an alle User-Interaction-Designer, die gerade an der Gestaltung des Backofens der Zukunft sitzen, und vielleicht darüber nachdenken, ob sie uns nach dem Einschalten mit einem Throbber über die Vorheizphase hinweg helfen sollten. Liebe Designer, ich bitte euch inständig: Tut es nicht, denkt bitte noch mal drüber nach! Der Fortbestand der Menschheit hängt davon ab.

In der letzten Folge von „Neues vom Admin“ hat Armin festgestellt, dass Outlook for iOS gar nicht so schlimm ist, wie er befürchtet hatte. 

GQ Empfiehlt
Die neue WIRED ist da!

Die neue WIRED ist da!

von WIRED Editorial