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re:publica / Droht uns Raubtierkapitalismus im Weltraum?

von Anna Schughart
Der Weltraum fasziniert wie schon lange nicht mehr. Internationale Weltraumorganisationen und private Unternehmen sorgen für einen Boom, den auch die Popkultur aufgreift. Doch während die Zahl der Geschäftsleute im Weltraum steigt, stellt sich die Frage: Wem gehört er eigentlich?

Auf ihrem Talk auf der re:publica beschäftigen sich Jörg Blumtritt und Silke Schmidt mit dieser Frage. Sie erklären, warum der Weltraum gerade wieder so poulär ist und wie internationale Gesetzgeber darauf reagieren müssen.

WIRED: Erlebt der Weltraum gerade ein Comeback?
Jörg Blumtritt: Absolut. In den 90er Jahren war Space total tot. Aber vor etwa zehn Jahren hat ein unglaublicher Boom begonnen. Astronauten sind plötzlich wieder Superstars, Space ist auf Twitter immer ein Top-Thema und auch in der Popkultur gibt es eine echt bemerkenswerte Renaissance, man muss nur mal an Filme wie „Interstellar“ denken.

WIRED: Gibt es dafür eine Erklärung?
Blumtritt: Es gibt nicht den einen Grund. Aber Peter Thiel hat mal gesagt, dass es in eine Sackgasse führt, wenn wir unter Technologie immer nur Digitaltechnologie verstehen. Wir müssen wieder Sachen machen, die man anfassen kann. Das glaube ich auch. Die Menschen sind digital-müde.
Silke Schmidt: Auch der Mars ist extrem wichtig. Beim ersten Space Race wollte man zum Mond fliegen, jetzt zum Mars.

WIRED: Welche Rollen spielen private Unternehmen wie SpaceX, die in das Weltraumgeschäft eingestiegen sind?
Blumtritt: Dass sich private und staatliche Akteure vermischen, ist ein entscheidender Aspekt. Sie befruchten sich gegenseitig. Und plötzlich ist wieder eine konkrete Vision da. Man kann wieder vom Weltraum als der „Final Frontier“ träumen, wo alles möglich ist. Zum Beispiel unvorstellbarer Reichtum.
Schmidt: Genau das ist aber auch ein Grund, sich wieder einmal juristisch damit auseinanderzusetzen.

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WIRED: Warum?
Schmidt: Die Frage, ob man zum Beispiel Asteroiden kommerziell abbauen darf, so wie zum Beispiel Planetary Resources oder Deep Space Industries es planen, ist nicht klar. Die USA sind jetzt vorangeschritten und haben nationale Regelungen verabschiedet. Als ich das gesehen habe, dachte ich: Das kann ja eigentlich nicht sein. Ich hätte Regelungen auf internationaler Ebene erwartet.

WIRED: Der SPACE-Act der USA sieht vor, dass US-Amerikaner Asteroiden kommerziell verwerten dürfen.
Schmidt: Ob das legal ist, darüber kann man sich streiten. Es gibt zwei Meinungen: Der Weltraumvertrag von 1967 regelt eigentlich ganz klar, dass man das nicht darf. Man kann aber einwenden, dass man damals eben einfach noch nicht ans Asteroiden-Mining gedacht hat. Ein späterer Vertrag, der Mondvertag, sollte das eigentlich regeln, doch den haben nur 16 Staaten unterzeichnet. Es ist also dringend Zeit, einen neuen Vertrag zu entwerfen.

WIRED: Wie sollte der aussehen?
Blumtritt: Es gibt zwei Gebiete, mit denen man die Situation im Weltraum hier auf der Erde vergleichen könnte: die Antarktis und die Hochsee. Die Antarktis gilt als großes Reservat, das man gemeinsam und in enger Abstimmung nutzt. Die Hochsee ist da schwieriger zu regeln, da kann fast jeder machen, was er will — mit den entsprechenden Folgen für die Umwelt. Die Frage ist also: Ist der Weltraum ein öffentlicher Raum mit Gemeingütern oder der neue Wilde Westen, wo man hochgeht und einfach alles abgrast?


WIRED: Und worauf läuft das hinaus?
Schmidt: Das kann man noch nicht sagen. Wir haben jetzt zwei Staaten, die vorweg gegangen sind. Auch Luxemburg hat gesagt: Wir müssen das in Europa diskutieren, wir fangen jetzt damit an. Es wäre natürlich super, wenn man sich international einigen würde. Es geht dabei ja nicht nur um Asteroiden-Mining. Die Einstiegshürden für orbitale Geschäfte, wie zum Beispiel Satellitentechnik, sind so niedrig, dass fast jeder mitmachen kann. Das schreit nach vernünftigen neuen Regelungen.
Blumtritt: Ich bin persönlich ein starker Verfechter von Allgemeingütern. Dieser sehr libertäre Silicon-Valley-Ansatz — Hauptsache ohne Staat — ist mir nur so mittelmäßig sympathisch. Unternehmen, die ohne Regeln in einem Markt agieren, müssen sich ethisch nicht korrekt verhalten.

WIRED: Klingt nicht sehr optimistisch…
Blumtritt: Ich glaube nicht, dass wir lange auf ein neues Weltraumgesetz warten müssen. Das wird sich schnell einrenken.
Schmidt: 2018 ist der 50. Jahrestag der ersten „United Nations Conference on the Exploration and Peaceful Uses of Outer Space (UNISPACE)”. Zu diesem Anlass werden die bestehenden Regelungen gesichtet und aktuelle Fragen diskutiert. Ob dies in einen internationaler Vertrag mündet, muss man abwarten. Die Themen sind doch viel komplexer, als die Grundsätze, auf die man sich 1968 einigen konnte.

Silke Schmidt ist Juristin und hilft bayerischen Unternehmen, sich auf dem amerikanischen Markt zu etablieren. Dabei kam sie viel mit dem Thema Luft- und Raumfahrt in Kontakt und hat so ein Interesse am Weltraumrecht entwickelt.

Jörg Blumtritt ist der Geschäftsführer von Datarella. Das Startup beschäftigt sich mit der Aufbereitung von wissenschaftlichen Daten und wird teilweise durch die ESA finanziert.

Die re:publica findet vom 2. bis 4. Mai 2016 in Berlin statt. Die WIRED-Berichterstattung zur Konferenz findet ihr hier


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