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Lohnt es sich, die erste Generation der HTC Vive zu kaufen?

von Dominik Schönleben
Virtual-Reality-Brillen sind faszinierend und teuer. Lohnt es sich also wirklich, ein Gerät der ersten Generation zu kaufen? WIRED hat das anhand der HTC Vive getestet.

Eine ganze Woche lang hat die WIRED-Redaktion jeden Abend mit der HTC Vive gespielt. Egal ob VR-Neulingen oder erfahrener Veteran unzähliger Developer-Versionen, die Faszination für die Brille hält an. Denn die Erlebnisse in der simulierten Realität sind einfach greifbar nah.

Obwohl man ganz nüchtern weiß, dass all die Dinge um einen herum nicht real sind, scheint der Körper einem das nicht ganz so abzunehmen. Wenn der Lichtkegel einer imaginären Taschenlampe auf dem Meeresboden in die Dunkelheit gleitet, läuft einem ein kalter Schauer über den Rücken. Und während einer Kletterpartie in hunderten von Metern Höhe an einer Steilwand, stellt sich schnell das Gefühl von Höhenangst ein. (Wie sich solche Erlebnisse betrunken anfühlen, beschreibt unser Autor Dirk Peitz hier.)


Als eine der ersten vollwertigen VR-Brillen – in der eben jetzt kein Smartphone mehr als Monitor steckt – präsentiert sich die HTV Vive als echte Alternative zu klassischen Videospielsystemen. Denn auch wenn VR-Games grafisch oft rudimentär wirken, erscheinen sie realer, als jeder detailreiche Tripple-A-Titel. Die VR-Technologie steht allerdings erst an ihrem Anfang und ist noch teuer. Sollte man mit dem Einstieg also lieber noch warten?

Schon jetzt, in der ersten Produktgeneration für Konsumenten, entsteht bei der HTC Vive sofort ein emotionaler Effekt, der Grad der Immersion ist hoch. Einzig ein kleiner Lichtschimmer am Nasenansatz verrät noch die Außenwelt und durchbricht die Simulation. Ein kleines Manko, das man beim Spielen aber gut ausblenden kann.


Das Besondere der HTC Vive ist ihr Spielfeld. Über zwei Tracker, die man in der jeweils gegenüberliegenden Zimmerecke aufstellt, tastet die Vive den Raum ab. Sie platziert den Spieler anschließend nicht nur in einem statischen virtuellen Umfeld, in dem man sich durch drehen des Kopfes umschauen kann – sondern erschafft einen Raum, den man tatsächlich durchqueren darf. Die Occulus Rift besitzt zwar ein ähnliches Tracking-System, deckt dabei jedoch einen viel kleineren Bereich ab. Großspuriges Umherwandern in virtuellen Welten ist also bislang nur mit der HTC Vive möglich.

Hierin liegt einerseits die Brillanz des Gerätes, aber auch seine Limitierung: Es ist beeindruckend, wenn man in einem Spiel wie Space Pirate Trainer wirklich durch Ducken oder Springen den Schüssen der Gegner ausweichen kann. Doch dafür braucht man Platz, viel Platz. Mehr als die meisten hier bei WIRED in ihrem eigenen Wohnzimmer haben.


Als wir versuchten, die Vive in einer unserer Interview-Kabinen aufzubauen, wurde schnell klar: Auf dem dafür minimal notwendigen Raum von zwei auf eineinhalb Metern sind die meisten Spiele keine besondere Freude. Man wird bei der noch so kleinsten Bewegung aus der virtuellen Welt gerissen, weil man die Gitterlinien sieht, die einen davor warnen sollen, dass hier der Raum zu Ende ist, – oder den Controller an die Wand haut. Um das volle VR-Erlebnis der Vive genießen zu können, sollte man eher eine freie Fläche von mindestens drei auf drei Metern besitzen.


Die meisten Spiele funktionieren allerdings auch, wenn man stillsteht oder -sitzt. Dafür gibt es sogar einen eigenen Modus. Doch dann geht auch das faszinierendste Feature des Geräts verloren. Eines merkt man jedenfalls schnell: Das dicke Kabel der Brille stört, vor allem bei Spielen mit viel Bewegung. Will man wirklich sein Wohnzimmer in eine VR-Spielhölle umrüsten, sollten also nicht nur die Motion-Tracker an der Wand montiert, sondern auch ein Haken oder eine Schiene an die Decke geschraubt werden, in die das Headset gehängt werden kann.


Die meisten Spiele für die HTV Vive werden nicht mit einem klassischen Gamepad gespielt, die VR-Brille bringt stattdessen ihre eigenen Motion Controller mit. Diese Steuermöglichkeit zeigt wieder einmal, dass das Medium Videospiele für viele Menschen bisher verschlossen war: Auch Personen, die sonst kaum Kontakt zu Games hatten, erfassen sofort intuitiv, wie sich die virtuelle Realität mit dem Motion Controller steuern lässt – man braucht keine Analog-Sticks oder Schultertasten, sondern steuert Spiele durch die Bewegungen der eigenen Hände. Als eine Kollegin sagte: „Ich spiele keine Computerspiele, aber das hier fühlt sich anders an“, leuchtete uns ein, warum VR-Systeme wie die HTC Vive sich durchsetzen werden.

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Noch sind viele der Spiele für die HTC Vive Prototypen oder Konzeptbeweise, programmiert von Indie-Entwicklern, weil große Studios sich noch nicht an das neue Medium heranwagen. Darunter Selfie Tennis, bei dem man gegen sich selbst Tennis spielen muss. Oder theBlu, ein Spiel, in dem man den Meeresboden erforschen kann. Nur vereinzelt sind die Titel bereits vollwertige Spiele. Die Highlights: Carpe Lucem, ein meditativer 360-Grad-Puzzler, bei dem man Lichter so lenken muss, dass sie auf Blüten treffen, und der Plattformer Adventure Time: Magic Man's Head Games.


Obwohl man anfangs vielleicht denkt, dass VR nur in der Ego-Perspektive funktionieren sollte, wird man in letzterem Spiel schnell davon überzeugt, dass auch Third-Person-Games eine gute Wahl sind. Erwähnenswert ist außerdem das Spiel Audioshield, bei dem man Energiebälle zum Rhythmus berühmter Popsongs abwehren muss. Eine logische Fortsetzung des Guitar-Hero-Prinzips.

Die limitierte Auswahl an vollwertigen Spiele wird vor allem dann zur Enttäuschung, wenn man ihr den Preis der HTC Vive gegenüberstellt. Die VR-Brille inklusive Controller und Tracking-Sensoren kostet knapp 900 Euro. Ziemlich happig, denn das reicht nicht: Ohne einen äußerst leistungsstarken PC bringt man die Vive nicht zum Laufen. Für viele Menschen bedeutet also der Kauf einer VR-Brille gleichzeitig auch den Kauf eines neuen High-end-Computers. Der Preis des von uns im Test verwendete MSI Nightblade X2 Gaming-PC zeigt relativ plastisch, wie schnell VR also ins Geld gehen kann. Er hätte knapp 2500 Euro gekostet.


Dennoch ist das Erlebnis, das die virtuelle Realität der HTC Vive bieten kann, einzigartig und ein riesiger Fortschritt zu den Smartphone betriebenen Billig-Alternativen wie Google Cardboard oder Samsung Gear VR. Die Motion Controller bieten einen echten Vorteil gegenüber der Oculus Rift, die bisher nur mit dem Gamepad gesteuert werden kann. Ein WIRED-Kollege sagte schon wenige Minuten nachdem er in die virtuelle Realität der Vive abgetaucht war: „Wenn du richtiges VR spielen willst, das ist es.“ Und er hat Recht. Man muss sich nur noch damit abfinden, dass man als Early Adopter einen hohen Aufpreis für das Erlebnis zahlt.

Im Überblick:
– Die virtuelle Realität der HTC Vive ist ein beeindruckendes Erlebnis, vor allem, weil man sich in ihr richtig bewegen kann.
– Durch die Motion Controller werden VR-Spiele auch für Menschen ohne Gaming-Erfahrung intuitiv zugänglich.
– Die meisten VR-Spiele sind leider noch Prototypen oder Konzeptbeweise.
– Nicht nur die Brille selbst ist ziemlich teuer, auch der dafür notwendige PC muss einiges leisten können.


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