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IFA Berlin / Kaspersky implantiert einem Menschen live einen Chip

von Dominik Schönleben
Das erste Ereignis der Tech-Messe IFA, das wirklich unter die Haut geht: Während einer Panel-Diskussion hat die IT-Sicherheitsfirma Kaspersky ihrem Moderator kurzerhand einen Chip implantieren lassen. Aufhänger der Aktion war eine Diskussion zu der Frage, ob Menschen mit implantierter Hardware nicht nur bald schon zum Normalfall, sondern auch zum Sicherheitsrisiko werden könnten.

Es ist nur ein kleiner Stich — und keine 30 Sekunden später ist Moderator Rainer Bock ein Cyborg. Umringt von Kamerateams und Schaulustigen hat ein Tätowierer ihm einen Chip unter die Haut gestochen. Und ihn den ebenfalls anwesenden schwedischen Biohackern von BioNyfiken ein Stückchen näher gebracht.

Hannes Sjoblad von BioNyfiken

Dominik Schönleben

Während Hersteller wie Samsung weiterhin versuchen, uns das Internet der Dinge schmackhaft zu machen, sorgt sich Kaspersky um die Sicherheitslücken von Übermorgen. Anstatt ums Handgelenk geschnallte Wearables, die mit unserer Wohnung kommunizieren, werden wir die Technik dafür schon bald im Körper tragen, glaubt Marco Preuß, Leiter der Abteilung für europäische Sicherheitsforschung bei Kaspersky. Diese Welt der Zukunft bezeichnet sein Unternehmen als „Internet of Us“.

Um über diese Zukunftsvision zu sprechen, hat Kaspersky neben dem BionicMan Evgeny Chereshnev und dem schwedischen Biohacker-Kollektiv auch die Psychologin Astrid Carolus von der Universität Würzburg zu Gast. Sie glaubt, dass es derzeit vor allem einen Grund gibt, sich bionisch upzugraden: Angeberei. Deswegen seien auch vor allem Männer Teil der Biohacking-Bewegung „Besser als die Apple-Watch“ sei derzeit zum Posen nur ein zwischen Daumen und Zeigefinger implantierter Chip.

Astrid Carolus von der Uni Würzburg

Dominik Schönleben

Für Chip-Implantate gibt es derzeit allerdings nur recht begrenzte Anwendungsbereiche. Noch können sie nicht zur aktiven Datenübertragung genutzt, sondern nur von anderen Geräten ausgelesen werden. Anwendungen, die von Biohackern schon getestet wurden, sind Payment per RFID-Chip (wie bei Smartphones) sowie Identifikation an der Sicherheitsschleuse oder beim Check-in im Hotel.

„Als Sicherheitsunternehmen muss man die Technologien der Zukunft voraussehen“, sagt Preuß von Kaspersky. Deswegen denkt er schon jetzt über implantierte Chips nach, die weit vom Massenmarkt entfernt sind. Hardware will er sich aber selbst noch nicht implantieren lassen. Dafür sei es noch zu früh und er als Sicherheitsforscher könne man die Technik nicht mehr neutral beurteilen. Stattdessen arbeitet er derzeit ganz oldschool an einem Selfmade-Wearable fürs Handgelenk.

Marco Preuß, Director Great Europe bei Kaspersky

Dominik Schönleben

„Die Überwindung, sich etwas unter die Haut zu implantieren“ ist laut Preuß derzeit der größte Faktor, warum die Technik noch länger brauchen wird, um sich zu etablieren. Technisch sei es kein Problem mehr, einen mit Glas ummantelten Chip zu Identifikationszwecken in der Hand zu tragen.

„Es gibt zwar die Möglichkeit die Daten auf dem Chip mit einem vierstelligen Zahlencode zu sichern“, sagt Preuß. Doch der wäre leicht zu knacken. Für stärkere Verschlüsselung sei ein solcher Chip einfach noch nicht leistungsfähig genug. Doch Angriffe auf implantierte Chips seien dennoch eher unrealistisch, glaubt Preuß. Aufgrund ihrer geringen Reichweite von unter fünf Zentimeter müsste man seinem Ziel unangenehm nahe kommen. Dafür müsste man das Gerät von dem der Angriff ausgeht, länger in der Hand halten.

Die Daten des Chips, der Moderator Rainer Bock implantiert wurde

Dominik Schönleben

Rainer Bock ist an diesem Tag zum 99-Dollar-Man geworden. So viel kostet der Chip, den er jetzt im Handgelenk trägt. Ob er da dauerhaft bleibt ist fraglich. „Das Implantat ist so klein. Es lässt sich auf dieselbe Weise entfernen wie ein Holzsplitter“, sagt Hannes Sjoblad von BioNyfiken.

Der Tätowierer identifiziert den Hautlappen, in den er den Chip stechen wird.

Dominik Schönleben

Und wie fühlt sich so ein Chip unter der Haut nun an? Am Anfang bewege sich der Fremdkörper noch etwas hin und her, sagen die Biohacker, bis er festwachse und man ihn nicht mehr spüre. Bis dahin sei das Ganze „ein bisschen unangenehm“. Dass so eine Implantierung relativ schmerzfrei abläuft, kann Moderator Bock nach seiner Transformation zum Cyborg bestätigen. In seinem Fall ist der Grund dafür eindeutig: im Hautlappen zwischen Daumen und Zeigefinder sitzen kaum Nervenenden.

Moderator Rainer Bock kann nicht hinsehen, als ihm der Chip implantiert wird.

Dominik Schönleben

Es scheint der nächste logische Schritt zu sein, uns selbst zu vernetzten, nachdem wir selbiges mit unseren Wohnungen, Autos und Arbeitsplätzen getan haben. Doch wie schnell die immer wieder neu prophezeite Welt des Internet of Things wirklich flächendeckend real wird, ist fraglich. Schon seit fast einem Jahrzehnt wird sie uns von Herstellern versprochen. Da muss Kaspersky wohl noch einige Zeit warten, bis die Zeit kommt, in der die implantierte Hardware fragt: „Ihr Free Trial ist abgelaufen. Möchten sie jetzt Upgraden?“ 

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