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Digital ist besser / Johnny Haeusler wird Trendforscher für Retro-Gadgets

von Johnny Haeusler
Ich sattle beruflich bald auf Trendforscher um, glaube ich. Trendforscher sind Menschen, die von Unternehmen sehr gut dafür bezahlt werden, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Strömungen zu erkennen, bevor sie im Mainstream angekommen sind. Die Firmen können dann Produktions- und Marketingmaßnahmen mit genügend Vorlauf auf kommende Kundenwünsche und Moden anpassen. Trendforschung macht es quasi möglich, auf etwas zu reagieren, das noch gar nicht passiert ist.

Trendforschen kann ich. Ich habe zum Beispiel schon vor Jahren vorausgesagt, dass Facebook out ist. Dass scharenweise Nutzerinnen und Nutzer das soziale Netzwerk aus diversen Gründen verlassen werden. Dass man es als Unternehmen eigentlich vernachlässigen kann, es sind ja eigentlich kaum noch Zielgruppen dort.

BasicWare heißt: Ein Produkt kann nicht viel, sondern wenig.

Gut, der Rückzug aus Facebook wäre genau jetzt vielleicht noch etwas zu früh, die Nutzerzahlen sind gerade noch mal um acht Prozent gestiegen, aber lange wird das nicht mehr so weitergehen. Man kann das mit etwas Trendforscher-Talent an bestimmten Indizien erkennen: In der Vatikanstadt stagniert Facebook zum Beispiel bereits. Werbung für Devotionalien oder Weihrauch lohnt sich also kaum noch.

Und noch einen Trend erkenne ich frühzeitig, ich nenne ihn einfach mal „BasicWare“, weil das schick klingt. Mit BasicWare bezeichne ich Technologien, die entgegen der aktuell noch vorherrschenden Produktionsweise nur wenige Funktionen haben, nicht viele. Geräte, die sich als Teil des BasicWare-Trends verstehen, können also nicht viel, sondern wenig.

Wie immer zeigen sich die ersten Vorboten für diesen Trend auf Crowdfunding-Plattformen wie Kickstarter, wo ich mir neulich das Projekt Hemingwrite ansehen konnte. Der Hemmingwrite ist ein tragbarer Computer, der trotz seiner etwas klobigen Form, und obwohl er etwas größer ist moderne Laptops, nur ein ganz kleines, monochromes Display hat und mit dem man nur schreiben kann. Damit man nicht von den ganzen anderen Funktionen eines Laptops abgelenkt wird. Das Ganze sieht, wie man sich vielleicht denken kann, haargenau aus wie die letzten Modelle der elektronischen Schreibmaschine, an die sich natürlich nur die Älteren unter uns noch erinnern.

Angestachelt von diesem, mit einem aktuellen Förderstand von über 320.000 Dollar bei Kickstarter sehr erfolgreichen Projekt, erkannte ich sofort, wohin die Reise in den nächsten Jahren gehen wird. Der stressigen ständigen Erreichbarkeit trotzdend erahnte ich Telefone, die per Kabel in der Wand verankert sind, damit man nur noch an bestimmten Stellen im Haus oder Büro erreichbar sein würde und das Telefon nicht in Restaurants, auf der Straße oder gar in öffentlichen Verkehrsmitteln nutzen könnte, wo es Mitmenschen stören würde. Ein Durchtrennen des besagten Kabels würde zur Funktionsunterbrechung des Telefons führen, Gespräche wären bei solchen Versuchen der Telefon-Befreiung sofort beendet. Eine geniale Idee, die ich schließlich noch durch das Entfernen der Telefon-üblichen Zifferntastatur erweiterte: Sie wird einfach durch eine Art Drehscheibe ersetzt. Kurznachrichten wären mit diesem modernen „SmarterPhone“ (Arbeitstitel) quasi unmöglich, die Konzentration auf das Wesentliche, also das Telefonat hingegen überhaupt erst wieder möglich!

Ähnlich erfolgreich könnte meine Idee des „3TV“ werden. Ein Fernseher-ähnliches Gerät, das nur drei Programme empfängt, daher der kluge Name. Konsumenten müssten beim Kauf drei TV-Sender festlegen und wären fortan von der Qual der Programmwahl befreit. Auch Familienstreits über die abendliche Sendersuche wären zumindest auf ein Minimum reduziert. Und natürlich würde der „3TV“ seine Benutzerinnen und Benutzer auch noch schlauer machen, denn die Paketauswahl müsste mindestens ARTE oder 3Sat beinhalten — und eine Kombination von SAT1, RTL II und Pro7 wäre gar nicht erst möglich. 

Ich bin sicher: „BasicWare“ wird das große neue Ding. Vertrauen Sie mir, ich werde bald Trendforscher. Wenn ich mich nicht irre. 

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