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Digital ist besser / Wenn Menschen Handys wie Haustiere behandeln

von Johnny Haeusler
Hunde und Katzen haben Namen, die Autos mancher Besitzer auch, aber Smartphones? Johnny Haeusler wundert sich über die scheinbare emotionale Bindung mancher Menschen zu ihren Gadgets.

Ich gehöre zu einer Generation, in deren Jugend Autos noch etwas Harmloses, Praktisches und Schickes waren. Unsere ersten Wagen, der wichtigste Schritt in die Erwachsenenwelt, waren Schrottkarren, die wir für 400 DM, also etwa 200 Euro, gekauft und von Hand in unserer Wunschfarbe überlackiert haben. Erst später entdeckten wir den Denkfehler, wenn auf einer abgasspuckenden Ente —einem Citroën 2CV — der „Atomkraft? Nein, danke!“-Aufkleber prangte.

Autos machten uns so viel Spaß, dass wir ihnen Namen gaben. Ich persönlich fand es immer etwas albern, einen Gegenstand wie ein Lebewesen zu behandeln und nannte mein Auto gerne „Auto“, andere Menschen in meinem Umfeld schrieben aber den Namen ihres Fahrzeugs sogar mit Klebebuchstaben aufs Heck. Vermutlich damit alle anderen Autofahrer wussten: Sie wurden gerade von „Schorschi“ ausgebremst.

Gibt es Menschen, die ihre Geräte wie Haustiere ansprechen?

Und nun habe ich vergangene Woche während einer Busfahrt ein Gespräch mithören müssen, bei dem eine junge Frau ihrer Freundin berichtete, was sie alles mit ihrem „Smarty“ machen kann. Sie meinte damit natürlich ihr Smartphone, die Bezeichnung war also eher eine Verniedlichung als ein echter Name, trotzdem zuckte ich zusammen. Beginnt die junge Generation etwa ernsthaft, ihren Kommunikationsgeräten Kosenamen zu geben? Gibt es wirklich inzwischen Menschen, die technische Geräte wie Haustiere ansprechen?

Und könnte das, wenn es denn so wäre, ein Zeichen der Vereinsamung einer ganzen digitalen Generation sein, die als Reaktion auf rein digitale Bekanntschaften dazu übergegangen ist, Technologien wie Freunde zu behandeln? Sitzen deutsche Singles etwa allein am Frühstückstisch und updaten ihr Facebook-Profil mit Sätzen wie „Tobi hat schon wieder das Toast anbrennen lassen, aber der Kaffee von Moni ist wie immer hervorragend“?

Das wäre doch furchtbar, oder? Ich sah schon den Focus-Online-Artikel vor mir: „Studie beweist: Immer mehr Deutsche betrachten das Smartphone als ihren besten Freund!“

Bevor der Hobby-Soziologe in mir komplett durchdrehte, wandte ich mich kopfschüttelnd von den jungen Frauen ab und beschäftigte mich wieder mit meinem eigenen Smartphone, dem ich beim Laden einer Website zuschaute. „Komm schon“, fluchte ich vor mich hin. „Wieso brauchst du so lange dafür? Ich habe dir doch gerade erst ein Update aufgespielt!“

Die Mädchen verstummten kurz, schauten für einen Moment zu mir und wandten sich irritiert lächelnd wieder ab. „Ist schon etwas älter“, versuchte ich mich aus der Peinlichkeit zu retten. „Ist nicht mehr das allerschnellste...“ „Ja, ja, das kenn’ ich,“ sagte eine der beiden. Der Versuch, nett zu sein. „Ist aber sonst ein ganz gutes Gerät. Wie heißt es denn?“

In der letzten Folge „Digital ist besser“ stellte Johnny Haeusler fest, wie schwer es ist, Urlaub vom Internet zu nehmen. 

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