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Digital ist besser / Über die Tragik der Antwort per E-Mail

von Johnny Haeusler
Unser Kolumnist Johnny Haeusler wollte nur eine einfache Frage beantwortet wissen. Also schickte er eine Mail — und betrat damit eine chaotische Welt. Über seinen Versuch, den Überblick zu behalten.

"So machen wir das, schick mir das mal per Mail rüber morgen, ich kümmere mich dann und melde mich!” Gesagt, getan. Die Mail, die ich am nächsten Tag wie empfohlen schicke, wird mit der Bitte um etwas Geduld beantwortet und sechs weiteren Namen in Kopie, die für mich völlig fremd sind. Mein Ansprechpartner ist für das Marketing zuständig, die Kopien gehen an die Projektleitung, die Assistenz der Projektleitung, den Chef der PR, die Leitung der Social-Media-Abteilung und sicherheitshalber auch an die Assistenz der Geschäftsführung. Und an eine weitere Person, von der niemand weiß, was sie da eigentlich genau macht.

Ich rede mit meiner Antwort in solchen Situationen gerne alle Empfängerinnen und Empfänger einzeln an: Hallo Thomas, Liebe Madleen, Hi Sibylle, Sehr geehrte Frau Wagner, Verehrter Herr Carlsen, Hola Andrea, Guten Tag, Tobias!
Zurück kommen vier Out-of-Office-Replies – in Kopie der automatisierten Antworten sind drei Urlaubsvertretungen, an die man sich in der urlaubsbedingten Abwesenheit der jeweiligen Person wenden kann – sowie sieben Einladungen in Business-Netzwerke bei LinkedIn (dem zweitspammigsten aller Sozialen Netzwerke nach Oliver Thiel von StayFriends). Und die Antwort des ursprünglichen Adressaten. Ein zwinkernder Smiley.

Hallo Thomas, Liebe Madleen, Hi Sibylle, Sehr geehrte Frau Wagner, Verehrter Herr Carlsen

Überraschenderweise wurde in der Zwinker-Mail eine Person der ersten Kopien-Liste ausgetauscht, welche im nächsten Schritt mit einer Rückfrage reagiert, die in meiner ersten Mail bereits beantwortet war.

Da die Person vergessen hat, auf „An alle antworten“ zu klicken, sende ich meine erneute Antwort an eben jene Person, der Vollständigkeit halber und um den Informationsfluss nicht zu unterbrechen aber auch an die sechs ursprünglichen Adressaten, die zwölf Urlaubsvertretungen und natürlich meinen Erstkontakt. Sechs Out-of-Office-Replies, vier Facebook-Freundschaftsanfragen und ein Hinweis vom Server wegen Nichtzustellbarkeit einer Mail sind das Resultat.

Zusätzlich erreicht mich die Facebook-Nachricht meines ursprünglichen Ansprechpartners: Er arbeitet leider nicht mehr für das Unternehmen, ich solle mich am besten an seine Nachfolgerin wenden, die im Moment aber etwas überlastet und ab Montag erstmal zwei Wochen lang im Urlaub ist.

Ich überprüfe den bisherigen Mailwechsel, der Name meines neuen Kontakts taucht in den bisherigen Adressaten-Listen nicht auf. Ich schreibe sie daher mit dem Text meiner allerersten Mail an und erhalte eine Antwort ihrer Assistentin mit einem Terminvorschlag für die Zeit nach ihrer Rückkehr. Ich sage zu, trage mir den Termin in meinen Kalender ein und lösche die Out-of-Office-Reply meines neuen Kontakts, sie war bei der Mail ihrer Assistentin natürlich in Kopie.

Die Assistentin antwortet mit einer Outlook-Terminanfrage, in der die Uhrzeit nicht mit der per Mail vereinbarten übereinstimmt. Ich klicke auf den Link zum Ändern des Termins, weil ich aber kein Outlook nutze, geht stattdessen ein Google-Kalender in einem Browser-Tab auf, den ich ebenfalls nicht nutze. Die Assistentin, die über meinen Klick benachrichtigt wurde, sendet ihre Korrektur-Mail nun an meine Gmail-Adresse, ihr Name wird in mein Google-Adressbuch eingetragen, wo ein Profilbild vermuten lässt, dass sie einen Vollbart trägt.

Ich richte eine Out-of-Office-Reply für alle meine Mailadressen ein, sende diese an die bisherigen Kontakte im Unternehmen und bitte alle, in meiner Abwesenheit eine Nachricht in der MySpace-Gästeliste von Tom Anderson zu hinterlassen.

In seinem letzten Text beschäftigte sich unser Kolumnist mit den Folgen der Anschläge von Paris.

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