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Die App pplkpr rankt eure Freunde nach Lieblingsmenschen und Idioten

von Thorsten Schröder
Wir sollen alles optimieren, auch unsere Beziehungen. Die App pplkpr sortiert unsere Freunde jetzt für uns vor, von Liebling bis Nervensäge.

Fast jeder hat Menschen in seinem Leben, bei denen er sich fragt, warum er eigentlich den Kontakt zu ihnen hält. Bei denen es einem nach einem Wiedersehen oft schlechter geht als vorher, weil mal wieder nur der andere zu Wort kam und man seine eigenen Gedanken in den zwei Stunden im Café auch diesmal nicht losgeworden ist.

Die Macher wollen die Quantified-Self-Bewegung auf die Spitze zu treiben.

Aus dieser bloßen Ahnung wird jetzt digitale Gewissheit: Die App pplkpr wirft einen gnadenlosen Blick auf die Menschen in unserem Leben und sagt uns genau, wer uns gut tut — und bei wem wir lieber auf Distanz gehen sollten.

Dazu koppelt sich das Programm mit einem Herzfrequenzmesser und überwacht dessen Werte, während man mit Anderen interagiert. Schnellt der Herzschlag hoch, wenn man dem Freund in die Augen blickt? Bleibt alles im grünen Bereich, wenn die Freundin vom Urlaub erzählt? Pplkpr nimmt kleinste Veränderungen wahr und sagt uns dank lernfähiger Algorithmen, wer uns aufregt, wer uns runterzieht, und bei wem das Herz buchstäblich höher schlägt.

 

 

Dank GPS weiß die App, wann man an einem Ort ankommt oder ihn verlässt. Ändert sich zusätzlich die Herzfrequenz meldet sich pplkpr automatisch und fragt, ob man gerade jemanden getroffen hat und wie es einem nun geht. Eine Art Therapeut im Taschenformat. Das Ergebnis ist ein gnadenloses Ranking der eigenen Kontakte.

Aus den Daten zieht pplkpr anschließend Konsequenzen, die wir uns selbst vielleicht nicht zu ziehen getraut hätten. Tut uns jemand gut, leitet die App gleich das nächste Treffen in die Wege und tippt schon mal die passende Textnachricht vor. Raubt uns jemand dagegen Energie, bietet einem das Programm netterweise an, den Kontakt aus dem Adressbuch zu entfernen und die Freundschaft auf Facebook zu kündigen.

Das Ziel: Mithilfe von Technologie gesündere Entscheidungen treffen.

Hinter pplkpr stecken die beiden New Yorker Lauren McCarthy und Kyle McDonald. Sie wollten mit der App die Quantified-Self-Bewegung auf die Spitze zu treiben und auf Beziehungen ausweiten. Es sollen nicht mehr nur die eigenen Schritte, der eigene Schlaf und die eigenen Körperfunktionen protokolliert und abgemessen werden, sondern auch Freundschaften und Bekanntschaften. Das Ziel ist dabei dasselbe: Mithilfe von Technologie sollen wir lernen, gesündere Entscheidungen zu treffen. Seit dem Start im Januar ist die App schon mehr als 100.000 Mal heruntergeladen worden.

In der Testphase vernetzten McCarthy und McDonald eine Gruppe von Studenten an der Carnegie Mellon University in Pennsylvania mit der App und schnallten ihnen Herzfrequenzmesser um. Zwei Studenten, eigentlich beste Freunde, verbrachten in dieser Phase jeden Tag Zeit miteinander, weil sie gemeinsam an einem Projekt arbeiteten. Gegen Ende hätten sie sich mehr und mehr gestresst voneinander gefühlt, erzählt McDonald. „Als die App ihnen dann sagte, dass sie vielleicht etwas weniger Zeit miteinander verbringen sollten, waren die beiden geradezu erleichtert.“

Die digitale Erlaubnis habe ihnen das schlechte Gewissen genommen, glaubt McDonald. Er selbst testete die App vor dem Start über Monate mit seiner Partnerin Lauren McCarthy. Einmal seien beide in einen dicken Streit geraten, erzähtl er. McCarthy war gerade an den Herzfrequenzmesser angeschlossen, während McDonald das Smartphone in der Hand hielt. Als das Gerät zum ersten Mal ausschlug, sei er regelrecht begeistert gewesen, erzählt McDonald. „Lauren ist dann beleidigt weggerannt und ich habe sie gejagt, damit die Bluetooth-Verbindung nicht abreißt.“

Online hätten wir inzwischen ein ganz gutes Gefühl dafür, wie unsere Beziehungen funktionieren, was wir mögen und was nicht, sagt der Computerwissenschaftler. Schließlich könnten wir dort liken und retweeten. Auf persönlicher Ebene sei das für viele aber deutlich schwieriger. Sich ausschließlich auf die App zu verlassen, davon rät McDonald allerdings trotzdem ab. „Der Algorithmus befindet sich immer noch in der Entwicklung.“

Wie oft man selbst auf der schwarzen Liste landet, verrät die App nicht.

Der Zeitpunkt für die App ist gut: Immer mehr Fitness-Tracker setzen inzwischen auf eingebaute Herzfrequenzmesser und sammeln hinter den Kulissen entsprechende Körperwerte. Aber auch ohne Zusatzgerät kann man die App laut den Machern nutzen. Man müsse dafür nach einem Treffen mit Freunden nur etwas genauer in sich hineinhorchen und manuell notieren, wie man sich fühlt. Ob die Kontakte, mit denen man sich trifft, auch schon von anderen Nutzern schon blockiert worden sind, verrät das Programm dabei nicht. Auch die Frage, wie häufig man selbst auf der schwarzen Liste landet, bleibt unbeantwortet.

Es ist nicht das erste Mal, dass die beiden New Yorker dem Sozialleben mit einer App auf die Sprünge helfen wollen: Crowdpilot, ein Programm, das Gespräche in Echtzeit an den Freundeskreis überträgt, soll unter anderem helfen, wenn man während eines Dates Ratschläge von Freunden braucht. Us+ hingegen soll unsere unterbewussten Körpersignale zum Positiven verändern, damit wir beim Gegenüber keine falsche Reaktion hervorrufen.

Und die beiden Gründer arbeiten schon an ihrem nächsten Projekt: Einer App, die nicht nur unsere Freundschaften überwachen, sondern in allen Lebensbereichen bessere Entscheidungen für uns treffen soll. Vorerst, sagt McDonald, sei das aber nicht mehr als ein Kunstprojekt. 

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