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„So, jetzt bist du im Internet“: Johnny Haeusler über den Netzpionier Robert Rothe

von Johnny Haeusler
Diese Woche erinnert sich Johnny Haeusler an einen Berliner Pionier des Internets. Robert Rothe brachte unseren Kolumnisten und viele andere in Deutschland Anfang der 90er erstmals ins Netz. "Aha, und jetzt?", fragte Hauesler damals. Rothe hatte die Antwort. Mit nur 46 Jahren ist er jetzt gestorben.

Vor mir blinkte eine nach rechts gerichtete spitze Klammer auf einem ansonsten leeren Bildschirm. Ich hatte es mir anders vorgestellt, dieses Internet. Irgendwie... aufregender. Aber ich befand mich auf einer Unix-Shell, die Klammer war das Zeichen dafür, dass der Rechner für die Eingabe eines Kommandos bereit ist.

„Aha. Und jetzt?“, fragte ich Robert Rothe, den Mann, der mir damals, 1991 oder '92 den Weg ins „echte“ Internet zeigte und mit dem ich nun vor dem fast leeren Bildschirm meines Computers saß.

Robert brachte mir in den folgenden Tagen und Wochen die Basis-Kommandos des noch WWW-losen Internet bei, zeigte mir, wie man sich mithilfe dieser Kommandos auf andere Rechner begab, wo und wie man Software auf den eigenen Computer laden konnte, wie man sie per „Gopher“ finden konnte, wie man sich in Newsgroups begab und dort mitdiskutierte. Und nachdem ich es geschafft hatte, das Internet in meinen Kopf zu lassen und die Prozesse hinter den Kommandos halbwegs zu verstehen, entwickelte es eine Größe, die mich in den kommenden Jahren und bis heute beschäftigen sollte.

Das Internet vor dem WWW und in den ersten Jahren danach war, seien wir ehrlich, eine Elite-Veranstaltung. Ausnahmslos wissenschaftliche, akademische, militärische und einige wenige Regierungseinrichtungen waren verbunden. Privatanwendern wurde von AOL und Compuserve für sehr viel Geld eine Art „Internet light“ mit klickbaren Oberflächen angeboten, doch zumindest in Deutschland waren auch diese Anbieter kein Thema für durchschnittlich verdienende Computerbesitzer.

Robert wollte das ändern. Gemeinsam mit einem Partner gründete er 1994 die Firma Interactive Networx und bot mit Snafu den ersten Internetzugang für Privatleute an, noch heute begegnet man Mailadressen mit snafu.de als Domain. Snafu wurde später verkauft und Robert dadurch ein bisschen reich. In den folgenden Jahren beschäftigte sich seine neue Firma mit dem leidigen Thema Spam, mit Expurgate bot er Anti-Spam-Systeme für Unternehmen an, als diesen die drohenden Verluste und Gefahren durch Spam-Mails noch gar nicht richtig bewusst waren. Auch diese Firma ging vor einigen Jahren in anderen Besitz über.

Beinahe zehn Jahre ist es her, dass ich Robert zum letzten Mal traf, danach verloren wir uns aus den Augen, wie es manchmal passiert, wenn die individuellen Wege sehr unterschiedlich verlaufen. An viele Momente mit ihm in den frühen 90ern erinnere ich mich jedoch sehr gut. An sein kleines Zimmer mit einem Brett voller Telefondosen (für jeden seiner allerersten „Kunden“ hatte er sich einen eigenen Telefonanschluss legen lassen). An die zwei oder drei großen Monitore auf seinem Schreibtisch, die allesamt nur Terminal-Fenster anzeigten, durch die er in irrsinnigem Tempo navigierte — allein mit Text-Kommandos natürlich. An sein Büro am Berliner Zoo. An sein immer etwas zu lautes, aber sehr einnehmendes Lachen. An die Ernsthaftigkeit, die urplötzlich auf seinem Gesicht erschien, wenn es um technische Dinge ging. Und an seine sehr frühen Prognosen, wie sehr das Internet unser aller Leben, die Gesellschaft, die ganze Welt verändern würde.

Robert Rothe gründete Startups, bevor sie so hießen, und er verhandelte mit Investoren, bevor das als hip galt. Schon 1998 experimentierte er mit dem Video-Streaming von Ereignissen übers Netz, was ihm damals eher Spott als Ruhm einbrachte. Ansonsten stand sein Name selten in den Zeitungen. Obwohl er die ersten zehntausend privaten deutscher Nutzerinnen und Nutzer ins Internet gebracht hat.

Vor wenigen Tagen erreichte mich die Nachricht, dass Robert im Alter von 46 Jahren verstorben ist. Er erlag einem Krebsleiden, gegen das er zwei Jahre lang gekämpft hatte. Mein Beileid gilt seiner Familie und seinen Freundinnen und Freunden. 

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