Der Bericht prangert besonders das Versagen der Strafverfolgung in den einzelnen Ländern an, aber auch die Zurückhaltung von Unternehmen wie Twitter, Facebook oder YouTube, wenn es darum geht, gegen Missbrauch und Gewalt auf ihren Plattformen vorzugehen.
Der Bericht mit dem Titel „Cyber Violence Against Women & Girls: A Worldwide Wake-Up Call“ hat keine eigenen Daten erhoben, sondern stützt sich auf verschiedenen Studien aus den vergangenen Jahren. Die wichtigsten Eckdaten daraus:
- Schätzungsweise 73 Prozent aller Frauen haben eine Form von Online-Gewalt erfahren (gemeint sind sexuelle Belästigung und Stalking, aber auch sexistische Beschimpfung bis hin zu Mord- und Vergewaltigungsdrohungen oder Rache-Pornografie.)
- Frauen im Alter von 18 bis 24 haben ein besonders hohes Risiko, im Netz gestalkt, sexuell belästigt oder bedroht zu werden.
- Eine von fünf Internetnutzerinnen lebt in einem Land, in dem es extrem unwahrscheinlich ist, dass die Gewalt im Internet strafrechtlich verfolgt wird.
- In vielen Ländern scheuen sich Frauen davor, die Vorfälle überhaupt zu melden.
- Online-Gewalt verursacht nicht nur hohe emotionale Kosten, sondern auch reale finanzielle Einbuße – wenn die Bedrohten aus Angst ihren Jobs nicht mehr nachgehen können oder durch die Rufschädigung Aufträge verlieren.
Wer sich mit diesem Thema beschäftigt, etwa die Reaktionen auf die #aufschrei-Kampagne gegen Alltagssexismus verfolgt hat, für die ist das alles nicht neu. Besonders feministische Aktivistinnen und Journalistinnen berichten davon, wie brutal und hemmungslos sie im Netz belästigt, beschimpft und bedroht werden. Der UN-Bericht zeigt allerdings ein weiteres Mal, dass es nicht mal nötig ist, als Frau eine Meinung zum Thema Frauenrechte (oder im Grunde irgendeinem Thema) zu äußern. Eine Frau oder ein Mädchen im Internet zu sein, reicht vollkommen aus, um Frauenhass auf sich zu ziehen.
So listet der Bericht auch eine Reihe konkreter Beispiele: Frauen und Mädchen, deren Erfahrungen mit Rachepornografie, Doxing und Schlimmerem den Glauben an die Menschheit kurz schwinden lassen. Darunter sind auch die Spielekritikerin Anita Sarkeesian und die Spieleentwicklerin Zoe Quinn, die im Zusammenhang mit der Gamergate Kampagne massiv sexistisch angegriffen und bedroht wurden. Die beiden waren auch bei der Vorstellung des Berichtes im United Nations Hauptquartier in New York anwesend und haben über ihre Erfahrungen gesprochen.
Das Internet stand in seinen Anfängen für das Versprechen einer demokratischen Teilhabe für alle. Dieses Versprechen werde ad absurdum geführt, argumentiert der Bericht, wenn wir zulassen, dass das Netz für Frauen und Mädchen zu einer No-Go-Area wird. „Wir wollen uns die Möglichkeiten, die das Netz bietet, wieder aneignen. Dazu gehört, die Größenordnung und Tiefe des Schadens anzuerkennen, der hier verursacht wird – und die notwendigen Schritte zu tun, um ihn zu benennen und zu stoppen, “ sagte Phumzile Mlambo-Ngcuka, Leiterin von UN Women, bei der Vorstellung des Berichtes.
Der Bericht enthält auch ein Set von Empfehlungen, wie gegen die Gewalt vorzugehen sei:
- Sensibilisierung: Die kommende Generation müsse für das Thema Sexismus und Geschlechterstereotype sensibilisiert werden, Jungen wie Mädchen.
- Monitoring: In der Offlinewelt haben wir Institutionen wie Frauenhäuser, Notfalltelefone und Beratungsstellen geschaffen, um Gewalt gegen Frauen zu begegnen. Jetzt brauchen wir äquivalente Institutionen für die Gewalt im Netz – hier stehen YouTube, Twitter, Facebook, WhatApp und all die anderen Dienste in der Verantwortung, entsprechende Strukturen zu schaffen: „Current policing of content on social media does not support women against acts of cyber (violence), nor do they represent a commitment to ending violence against women.”
- Sanktionen: Gesetze müssen international angepasst werden, um auf Gewalt gegen Frauen auch dann adäquat reagieren zu können, wenn sie im Netz passiert. Zusätzlich müssten aber auch die Institutionen, die Polizei und Gerichte so sensibilisiert sein, dass sie bereit sind, diese Verbrechen als solche zu erkennen.