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Digital ist besser / Johnny Haeusler hängt auch im Urlaub an der Datennadel

von Johnny Haeusler
Endlich Urlaub. Endlich mal weg aus Deutschland, weg von zu Hause, weg vom Büro und auch weg von den News, den E-Mails, den Facebook-Nachrichten, dem Twitter-Stream. Am ersten Tag maulen die Söhne noch, weil YouTube nicht läuft, dann entspannt sich die Lage etwas. Aber nicht lange.

Dort nämlich, wo die mobile Datenflatrate, die schon zu Hause gar keine ist, nach einem einzigen Instagram-Aufruf per SMS mitteilt, dass man ein weiteres Foto nur mit einem EU-Daten-Upgrade für 4,95 Euro hochladen könnte, lassen wir die Sache mit dem Internet einfach mal eine Weile lang sein. Es geht schließlich auch ohne.

Denken wir. Und stellen dann doch fest, wie sehr wir mittlerweile an der Datennadel hängen.

Mal schnell auf Google Maps checken, wo genau in Frankreich man sich gerade eigentlich befindet? Geht nicht. Und wer sich stattdessen einen klassischen Faltplan aus Papier besorgt, stellt schnell fest, dass die Dinger erstens so teuer sind, dass man auch seinen Datentarif mehrfach hätte upgraden können — und dass sie zweitens gar kein GPS haben! Man weiß also immer noch nicht, wo man ist, solange niemand in der Nähe ist, den man fragen könnte.

Auch die Musik, die wir gerne hören wollen, läuft nicht ohne Netz. Denn natürlich haben wir Erwachsenen vergessen, unsere Playlists auch für die Offline-Nutzung zu speichern. So hören wir uns also tagelang durch die Musik des älteren Sohns, der diesbezüglich etwas schlauer war als wir, und sind nun erstens Experten in Sachen deutschsprachiger Hip-Hop und zweitens am Ende mit unseren Nerven.

Ohne Internet und Filterblase fehlt uns eben doch etwas.

Aber das sind alles nur Kleinigkeiten. Wir wollten ja sowieso hauptsächlich lesen. Immer nur Bücher kommt uns nach zwei Tagen aber etwas einseitig vor, zwischendurch dürsten wir nach leichter Lektüre und fragen uns auch, ob Deutschland eigentlich noch existiert. Also blättern wir uns mangels ausreichender Französischkenntnisse und Twitter-Zugang durch die wenigen verfügbaren deutschsprachigen Papier-Zeitungen — bis uns die großen Buchstaben und das, was sie sagen, Kopfschmerzen bereiten.

Ohne Internet und ohne Filterblasen-Links fehlt uns dann eben doch etwas. Und so tun wir, was fast alle anderen auf dem Campingplatz auch tun: Wir stellen uns am Abend für eine halbe Stunde ans Fenster der Rezeption, deren offenes WLAN etwa zwei Meter weit funktioniert. Natürlich kommen wir uns etwas lächerlich dabei vor, dicht gedrängt mit mehreren Dutzend anderen Süchtigen auf unsere kleinen Displays zu starren, nur um feststellen zu müssen, dass in Deutschland leider immer noch Bekloppte Flüchtlingsheime angreifen. Doch immerhin sorgt diese Erkenntnis dafür, das Internet in den kommenden Tagen etwas weniger zu vermissen.;

Wir lesen wieder unsere Bücher und hören dazu deutschsprachigen Hip-Hop. Endlich Urlaub.

In der letzten Folge „Digital ist besser“ stellte Johnny Haeusler zum Fall Netzpolitik.org fest: Was wir tun, ist kein Landesverrat, sondern Notwehr! 

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